Und du - du hast mir alles vergeben!
Gottesdienst am 17.02.2002 

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
im Rahmen der Olympia- Berichterstattung las ich ein Porträt von Monika Pflug, die 1972 in Sapporo mit 17 Jahren eine Goldmedaille über 1000m Eisschnelllauf gewann. 1988 brach sie ihre Karriere nach den Winterspielen in Calgary abrupt nach einer vernichtenden Niederlage ab. Sie beendete "sehr deprimiert ihre Karriere", wurde berichtet. Heute hat Monika Holzner- Gawenus nach eigener Aussage gefunden, was sie während ihrer aktiven Zeit vermisste, Geborgenheit, viel Zeit für ihre Kinder. Stellt man sich so die Karriere eines 17-jährigen Goldmädchens vor? Dass sie am Ende deprimiert aufhört und die Schlittschuhe für immer im Keller lässt?

Aber mit einem Sonntag Morgen Gottesdienst- Blick sieht es vielleicht anders aus. Da entdecken wir, dass sie nach langen entbehrungsreichen, gehetzten und getriebenen Jahren endlich gefunden hat, was Wert hat und ihr Leben lebenswert macht. Ich weiß sonst nichts über Monika Holzner- Gawenus, geb. Pflug. Aber in ihrer Biographie gibt es Stationen, die mir bekannt vorkommen. Es geht nicht immer weiter auf Erfolgskurs. Das Leben wird nicht immer leichter, besser und erfolgreicher. Mauern und Grenzen tun sich auf, die nicht aus eigener Kraft zu bezwingen sind und man fragt sich, wie es weitergehen soll. Ob man nicht vielleicht viel zu lange auf das falsche Pferd gesetzt hatte und ob es nun nicht endlich Zeit wäre, sich zu besinnen und die Richtung zu ändern. Nicht immer steht an einem solchen Wendepunkt das Aus der Karriere. Manchmal ist es eine Krankheit, die zur Besinnung führt, der Verlust eines lieben Menschen, ein Vertrauensbruch oder das innere Gefühl von Leere und Ausgebranntsein. Vielfältig sind die Anzeichen, dass es dran wäre, sich zu besinnen.

In der Bibel stehen einige Gebete, Lieder, Gedichte, die in besonderer Weise zum Anliegen haben, uns an solchen Wendepunkten abzuholen. Martin Luther nannte sie die sieben Bußpsalmen. Dieser Begriff scheint alt, wir kennen Buße eigentlich nur noch in Form von Bußgeldbescheiden wegen falschem Parken. Deshalb - um keine Verwechslung mit Strafzetteln aufkommen zu lassen - könnten wir diese Psalmen auch anders nennen, zum Beispiel Gebete für Ausgebrannte, Lieder für Verlierer, Gedichte für Leute, die nach Gott suchen.

Die Psalmen beschreiben, wie sich jemand plötzlich auf der Verliererseite wiederfindet. Er ist nicht mehr der Starke, Beliebte, Unabhängige, sondern er ist krank, leidet an seiner sozialen Isolation, wird von Feinden bedroht und spürt seine Nähe zum Tod. Für den Gläubigen ist das nicht unabänderliches Schicksal. Er sieht hinter seiner persönlichen Niederlage Gott und fragt sich, was ihm Gott damit sagen will. Hat er selbst Schuld an seiner Situation? Will Gott ihm etwas sagen? Hätte er etwas anders machen sollen? Warum lässt es Gott so weit kommen?

Uns sind die Psalmen gegeben, damit wir unser eigenes Leben in sie einzeichnen. Wir werden ermutigt, ehrlich zu werden, uns Niederlagen einzugestehen, auch die Mauer vor uns wahrzunehmen, die uns immer und immer wieder am Weiterkommen hindert.

Wir werden mit diesen Psalmen aber auch an Jesus Christus erinnert. Er hat diese Psalmen gekannt und sie gebetet. Er als lebendiges Wort Gottes spricht aus ihnen zu uns. Er möchte mit diesen Gebeten in Verbindung mit uns treten und uns den Weg in die Zukunft weisen.

Vielleicht denken Sie jetzt, nein, das ist nicht meine Situation. Ich befinde mich doch gerade im Goldrausch, da will ich nicht schon an die Niederlage denken. Aber Sie haben vielleicht eine Freundin oder einen Freund, der sich elend und verlassen fühlt. Der Ihre Hilfe braucht, aber dem Sie eigentlich nicht helfen können. Dann nehmen Sie das Umkehrgebet zum Anlass, für ihn oder sie zu beten und sensibler zu werden, was er oder sie jetzt von Ihnen braucht.

Vielleicht sagen Sie auch: Meine Situation hat nichts mit Gott zu tun. Ich glaube nicht daran, dass er mich beeinflusst. Er ist mir eigentlich egal. Dann lassen Sie sich trotzdem von den alten Worten des Psalmbeters einladen und mitnehmen. Öffnen Sie den Worten Ihr Herz. Warten Sie ab, was geschieht. Immerhin könnte es möglich sein, dass Sie im Innersten berührt werden und manche wirren Wege in Ihrem Leben eine Linie bekommen, die eben doch etwas mit Gott zu tun hat.

Ich habe einen Psalm aus den sieben herausgegriffen, der mich persönlich sehr berührt hat. Er erzählt von einem ganz normalen Menschenleben. Er berichtet von Talfahrten. Aber er endet nicht dort. Wie eine Klammer ist Freude und Jubel sein Thema.

Psalm 32,1-11

Ein Gedicht Davids.
Freuen dürfen sich alle, denen Gott ihr Unrecht vergeben und ihre Verfehlungen zugedeckt hat! 
Freuen dürfen sich alle, denen der HERR die Schuld nicht anrechnet und deren Gewissen nicht mehr belastet ist!
HERR,
erst wollte ich meine Schuld verschweigen;
doch davon wurde ich so krank, dass ich von früh bis spät nur stöhnen konnte. 
Ich spürte deine Hand bei Tag und Nacht; sie drückte mich zu Boden,
ließ meine Lebenskraft entschwinden wie in der schlimmsten Sommerdürre.
Darum entschloss ich mich, dir meine Verfehlungen zu bekennen.
Was ich getan hatte, gestand ich dir; ich verschwieg dir meine Schuld nicht länger.
Und du - du hast mir alles vergeben!
Deshalb soll jeder, der dir die Treue hält, zu dir beten, wenn er in Not gerät.
Wenn sie ihn dann bedrängt wie eine Flut, wird sie ihn nicht verschlingen können.
Bei dir finde ich Schutz; du hältst die Not von mir fern und lässt mich jubeln über meine Rettung.
Der HERR hat mir geantwortet:
"Ich sage dir, was du tun sollst, und zeige dir den richtigen Weg. Ich lasse dich nicht aus den Augen. 
Sei doch nicht unverständig wie ein Maultier oder Pferd! 
Die musst du mit Zaum und Zügel bändigen,
sonst folgen sie dir nicht."
Wer Gottes Gebote missachtet, schafft sich viel Kummer;
aber wer dem HERRN vertraut, wird seine Güte erfahren.
Ihr, die ihr dem HERRN gehorcht, freut euch und jubelt über ihn!
Alle, die zu ihm halten, sollen vor Freude singen!

Vier Stichwörter sollen uns durch den Psalm leiten: Lehre, Dank, Bekenntnis und Gebet.

Lehre

Die ersten Worte des Psalm deuten darauf hin, dass David uns mit seinem Gebet unterweisen will. Denn Gebet heißt im Hebräischen, der Ursprache des Alten Testaments, auch Unterweisung, Lehre. Er wollte uns einbeziehen in das, was er erlebt hatte und was in seinem Leben revolutionäre Sprengkraft entwickelte. "Freuen dürfen sich alle", sein Gebet ist ein Freudenlied, das davon berichtet, wie es auch bei uns wieder hell und lebenswert werden kann.

Es geht letztlich gar nicht um das Scheitern, die Krise, die Sackgasse, die verpasste Goldmedaille. Es geht um geglücktes, fröhliches, ausgefülltes Leben, um Befreiung und Hoffnung. Wer will das nicht auch haben? Um diese Aussage zu untermauern, berichtet David aus seinem Leben. Da war etwas in seinem Leben - und wir wissen von einigen Episoden (siehe Predigten über David: Mitten ins Herz, Sex, Macht und Mord, Wer eicht ihr Leben?) - das nicht in Ordnung war. Eine tiefe Kluft tat sich auf zwischen Menschen, die ihm nahe standen und ihm, zwischen Gott und ihm. Er wollte seine eigenen Anteile an der Zerstörung verschweigen. Vielleicht hat er sie sogar vor sich selbst unter den Teppich gekehrt. Doch die Schuld holte ihn ein. Er wurde krank und beschreibt seinen Zustand mit sehr bildreicher Sprache. Er fühlte sich wie in der Wüste, war ausgedörrt und kraftlos, fühlte sich von Feinden umzingelt.

Heute würden wir feststellen, er litt an einem Burn-Out- Syndrom. Er war ausgebrannt und nicht mehr fähig, die Dinge realistisch einzuschätzen. Was ihm früher höchste Freude war, seine Nähe zu Gott, wurde ihm zur größten Qual. David spürte in seinem Ergehen Gottes Hand, die auf ihm lastete. Es war dieselbe Hand, aus der er in früheren Zeiten Gutes empfangen hatte. Und so besann er sich, dass diese Hand ihn nicht bis zum letzten austrocknen und töten wollte, sondern im Gegenteil ihn zurück holen wollte. Er erinnerte sich, dass Gott ihn liebte und nichts anders von ihm wollte als Ehrlichkeit. Und so packte er aus, nannte Schuld beim Namen, zeigte seine eigenen Wunden und wartete darauf, was als Nächstes geschehen würde.

David lehrt uns damit Grundsätzliches. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen unserem Ergehen im Alltag und unserer Gottesbeziehung. Es hilft nichts, diese Dimension zu ignorieren. Das führt letztlich in die Depression, den Tod. Wo wir merken, dass wir den Karren in den Dreck gesetzt haben, hilft nur aussteigen und zugeben, ich komme nicht allein aus dem Dreck. Es muss mich jemand heraus ziehen. Dieses Bekenntnis ist die Wende und es verlangt viel von uns. Denn eigentlich möchten wir doch lieber mit eigener Kraft wieder heraus kommen. Eigentlich ist es doch peinlich zuzugeben, dass wir vielleicht 20 Jahre den falschen Beruf ausgeübt haben, 10 Jahre unseren Mann betrogen haben, 5 Jahre schon keine echte Freude mehr gespürt haben und das ganze letzte Jahr nicht einen Moment tief durchatmen konnten, weil die Schulden auf der Bank uns die Luft abdrückten. Und der Schülerin fällt es vielleicht schwer zuzugeben, dass ihre Freunde ihr den Glauben gründlich ausgetrieben haben. Seitdem denkt sie mit einem traurigen, wehmütigen Herzen an die schöne Zeit ihrer Kindheit zurück, in der sie Jesus als ihren Freund erfahren hatte und das Leben rund und zuversichtlich war.

Ehrlich sein ist ein mutiger Schritt. Jesus ermutigt uns dazu. Er ist diese Hand Gottes, die uns heraushelfen will. Er tritt uns als Person gegenüber, ganz konkret und hautnah. Er wartet, bis wir zu dieser Ehrlichkeit bereit sind und von uns aus ohne Zwang zugeben: Ich schaff es nicht allein. Hilf mir, du bist meine Hoffnung.

Dank

"Und du - du hast mir alles vergeben." Dieses erstaunte Resümee zieht David, nachdem er erfahren hat, dass Gott ihn mit seiner Not wirklich nicht allein gelassen hat. Die Hand, die er vorher noch als niederdrückend empfand, ist zur rettenden Hand geworden. Nichts lässt er weiter verlauten von Bußleistungen, Strafarbeiten oder Punkten. Es ist alles gut geworden, weil Gott die Kluft, die sich aufgetan hat, selbst bedeckt hat.

Für mich liest sich das wie eine Auslegung von Jesu Tod und Auferstehung. Jesus hat für mich die Kluft überwunden und die Wunde bedeckt, die ich mit meiner Eigenmächtigkeit und meinem mangelnden Vertrauen verursacht habe. Weil auch ich das erfahren habe, kann ich mit David danken und Gott preisen, dass er mich nicht allein gelassen hat. 

David beschreibt diese Rettungstat sehr eindrücklich. Da kommt eine Flutwelle auf mich zu. Sie droht mich zu überspülen und mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Aber sie hat keine Macht über mich. Ich rufe zu Gott und der hört mich. Es ist so ähnlich wie auf diesem Bild. Sitze ich erst mal da oben, bin ich gerettet. Kein Chef, kein Stau, kein "du musst" und "du sollst" kann mir etwas anhaben. Weil Jesus bei mir ist, kann ich meine Situation wieder klar erkennen und ordnen.

Ruhe finden
Haben wir zu danken? Haben wir erlebt, dass uns die Hand Gottes zum Innehalten zwang und sich im Nachhinein als rettende Hand entpuppte? Ist uns Jesus Christus auf einem unserer falschen Wege begegnet, um uns zur Umkehr zu rufen? Hat uns ein nahestehender Mensch an die Hand genommen, der uns bewegte, ehrlich vor Gott zu werden und uns helfen zu lassen?

Bekenntnis

Aber bleiben wir nicht bei der Vergangenheit stehen. Heute hören wir die Unterweisung Davids. Wo kommen wir in diesem Psalm vor? Mag sein, uns spricht aus dem Herzen: "Sei doch nicht unverständig wie ein Maultier oder Pferd! Die musst du mit Zaum und Zügel bändigen, sonst folgen sie dir nicht."

Ich versetze mich zurück in meine Schulzeit. Ich komme aus der Schule und erzähle freudestrahlend, dass wir erst nächste Woche eine Englischarbeit schreiben. Anlass für mich, noch ein paar Tage mit dem Lernen zu warten. Verhalte ich mich da nicht wie ein Pferd? Erst ausruhen und essen... Sollte ich nicht gleich mit dem Lernen anfangen und mich nicht erst mit Gewalt zu meinem Glück zwingen lassen?

Ich habe Funkstille zu einer Freundin. Ich leide darunter. Ein Maulesel würde erst mal abwarten und die Situation aussitzen. Er würde warten, bis der Eseltreiber mit dem Stock kommt. Sollte ich den ersten Schritt tun, weil Gott ihn auch bei mir gemacht hat? Oder warte ich auf den Stock, der mich zum Handeln antreibt?

Ich bin unzufrieden mit meiner Arbeit. Die Kollegen nerven, die Arbeit ist kaum zu schaffen, es ist ätzend. Ein Pferd würde bocken, verweigern, vielleicht sogar vor dem Hindernis anfangen zu grasen. Sollte ich verwandt mit einem Pferd sein? Denn diese Reaktion kenne ich auch von mir, bockig werden, Dienst nach Vorschrift tun, einfach den Kopf in den Sand stecken. Sollte ich nicht eher wie der Mann auf der Zeichnung nach oben klettern und meinen Arbeitsplatz von der Vogelperspektive - aus Gottes Perspektive - betrachten? Sollte ich beten und bitten, dass Frieden einzieht?

Das ganz persönliche Einstimmen in Davids Gebet ist Lernziel der Unterweisung. 
Jesus Christus sagt uns zu: "Kommt alle zu mir; ich will euch die Last abnehmen! (Matthäus 11,28)
Und das sollt ihr wissen: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt." (Matthäus 28,20)

So sind wir als ehrliche Leute nicht allein, sondern werden erwartet. Damit es auch von uns heißt
"Ihr, die ihr dem HERRN gehorcht, freut euch und jubelt über ihn!
Alle, die zu ihm halten, sollen vor Freude singen!"

Gebet

Herr, unser Gott, du bist nicht immer greifbar und fassbar. So oft fühlen wir uns hilflos ausgeliefert und warten vergeblich, dass sich unsere Situation schlagartig ändert. Verzeih, dass wir da nicht an dich denken, dass du uns ganz weit weg scheinst und völlig desinteressiert. Danke, dass du uns trotzdem nicht aufgibst. Du gehst uns nach, du sprichst durch deinen Sohn Jesus Christus zu uns, hältst uns vor dem Abgrund auf, gibst uns eine Chance zur Umkehr. 
Herr, lass diesen Psalm zu unserem persönlichen Bekenntnis werden, dass wir jubeln können, uns freuen können, dass wir davon erzählen können, wie du vergibst, neu machst und uns zuversichtlich und froh unseren Weg gehen lässt. Durch Jesus Christus, deinen Sohn, preisen wir dich. Amen.
Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_und_du_du_hast_mir_alles_vergeben.htm