Wer eicht Ihr Leben?
Gottesdienst am 28.10.2001

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
beim Metzger traf ich vorgestern zwei Herren. Wie sich bald herausstellte, waren sie vom staatlichen Eichamt und kontrollierten die Waagen der Metzgerei. Gefragt, ob sie das im Sinne der Verbraucher täten, meinten sie, eine korrekte Waage würde sowohl für die Kunden als auch für die Verkäufer wichtig sein. Schließlich wollten die Kunden nicht weniger Wurst als sie bezahlten und der Metzger wollte nicht mehr verkaufen, als er bezahlt bekäme.

Als ich den Laden verließ, dachte ich, ja, so ein Eichamt, das brauchen wir auch für unser Leben. Da kann es doch auch bei uns passieren, dass die Waagen falsch eingestellt sind. Manche Sorgen wiegen schwerer, als sie eigentlich sollten, manche positiven Erfahrungen haben für uns viel zu wenig Gewicht. Irgendetwas ist aus dem Gleichgewicht geraten. Ist Gott nicht wie ein Mann vom Eichamt? Stellt er uns nicht immer wieder neu ein, damit die Gewichte in unserem Leben neu verteilt werden? Und tut er das nicht, damit unser Leben gelingen kann und wir seinem Willen viel mehr entsprechen können?

Heute werden wir vorläufig unsere Predigtreihe zu König David aus dem Alten Testament abschließen. Gemeinsam haben wir einige Stationen seines Lebens betrachtet. Dabei haben wir David aus zwei unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen. Einmal sahen wir ihn von unten, als Mensch wie du und ich. Als einer, der nicht immer im Lot war, der von Gottes Wegen abgewichen ist. Wir sahen auch, dass Gott David auf diesen Irrwegen nicht allein gelassen hatte. Von oben, aus Gottes Perspektive betrachtet, war er gesegnet, durfte er immer wieder Vergebung empfangen und einen neuen Anfang machen. Auch die Episode aus Davids Leben, die wir heute betrachten, zeigt etwas von den unterschiedlichen Perspektiven und Gottes Willen, Davids Leben neu zu eichen. Damit wird David erneut zu einem Anstoß für uns, über unseren Alltag nachzudenken und den Blick auf Gott zu richten.

Was von David berichtet ist, steht in einem Nachtrag zu seinem Leben, nach den Abschieds- und Dankworten Davids. Diese Begebenheit ist wie ein Gelenk zwischen der Davidsgeschichte und der seines Nachfolgers Salomo. Sie weist zurück auf David und voraus auf das, was Gott mit dem neuen König im Sinn hat zu tun. So können wir noch einmal David zu uns sprechen lassen und damit einen Ausblick wagen, wie Gottes Geschichte mit seinem Volk und damit auch mit uns weitergeht.

Ego
2.Samuel 24,1-4
Noch einmal ließ der HERR die Israeliten seinen Zorn spüren. Er reizte David auf, etwas zu tun, was dem Volk schaden musste. Er sagte zu ihm: "Zähle die Männer von Israel und Juda!" Da befahl der König seinem Heerführer Joab, der gerade bei ihm war: "Geh durch alle Stämme Israels von Dan bis Beerscheba und lass die wehrfähigen Männer zählen. Ich will wissen, wie viele es sind." Joab erwiderte: "Mein Herr und König! Ich wünsche von Herzen, dass der HERR, dein Gott, das Heer Israels noch hundertmal so zahlreich macht, wie es schon ist. Möge er dich das noch erleben lassen! Aber warum willst du so etwas tun?" Doch der König ließ sich durch Joab und die obersten Truppenführer nicht von seinem Plan abbringen. So machten sie sich an die befohlene Musterung.

Gottes Zorn und Davids Verfehlung

Schon der erste Satz dieser Erzählung lässt stolpern. Gott ist noch einmal zornig? So ohne Zusammenhang lässt sich dieser Zorn Gottes kaum begreifen. Ist Gott wahllos freundlich oder zornig? Ich möchte mich darauf besinnen, was die Bibel als die ureigenste Eigenschaft Gottes beschreibt. Sie nennt Gottes Liebe als das Zentrum von Gottes Wesen. Gottes Liebe zeigt sich darin, dass er uns Menschen ins Leben ruft, dass er unser Leben begleitet, uns voran gehen will, unserem Leben ein Ziel gibt und es in Ewigkeit vollenden will. Gottes Liebe motiviert sein Werben um uns, seine Sehnsucht nach uns. Aber die Kehrseite dieser Liebe ist Zorn. Wo sich Menschen dieser Liebe verweigern, wo sie sich gegenüber Gott verschließen, wo sie ihn ins zweite oder letzte Glied rücken, da reagiert Gott zornig. So ist der Zorn Gottes hier auch durch verweigerte Liebe hervorgerufen. Genug Anlass dazu gab es. Immer wieder wird von der Eigenmächtigkeit Davids berichtet, die Aufstandsbewegungen nach sich zog und für Bürgerkriege und Familientragödien sorgte. David, der Mann Gottes, verfolgte eigene Pläne und stieß Gott dadurch weg.

Wir werden hier wachgerüttelt. Gott ist nicht nur der liebe Gott, den sich viele als Greis vorstellen. Gott ist nicht der Weihnachtsmann, der schlecht hört und fast nicht mehr sieht, der blind ist für unsere Fehler und uns alles langmütig nachsieht. Gott ringt um uns, unsere positive Antwort auf sein Rufen. Und es ist ihm nicht egal, wenn wir Fehler machen. Gott lässt David nicht einfach seinen falschen Weg weiterlaufen. Er lässt ihn zu einer Weggabelung kommen. Hier wird sich Davids Verhältnis zu Gott entscheiden. Wählt er den einen Weg, bekennt er sich zu Gott. Wählt er den anderen Weg, bestätigt er seine Abkehr von Gott. 

An dieser Weggabelung sagt Gott ihm: "Zähle die Männer von Israel und Juda!" Der Auftrag ist Prüfung. Wird David die Prüfungsaufgabe erkennen? Wird David merken, dass Gott ihn testen will, auf welche Stärke er baut? Doch offensichtlich hält David an der Weggabelung nicht inne. Übergangslos wird berichtet, dass er der Einflüsterung nur zu gerne folgt. Sein Hauptmann Joab, der in der Vergangenheit gerne eigene Pläne verfolgt hat, spürt merkwürdigerweise die Entscheidungssituation. Er will David bewegen, von seinem Vorhaben abzurücken. Die anderen Hauptleute unterstützen Joab. Auch sie sehen ein Gewitter herannahen, wenn David wirklich alle wehrpflichtigen Männer im Land zählen lässt. Doch David schlägt alle Warnungen in den Wind. Er hört nicht auf seine engsten Berater und er fragt schon gar nicht nach Gottes Willen. Schauen wir auf diese Entscheidung, fassen wir uns an den Kopf. Wie konnte David nur so blind sein? Er ist aus voller Überzeugung in die falsche Richtung gelaufen, hat Gott mit Füßen getreten und seinem Zorn nur neue Nahrung gegeben.

Aber sind wir hier nicht selbst an einem wunden Punkt getroffen? Jesus sagt in der Bergpredigt (Matthäus 6,33): "Sorgt euch zuerst darum, dass ihr euch Gottes Herrschaft unterstellt und tut, was er verlangt, dann wird er euch schon mit all dem anderen versorgen." Und selbst wenn wir überzeugte Christen sind und jeden Tag mit Bibellesen und Gebet beginnen, fällt es doch enorm schwer, dieser einfachen Aufforderung Jesu zu folgen. Denn wem oder was wird morgen wieder unsere Hauptsorge gelten? Dass wir unsere Alltagsgeschäfte erledigen, niemand auf die Füße treten, anerkannt werden, Geld verdienen - oder dass wir Gott gehorchen und versuchen, seinem Willen Raum zu geben? Wie sind die Prioritäten verteilt? Schauen wir auf unsere Stärke und Sicherheit oder auf Gottes Möglichkeiten, die unsere eigenen übersteigen und verändern? Wovor haben wir am meisten Angst? Dass uns jemand ans Leder will oder dass wir Gott enttäuschen? Wenn ich mich selbst anschaue, stelle ich fest, ich bin nicht besser als David. Ich kann meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, an der Weggabelung die Weiche richtig zu stellen und auf Gottes Stärke zu setzen. Es tut mir gut, selbst Sicherungen in der Hand zu haben, ein Geldpolster, eine Wohnung mit abschließbarer Wohnungstür, eine glückliche Familie, eine gesicherte Altersversorgung. Ich verlasse mich auf diese Pluspunkte so sehr, dass ich eigentlich Gottes Stärke gar nicht mehr brauche oder gerade noch so als zusätzliches Ruhekissen. Und erst, wenn die eigenen Sicherheiten bröckeln, wird mir bewusst, wie doch nur Gottes Stärke zählt. Was haben Leute, die mit Anthrax in Berührung kommen, von den Pluspunkten ihres Lebens? Wird ihnen die Altersversorgung helfen? Wohl kaum. Wie gut, wenn sie Jesus kennen und auf ihn ihr Leben gebaut haben, die Weichen zu ihm hin gestellt haben.

Weil wir so sind wie David und oft auf die falschen Stärken bauen, ist dieser Nachtrag für uns so wichtig. Jetzt werden wir wieder daran erinnert, wer uns alles geschenkt hat und wie unser Leben richtig geeicht werden kann.

Gottvergessenheit und Konsequenzen

2.Samuel 24,10-14

Aber nun schlug David das Gewissen, weil er die Männer Israels gezählt hatte. Er betete: "HERR, ich habe ein großes Unrecht begangen. Vergib mir doch meine Schuld! Ich habe sehr unbesonnen gehandelt." Als David am nächsten Morgen aufstand, kam der Prophet Gad, der Seher Davids, zu ihm. Das Wort des HERRN war nämlich an ihn ergangen, und der HERR hatte zum ihm gesagt: "Geh zu David und richte ihm aus: 'So spricht der HERR: Ich lasse dir die Wahl zwischen drei Übeln. Wähle, was ich dir antun soll!'" Der Prophet kam also zum König, überbrachte ihm die Botschaft und fragte: "Was willst du: dass eine siebenjährige Hungersnot über dein Land kommt, oder dass du für drei Monate vor deinen Feinden fliehen musst, oder dass drei Tage lang die Pest in deinem Land wütet? Überleg es dir gut und sag mir, was für eine Antwort ich dem HERRN bringen soll, der mich geschickt hat!" David sagte zu Gad: "Ich stehe vor einer schrecklichen Wahl! Aber wenn es denn sein muss, dann lieber in die Hand des HERRN fallen, denn er ist voll Erbarmen. In die Hand von Menschen will ich nicht fallen!"

Davids Gewissen schlägt. Er erkennt, dass er zu weit gegangen ist, weil er Gott aus seinem Konzept rausgeschmissen hat. Er bittet um Vergebung. Nicht berichtet wird, was Auslöser für Davids Schulderkenntnis war. Nachts kam er zur Einsicht. Nachts, in der Stille konnte Gott mit ihm reden und ihm klar machen, worum es eigentlich ging. Nachts ist die Zeit, in der Gott noch heute mit uns spricht. Es sind oft die schlaflosen Stunden, in denen uns unser Verhalten wie in einem Spiegel gezeigt wird und in denen wir erkennen, dass es so nicht weitergeht. Gott selbst musste zu David sprechen und er tut es auch heute. Die Freunde Davids hatten sich schon den Mund fusselig geredet, David hatte nicht zugehört. Jetzt war Gott selbst dran. Und unsere Freunde und Seelsorger reden sich vielleicht auch den Mund fusselig an der einen oder anderen Stelle, wir hören sie nicht. Bis Gott dann selbst zu uns spricht in einer stillen Stunde und wir merken, jetzt können wir ihm nicht mehr ausweichen. Jetzt ist es Zeit, die Waage wieder neu eichen zu lassen, wenn nicht alles aus dem Gleichgewicht kommen soll.

David bat um Vergebung, aber er konnte seine Selbstherrlichkeit nicht ungeschehen machen. Wie viel lieber würde ich hier lesen, dass Gott seine Bitte erhörte und alles wieder war wie früher. Doch das wäre ein Märchen und hätte keinen Anklang an der Wirklichkeit. So etwa wie wenn einer mit Alkohol am Steuer jemand totfährt, seine Tat bereut und der Tote dann wieder aufsteht und lebt. Die Zählung der Soldaten hatte für David empfindliche Folgen. Ein Gottesbote ließ ihn zwischen drei Konsequenzen wählen, die sich nur in einem Punkt unterschieden. Zwei waren von Gottes Hand gelenkt, eines von Menschen herbeigeführt. David entschied sich für Gottes Hand. Er erinnerte sich an Gottes ureigenstes Wesen, seine Liebe, und vertraute darauf, dass diese Liebe sich auch im Übel durchsetzte. Davids Bitte um Vergebung hatte sein Verhältnis zu Gott wieder ins Lot gebracht. Das war die Voraussetzung, um die Konsequenz zu ertragen und sie zu meistern. 

Der Schluss dieser Katastrophe, die nun über Israel hereinbrach, lässt sich kurz zusammenfassen: Als aber der Todesengel auch in Jerusalem sein grausiges Werk verrichten wollte, tat es dem HERRN Leid, und er sagte zu dem Engel, der sich unter dem Volk seine Opfer suchte: "Halt, es ist genug!" Der Engel des HERRN stand gerade auf dem Dreschplatz des Jebusiters Arauna (2 Samuel 24,16). David hatte die richtige Entscheidung getroffen. Gottes Hand ist voll Erbarmen. Und das gibt uns Hoffnung. Die Konsequenzen unserer Schuld lassen sich nicht überspringen oder ausradieren. Verletzungen, Trennungen, verbockte Möglichkeiten können wir nicht ungeschehen machen. Aber Gottes Erbarmen siegt. Er lässt uns nicht daran zu Grunde gehen. Er nutzt diese Zeiten, um uns zu eichen und unser Vertrauen zu ihm fest werden zu lassen.

Weiter wird berichtet, dass David an der Stelle, an der Gott Einhalt gebot, ein Opfer darbringt. Es ist Zeichen der Reinigung und Versöhnung. Dieser Platz soll Bedeutung für Zeit und Ewigkeit bekommen und lässt uns in die Zukunft vorausschauen. Der Opferplatz ist der Ort, an dem Davids Nachfolger Salomo den Tempel gebaut hat. Der Tempel war Wohnort Gottes auf Erden. Hier war sein Erbarmen, seine Liebe, seine Sehnsucht nach uns Menschen greifbar. Doch trotz Tempel gingen die Menschen weiter ihre eigenen Wege, hielten den Prüfungen an den Weggabelungen nicht stand und stellten die Weichen falsch. 

Kreuz als Brücke
So sandte Gott seinen Sohn Jesus. Jesus will bis heute unser Herz erreichen, uns zur Umkehr bewegen. Er ist die Brücke, die Gott selbst gebaut hat. Er hat uns mit Gott versöhnt, kein anderes Opfer ist mehr nötig. Und wenn wir unter den Konsequenzen unserer eigenen Wege leiden, wenn Hunger, Feinde, Pest uns drücken, dann dürfen wir wissen, wir tragen diese Last nicht allein. Jesus trägt mit und mit ihm wird uns die Last leicht.

Davids Leben verbindet sich mit unserem Leben,

  • Wo wir Gott aus unserem Planen und Handeln ausschließen;
  • Wo wir auf Gottes Stimme hören: Halt! Zurück zum Herrn unseres Lebens!
  • Wo wir erfahren, er lässt uns nicht los;
  • Wo wir erleben, wir sind Gesegnete des Herrn, auch als schuldig Gewordene
  • Wo wir heute Jesus Christus kennen lernen dürfen, der Gottes Liebe ist und sich mit uns verbinden will.
Cornelia Trick


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