Im Leid getröstet
Gottesdienst am 14.03.2010

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
in der Mitte der Passionszeit werden wir an das Leiden Christi erinnert. Heute feiern wir den Sonntag Laetare, der seinen Namen von Psalm 66 bekommen hat „Freut euch mit Jerusalem!“ In der Mitte der Leidenszeit weht uns mit der Erinnerung an die Freude des Volkes Gottes ein Hauch des Osterfestes entgegen. Die Gemeinde Jesu gehört durch Jesus Christus zum Volk Gottes. Sie darf sich freuen, denn sie weiß, dass Jesus über den Tod gesiegt hat. 

Uns führt dieser Sonntag zu der Frage, was das Leiden Jesu für uns bedeutet. Wir werden konfrontiert mit eigenem Leid und der Sehnsucht, Hilfe im Leid zu bekommen.

Besonders Paulus thematisierte das Leiden Jesu und das Mitleiden mit ihm wiederholt in seinen Briefen. Gerade im 2. Korintherbrief schaute er auf eine tränenreiche Zeit zurück. Schwerwiegende Auseinandersetzungen führten fast zum Zerwürfnis mit der Gemeinde. Man hatte ihn und seine Autorität massiv infrage gestellt, da sein Auftreten nicht dem eines Apostels zu entsprechen schien. Doch der Konflikt wurde beigelegt, die verfeindeten Seiten versöhnten sich, ein Neuanfang war nun wieder möglich. Paulus ordnete diesen Streit in seine eigene Biographie ein. Er sah das Geschehen in einer Linie mit anderen Leiderfahrungen, die er als Christ gemacht hatte. Das Leid um Jesu willen bildete fast so etwas wie einen roten Faden in seinem Leben.

2. Korinther 1,3-7

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist ein Vater, dessen Erbarmen unerschöpflich ist, und ein Gott, der uns nie verzweifeln lässt. Auch wenn ich viel durchstehen muss, gibt er mir immer wieder Mut. Darum kann ich auch anderen Mut machen, die ähnliches durchstehen müssen. Ich kann sie trösten und ermutigen, so wie Gott mich selbst getröstet und ermutigt hat. Ich leide mit Christus und in seinem Dienst in reichem Maß. Aber ebenso reich sind der Trost und die Ermutigung, die mir durch ihn geschenkt werden. Wenn ich leide, so geschieht es, damit ihr Mut bekommt und zur Rettung gelangt. Und wenn ich getröstet werde, so geschieht es, damit ihr den Mut bekommt, die gleichen Leiden wie ich geduldig zu ertragen. Ich bin voller Zuversicht, wenn ich an euch denke; denn ich weiß: Wie ihr meine Leiden teilt, so habt ihr auch teil an dem Trost und der Ermutigung, die mir geschenkt werden.

Die erste Aussage ist schon bemerkenswert. Gott hat geholfen, und das ist zu loben. Paulus hat Gott als den kennen gelernt, der sich zu ihm in die Tiefe seines Lebens herabgebeugt hat. Weil Jesus alles Leid aus eigener Erfahrung kennt, ist Gott der Chef des Trostes. Als Chef in Sachen Trost weiß er, wie er vor dem Verzweifeln bewahren kann. Paulus macht hier eine sehr persönliche Glaubensaussage. Er war in tiefer Not. Genau da am Tiefpunkt seines Lebens ist Jesus bei ihm gewesen, hat ihm geholfen und einen Ausweg aufgezeigt. Paulus hat hier sicher nicht nur den Gemeindekonflikt mit den Korinthern im Blick, sondern schaut im weiteren Verlauf des uns so überlieferten Briefes auf eine ganze Latte an Bedrängnissen zurück: äußere Angriffe aufgrund seines Glaubens und seiner Missionstätigkeit, Unglücksfälle wie Schiffbrüche, innere Not wegen der Sorge um die Gemeinden. Paulus war zwar eine ganz besondere Person im Reich Gottes, der Pioniermissionar und Lehrer der ersten Stunden, aber doch wird an seinem Leben etwas auch für uns Wichtiges sichtbar.

Wer Jesus nachfolgt, wird leidvolle Situationen auch heute und hier erleben. Jesus das Ja-Wort zu geben, bedeutet nicht, ohne Komplikationen auf dem Weg in den Himmel voranzukommen. Leiden zeigt sich in vielfältiger Gestalt. 

  • Man wird nicht verstanden von den Menschen, die einem am Herzen liegen. Sie können die eigene Priorität für den Glauben an Jesus Christus nicht nachvollziehen.
  • Wir laden Menschen zum Glauben ein und mühen uns so oft vergeblich. Der Funke springt nicht über.
  • Wir leiden an unseren eigenen Grenzen. Wir wollen doch mehr für Gott da sein, und doch schaffen wir es nicht.
  • Wir leiden unter der gefallenen Schöpfung. Krankheit und Tod brechen gewaltsam in unser Leben ein.
  • Die Auswirkungen der Trennung von Gott greifen auch nach uns, seelische Verletzungen, Streit, Trennung, Mobbing bis hin zu Missbrach zerstören uns.
Paulus stellt fest, dass das Leiden ihn in ganz große Nähe zu Jesus Christus kommen lässt, so schreibt er in 2. Korinther 4,10: „Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib.“ Und er gibt diesem Sterben mit Jesus einen Sinn „das geschieht, dass das Auferstehungsleben Jesu an mir sichtbar wird.“

Leiden schließt mit Jesus zusammen. Wenn wir unsere Ohnmacht, Hilfsbedürftigkeit, Unfähigkeit spüren, erfahren wir Jesu Leiden im ganz kleinen persönlichen Bereich. Leiden macht durstig nach Hilfe, es öffnet die Augen für die eigene Situation, bedürftig zu sein nach Gottes Erbarmen. Leiden bereitet uns vor, Gottes Antwort anzunehmen und ihm ganz zu vertrauen.

Wir können diese Passionszeit bewusst erleben, indem wir uns mit Jesus zusammenschweißen lassen. Wir bringen ihm unser Leid und fühlen uns von ihm verstanden. Wir haben Durst nach Gottes Hilfe und sehnen und nach ihm. 

Jesus bat seine Jünger, im Garten Getsmane sein Todesringen im Gebet zu begleiten. Die Jünger schliefen ein. Jesus bittet uns auch heute, ihn in seinem Leiden an uns Menschen im Gebet zu begleiten. Wir wollen es doch anders machen als die Jünger damals.

Der Trost im Leiden

Gott ist der Chef des Trostes, was bedeutet, dass er die leidvollen Zustände nicht sofort aufhebt. Wir wünschen uns ja eher, dass Gott mit einer kurzen Handbewegung das Leid abstellt, die Toten wieder aufstehen lässt, die Kündigung ungeschehen macht. Aber so läuft es ja meistens nicht. Gott ist nicht der Wunscherfüller für ein sorgenfreies Leben. Er ist der Chef des Trostes. TrostEr will uns trösten. Doch was bedeutet trösten in diesem Zusammenhang? Ist es ein mitleidiges Streicheln über den Kopf oder steckt noch etwas ganz anderes dahinter?

Trost hat in diesem Zusammenhang und von der Wortwahl im Urtext her drei Bedeutungen:

  • Herbeirufen,
  • ermahnen und
  • ermutigen.
Sind wir in Leid, bekommen wir Durst nach Hilfe. Es ist der Moment, wo wir Gott um Hilfe rufen. Und nicht nur wir Christen, sondern fast alle Menschen, die sich eine tiefe Sehnsucht nach einem Wesen, das größer ist als sie selbst und ihrem Leben Sinn gibt, bewahrt haben. Oft macht erst eine leidvolle Erfahrung bereit dazu, Gott ins Leben zu holen. Es ist noch nicht die Lösung des Problems, aber es ist ein Anfang, Gott ins Kompetenzteam zu holen, um die Situation zu bestehen.

Der Herbeigerufene ermahnt, so das Wortfeld des Tröstens. Doch wer will im Leid schon ermahnt werden. Ja, es wirkt wie ein zusätzlicher Schwerthieb, wenn uns jemand da noch die Leviten verliest. Da Gott der beste Seelsorger ist, den wir uns vorstellen können, wird er uns in Zeiten tiefster Dunkelheit auch nicht in noch schwärzere Löcher stopfen. Er ist ja der gute Hirte, der durchs finstere Tal leitet. Ich entdecke im Ermahnen Gottes etwas anderes. Er rückt meine Optik zurecht. Mir wird ein anderer Blick auf das Leid gezeigt, meine eigene Rolle bewusst gemacht, mein eigener Anteil am Leid aufgezeigt. Vielleicht erlebte Paulus den Trost Gottes, als ihm bewusst wurde, welchen Anteil er am Streit mit den Korinthern hatte. Dass er nicht nur das wehrlose Opfer war, dass auch er Öl ins Feuer gegossen hatte. So ist mir nicht nur einmal in Gottes Gegenwart aufgegangen, wo ich ihn um Vergebung zu bitten habe, wo ich mich verändern kann und muss und wo Gott mich eigentlich haben will. Ermahnung, so höre ich es, eröffnet mir Umkehr und Neubesinnung, dass ich für die Bergwanderung aus dem Tal des Leids bereit werde.

Der Herbeigerufene hat die Perspektive geschärft und ermutigt nun zum Neuanfang. Paulus berichtet darüber im 2. Korintherbrief. Er will wieder mit der Gemeinde zusammen sein. Seine neue Hoffnung wird ihm durch Jesu Auferstehung geschenkt. Das Osterlicht leuchtet den Weg nach vorn aus. Im Leiden mit Jesus zusammengeschweißt, von seinem neuen Leben herausgelockt, auferstanden in die Freude Gottes.

Das Leiden gewinnt einen neuen Stellenwert. Es ist doch eigentlich längst überwunden, angezählt, denn der Auferstandene mit seiner ganzen Kraft wirkt darin schon. Als Beispiel: Wen stören die Schneeflocken Mitte März noch? Die Märzsonne wird sie alle zum Schmelzen bringen, ehe sie sich festsetzen können. Über den Schnee dieser Tage können wir doch eigentlich nur lachen, auch wenn er uns nervt und wir noch ein paar Tage länger die Winterstiefel tragen müssen. 

Gott ist Chef des Trostes, deshalb schickt er seinen Tröster, seinen Heiligen Geist. Wo immer wir Gott um Hilfe rufen, seinen Perspektivwechsel erfahren, seine Ermutigung im Herzen empfangen, wirkt Gottes Geist an uns. Er führt uns alle Wahrheit, erklärt Jesus, verbindet uns mit ihm und gibt Kraft für die Leidenszeit.

In der Gemeinde sind wir als Leidensgemeinschaft zusammen, als Leib Christi, der Jesu Leiden spürt. Aber wir sind auch Trostgemeinschaft, einander zur Seite gestellt als Herbeirufer, als Ermahnende im Sinne des Perspektivwechsels und als Ermutigende. Wir sind nur die Kinder des Chefs, können nur weitergeben, was wir von ihm bekommen haben. Aber das können wir dann auch weitergeben. In der ganz intensiven Wegbegleitung, wo eine mit einer anderen unterwegs ist wie die Emmausjünger, in unseren Hauskreisen und Freundeskreisen können wir Leid teilen und Trost austeilen. Denn wir wollen doch nicht die Jünger im Garten Getsemane sein, die geschlafen haben, als Jesus sein Leid mit ihnen teilen wollte und die am Ostermorgen die Tröstung des Auferstandenen verschlafen haben.

Psalm 42,2-3+6

Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. 
Cornelia Trick


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