Grund zum Jubeln
Gottesdienst am 02.05.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
am Sonntag, der den Namen "Jubilate" trägt, haben wir allen Grund zum Jubeln. Jesus ist auferstanden und diese Realität bestimmt unser Leben. Sorgen, Probleme, unerledigte Themen schleppen wir mit uns herum. Doch Jesus ist auferstanden, auch gerade mitten in den Abgründen unseres Alltags. Er stößt eine verschlossene Tür auf und lässt das Licht der Hoffnung und Zuversicht auf die Situationen fallen, die uns zu schaffen machen. Das Schwere und Leidvolle verschwindet nicht sofort, aber es ist eingetaucht in das Licht, das von Ostern in unsere Welt fällt. Gott sorgt sich um uns. Er rettet uns, er gibt uns Zukunft über den Tod hinaus. Weil er das Beste für uns im Blick hat, wird er sich auch unserer Sorgen annehmen. Mit dem Verstand ist das Christen klar, aber kommen wir mit dem Herzen nach? 

Durchdringt uns die Freude über den Auferstandenen bis in die letzten Winkel unserer Seele? Deshalb werden wir heute aufgefordert: Jubelt! Denn von selbst werden wir von den bedrängenden Themen nicht losgerissen. Wir müssen es wollen, dass das Licht von Ostern auch in unsere Seele dringt und sich dort etwas verändert. Der Aufruf zum Jubel ist eine neue Chance, den Blick auf Jesus zu richten und frei zu werden für sein Wirken.

Es lohnt sich, das Leben in der Osterfreude genauer zu betrachten. Denn eine fortwährende Lobpreisveranstaltung ist es nicht. Leben mit der Freude über Ostern nimmt sich durchaus des Alltags und seiner Herausforderungen an. Hilfe für den Alltag gibt uns ein Abschnitt aus dem 1 Johannesbrief.

1.Johannes 5,1-5

Wer glaubt, dass Jesus der versprochene Retter ist, hat Gott zum Vater. Und wer den Vater liebt, der ihn gezeugt hat, wird auch alle anderen lieben, die vom selben Vater stammen.
Doch ob wir die Kinder Gottes auch wirklich lieben, das erkennen wir daran, dass wir Gott lieben, und das heißt: seine Gebote befolgen. Die Liebe zu Gott ist nur echt, wenn wir nach seinen Geboten leben. Und seine Gebote sind nicht schwer zu befolgen; denn alle, die Gott zum Vater haben, siegen über die Welt.
Der Sieg über die Welt ist schon errungen - unser Glaube ist dieser Sieg! Denn wer kann die Welt besiegen? Nur wer im Glauben daran festhält, dass Jesus der Sohn Gottes ist! 

1 Gottes Kind

Gott hat die Initiative ergriffen. Er hat uns mit Jesus zugesagt, dass wir seine Kinder sein dürfen. Seine Liebe zu uns ist Grundlage unseres Lebens. Er hat uns ins Leben gerufen und uns damit einen Platz in der Welt gegeben. Weil Jesus als sein Sohn den Weg für uns frei gemacht hat, können wir Gott als unseren Vater erkennen und anerkennen.

Wichtig ist, dass Gott zuerst uns als seine Kinder berufen hat. Nicht wir suchen uns Gott auf einem Markt der Möglichkeiten aus, auf dem mehrere Gottheiten zur Auswahl stehen und wir entscheiden können, welcher zu unseren Bedürfnissen am besten passt. Die Wahl hat Gott getroffen, wir können ihr zustimmen oder ablehnen.

Bei dieser Entscheidung mag es uns gehen, wie einem Bekannten von mir. Er ist bei seiner Mutter aufgewachsen, ohne seinen Vater. Die Mutter verweigerte dem Vater jeden Kontakt zu dem Kind seit Geburt an. Doch der Vater schrieb seinem Sohn regelmäßig an die Adresse des Jugendamtes. Dort wurden seine Briefe in einer Akte gesammelt, die dem Sohn mit der Volljährigkeit zur Einsicht gegeben wurde. Der Bekannte sah mit 18 Jahren die Akte ein und war überwältigt, die Briefe seines Vaters über 18 Jahre hinweg zu lesen. Es lag nun ganz allein an ihm, ob er den Kontakt zum Vater aufnehmen wollte oder nicht. Er entschied sich dafür und lernte seinen Vater kennen. Die Beziehung veränderte sein Leben, er hatte nicht länger Phantasien, wie sein Vater ihn verlassen hatte, sondern erfuhr seine Liebe und seine Fürsorge, die ihm neues Selbstwertgefühl gaben. 

Mit Ostern bekommen wir Einblick in unsere Akte, in der festgehalten ist, dass Gott uns liebt und zu uns steht. Wir können den Kontakt ruhen lassen und weiter unseren Phantasien über einen irrelevanten Gott nachhängen. Wir können aber auch den Kontakt aufnehmen und Gott Vater sein lassen. Das führt zu einer grundlegenden Veränderung. 

In den Berichten von der ersten Gemeinde wird diese Veränderung deutlich sichtbar. Aus einer Menge von Leuten, die aus unterschiedlichen Lebenskontexten zusammenkamen, wurde eine Gemeinde, die sich durch vier Stichworte auszeichnete.

  • Sie pflegte ihre Beziehung zu Gott,
  • hatte intensiven Kontakt untereinander bis hin zur finanzieller Unterstützung der Ärmeren,
  • sie feierte Abendmahl als Zeichen der Versöhnung mit Gott und untereinander und
  • sie hörte auf Gott und redete mit ihm im Gebet.
Diese Veränderung der einzelnen zu einer Gemeinschaft geschah erst, nachdem ein Ja gesprochen wurde zu Gott, dem Vater. Ohne dieses Ja wäre es beim "Briefe Lesen" geblieben, beim Betrachten Gottes auf Abstand, ohne persönlich beteiligt zu sein. 

2 Gottes Kind liebt Vater und Geschwister

Die Antwort auf Gottes Liebe zu uns richtet sich zuerst an Gott selbst. Weil er liebt, können wir ihn auch lieben. Das geschieht, wenn wir mit ihm in Kontakt treten, im Gottesdienst, beim Gebet, beim Lesen der Bibel oder eines christlichen Buches, im Alltag, wenn wir uns seiner Gegenwart bewusst werden. Sicher ist diese Liebe zu Gott auch sehr gegenwärtig im Singen. Lobpreislieder haben genau diese Zielrichtung, unsere Liebe zu Gott zum Ausdruck zu bringen und Gott damit zu danken.

Wir haben unterschiedliche Zugangswege ( siehe Predigt "Heilige Pfade") zu Gott. Die gilt es einzuüben und zu pflegen. Doch wie schwierig das ist, erlebe ich zurzeit mit meiner Posaune. Seit über zwanzig Jahren kann ich sie spielen, seit 17 Jahren übe ich praktisch nicht mehr. Nun hat mich nach einer Bläserwoche das Spielen neu gepackt und ich sehne mich danach, besser spielen zu können. Üben wäre angesagt. Das ist in meinem Fall sogar sehr einfach, ich kann mir das Instrument neben den Schreibtisch legen und in jeder Denkpause ein bisschen spielen. Aber Sie glauben nicht, wie schwer mir das fällt. Es ist mir nämlich peinlich, dass mir jemand zuhört. Ich finde es fast nicht zu entschuldigen, zur besten Arbeitszeit Posaune zu üben. Die Pause scheint mir nicht lang genug, um überhaupt sinnvoll etwas einüben zu können, das Telefon klingelt gerade ...., die Liste lässt sich fortsetzen.

Und mir kommt der Verdacht, dass das kein Posaunen-spezifisches Problem ist. Haben wir uns erst mal das Üben abgewöhnt, fällt uns der Anschluss schwer. Haben wir uns abgewöhnt, unsere "heiligen Pfade" zu betreten, gibt es 100 Gründe, sie auch weiterhin zu meiden. Was hilft? Beim Posaunespielen hilft mir die Gruppe, Bläsergruppemit der ich jetzt langsam wieder ins Üben komme. Könnte das auch für die Beziehung zu Gott gelten, dass uns die Gruppe hilft, unseren "heiligen Pfad" wieder neu zu entdecken? Auf einen Versuch sollten wir uns einlassen.

Johannes legt seinen Finger ganz besonders auf die Liebe zu den Kindern Gottes, die ebenfalls von ihm abstammen. Er setzt Gottes- und Nächstenliebe in eins. Nur wer Gottes Kinder liebt, kann wirklich Gott lieben. Dieses Thema war in der johannäischen Gemeinde sehr aktuell. Es gab eine Gruppe von besonders erleuchteten Christen, die meinten, mit denen nichts zu tun zu haben, die ihren Erkenntnisstand nicht teilten. Sie meinten, die besseren Christen zu sein. Dem tritt Johannes entgegen. Nur wer seine Geschwister liebt, zeigt Gottesliebe. Im Johannesevangelium sind Worte Jesu festgehalten, die dies unterstreichen: "Ich gebe euch jetzt ein neues Gebot: Ihr sollt einander lieben! Genauso wie ich euch geliebt habe, sollt ihr einander lieben!" (Johannes 13,34)

Gott hat offensichtlich keine Einzelkinder, die beziehungslos nebeneinander stehen. Die Kinder Gottes sind in eine Geschwisterschaft eingebunden. Unser Verständnis von Gemeinde hängt an dieser Tatsache. Sehen wir die hauptsächliche Beziehung nur zwischen Gott und uns als Individuen, wird Gemeinde zweitrangig und beliebig. Sie dient als Tankstelle, wo wir uns Kraftstoff für die Woche holen, Gruppe, in der wir mit Gleichgesinnten zusammen kommen. Gemeinde ist zwar wichtig, aber Christsein ohne Gemeinde wäre auch vorstellbar, vielleicht sogar reizvoll, keine Diskussionen, Auseinandersetzungen, Kränkungen, Kompromisse, keine Forderungen an uns und keine zusätzlichen Termine. Gemeindeleben geschieht nach den Gesetzen des Sandkastens auf einem Spielplatz. Jede und jeder hat seine Lieblingsecke und backt da allein oder zu zweit Sandkuchen, man ist mit den Lieblingsprojekten beschäftigt, Interaktion der Grüppchen findet nicht statt.

Doch mit dieser Vorstellung räumt Johannes auf. Gemeinde ist notwendig für unsere Beziehung zu Gott. Hier werden wir in die Verantwortung genommen, ob wir Gott wirklich lieben und uns für diese Liebe mit Konsequenz und ganzem Herzen einsetzen. Lieben wir die Geschwister, die mit uns in der Gemeinde unterwegs sind? Haben wir Interesse an der Frau, die zufällig am Sonntag neben uns in der Kirche sitzt? Hören wir ihr zu, wenn sie erzählt? Erwarten wir, dass sich hinter ihrer Fassade ein wunderbarer, einmaliger Mensch verbirgt, den Gott gewollt hat und den wir entdecken dürfen?

So aufeinander zuzugehen und einander wirklich kennen lernen zu wollen, ist ein bewusster Willensakt jenseits jeder Vorstellung von romantischer Liebe, die von Gefühlen beflügelt wird. Ich möchte diese Liebe zu meinen Geschwistern lernen bei den Mitarbeitenden in den Kindergruppen. Sie gehen so offen und bereit auf die Kinder zu. Sie erwarten, dass jedes Kind sie bereichert und etwas Unverwechselbares einbringt. Sie sind gespannt, wie sich die Kinder entwickeln, was aus den zarten Knospen wird und wie sie ihre Gaben entfalten. Sie schauen nicht auf das Äußere, die Kleidung, die Frisur, die Schulnoten. Sie lieben die Kinder, wie sie sind. Ich weiß, dass das nicht immer von selbst geschieht. Manche Kinder liegen einem nicht so wie andere. Aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzählen, wie sie auch darum beten, jede Woche neu Liebe zu den Kindern zu bekommen und den Draht zu ihnen zu spinnen.

Gehen wir in die Gemeindeveranstaltungen und beten vorher, dass Gott uns Liebe zu unseren Geschwistern schenkt? Haben wir in der Vorbereitung auf den Gottesdienst konkrete Menschen vor uns, für die wir uns eine liebevolle Geste überlegt haben, weil sie sie brauchen? Oder gehen wir nicht eher in die Gemeindeveranstaltungen mit der Erwartung, dass Gott an uns Liebevolles tut und sich die Leute um uns kümmern?

Ich hoffe, dass Johannes mit seinem Fingerzeig auf die Geschwisterliebe uns zeigt, wo es bei uns hakt, wo wir wieder neu die Freude zueinander erbitten müssen, um in seiner Liebe zu bleiben. Denn diese Geschwisterliebe hat Auswirkungen auf die, die ihre Akte bei Gott noch nicht eingesehen haben oder noch keinen Kontakt zu Gott aufgenommen haben. Geschwisterliebe ist ein wichtiger Punkt, um Menschen zu Jesus Christus einzuladen.

Von Mahatma Gandhi wird folgendes berichtet, das in diese Richtung weist. Der Hindu Mahatma Gandhi wurde von einer Gruppe christlicher Missionare aufgesucht. Sie wollten von ihm wissen, wie sie am effektivsten das Evangelium den Indern weitersagen könnten. Sie hofften von ihm Anregungen zu besonderen Methoden der Evangelisation zu bekommen. Gandhi jedoch gab ihnen eine ganz andere Antwort: "Denken Sie an das Geheimnis der Rose, sie tut gar nichts, aber sie duftet. Deshalb wird sie von allen geliebt. Duften Sie also, meine Herren!" Die Missionare, so schließt die Erzählung, gingen betreten weg, denn genau das fehlte ihnen, die Liebe, die ausstrahlte.

3 Mit Gott über die "Welt" siegen

Die Liebe, die Gott und uns zusammenhält, ist stärker als alle Angriffe, die uns tagtäglich treffen. Die johannäische Gemeinde, die starken Gegenwind aus der Umgebung erfuhr, hörte diese Verheißung. Die Kräfte, die sie von Gott wegreißen wollten, hatten keine Macht mehr über sie. Sie, die Leute aus der Gemeinde, gehörten schon längst in Gottes Einflussbereich.

Jesus ist von der Toten auferweckt worden, seine Geschwister werden nicht in den todbringenden Strukturen, dem Kampf, dem Leid dieser Welt stecken bleiben. Sie sind mit Jesus aus diesen Bindungen gelöst und schon jetzt Bürger des Reiches Gottes.

Aber dies will im Alltag gelebt werden, wenn die Tagesthemen uns bis zum Hals stehen. Angesichts einer Kündigung, einer Scheidung, eines Todesfalles scheint der Sieg Gottes doch in weite Ferne zu rücken. Doch gerade da bewährt sich die feste Liebesbeziehung zu Gott. Sie greift, wo wir am bedürftigsten sind. Sie zieht uns in die andere Welt, in der wir Liebe und Annahme erleben dürfen. Und die Hoffnung des Johannes ist bis heute auch unsere Hoffnung, dass Gottes Liebe erfahrbar wird in der annehmenden Zuwendung zueinander in der Gemeinde, die nach außen wirkt und viele dazu einlädt, ihre Akte bei Gott einzusehen.

Jubilate, lobt Gott, dass wir seine Kinder sein dürfen!

Cornelia Trick


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