Heilige Pfade
Gottesdienst am 31.08.2003

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
eine bewegte Zeit liegt hinter mir. Ein großes methodistisches Fest anlässlich des 300. Geburtstags von John Wesley bewegte Methodisten aus 23 Ländern, in Potsdam miteinander zu feiern und Gott zu preisen. Die Vorträge und Begegnungen waren von einer großen Liebe zu Jesus Christus durchdrungen und ließen mich diese Liebe sehr persönlich erleben.

Unser Familienurlaub in Irland war wie eine Fortsetzung dieser intensiven Potsdamer Tage. Wir lernten eine lebendige methodistische Gemeinde kennen und waren sofort aufgenommen in die Gemeinschaft, erfuhren Gottes Gegenwart in Predigten, im Singen und in Gesprächen und waren überwältigt von Gottes Wirken, das sich so nah und spürbar zeigt. 

Durch diese Erfahrungen durfte ich hören, aufnehmen, mich beschenken lassen und Kraft bekommen für die nächste Wegstrecke. Ich durfte auch hören in Bezug auf diese Gemeinde. Was mir immer deutlicher wurde: dass Gott uns mit dieser Gemeinde einen großen Schatz anvertraut hat. Wir haben hier einen Ort, wo wir uns treffen können, um Gott zu loben und ihn um Wegweisung zu bitten. Wir haben Menschen, die uns helfen, unser Christsein zu leben und auch die schwierigen Wegabschnitte zu bewältigen. Wir erleben hier Zeiten der besonderen Gottesbegegnung, in denen unser Alltag vor der Tür bleiben muss und uns nicht einholen kann.

So bin ich im Nachdenken über diesen Schatz auf einen Abschnitt aus dem Markusevangelium gestoßen. Ganz am Anfang des Evangeliums wird ein Tag Jesu beschrieben:

Markus 1,21-39

Sie gingen weiter und kamen miteinander nach Kafarnaum, und gleich am Sabbat ging Jesus in die Synagoge. Dort sprach er zu den Versammelten. Sie waren von seinen Worten tief beeindruckt; denn er lehrte wie einer, der Vollmacht von Gott hat - ganz anders als die Gesetzeslehrer.

In ihrer Synagoge war ein Mann, der von einem bösen Geist besessen war. Er schrie: "Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazaret? Du bist doch nur gekommen, um uns zu vernichten! Ich weiß genau, wer du bist: Du bist der, der an Gottes Heiligkeit teilhat!" Drohend sagte Jesus zu dem bösen Geist: "Schweig und fahr aus von diesem Menschen!" Da zerrte der Geist den Mann hin und her und fuhr aus mit lautem Geschrei. Die Leute erschraken alle und fragten einander: "Was hat das zu bedeuten? Er hat eine ganz neue Art zu lehren - wie einer, dem Gott Vollmacht gegeben hat! Er befiehlt sogar den bösen Geistern, und sie gehorchen ihm." Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde von Jesus ringsum in Galiläa.

Sie verließen die Synagoge und gingen in das Haus von Simon und Andreas. Auch Jakobus und Johannes kamen mit. Die Schwiegermutter Simons lag mit Fieber im Bett, und gleich, als sie ins Haus kamen, sagten sie es Jesus. Er ging zu ihr, nahm sie bei der Hand und richtete sie auf. Das Fieber verließ sie, und sie bereitete für alle das Essen. 

Am Abend, nach Sonnenuntergang, brachten die Leute alle Kranken und alle Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt hatte sich vor dem Haus versammelt. Jesus heilte viele Menschen von allen möglichen Krankheiten und trieb viele böse Geister aus. Er ließ die bösen Geister nicht zu Wort kommen; denn sie wussten genau, wer er war.

Am nächsten Morgen verließ Jesus lange vor Sonnenaufgang die Stadt und zog sich an eine abgelegene Stelle zurück. Dort betete er. Simon und seine Gefährten zogen ihm nach und fanden ihn. "Alle suchen dich", sagten sie. Jesus antwortete: "Wir wollen jetzt weitergehen, in die umliegenden Dörfer. Ich muss auch dort die Gute Nachricht verkünden, denn dazu bin ich gekommen."
So zog Jesus durch ganz Galiläa, verkündete in den Synagogen die Gute Nachricht und trieb die bösen Geister aus. 

Der Tag Jesu war vollgepackt wie der eines Arztes im Krankenhaus mit 36 Stunden- Diensten. Jesus predigte, heilte, setzte sich mit seinen Gegnern auseinander. In der Mittagspause heilte er die Gastgeberin, die eigentlich für eine Mahlzeit sorgen sollte. Danach ging es weiter mit Heilungen aller Art. Sicher sprach Jesus dabei auch mit den Patienten, erzählte ihnen von Gott und wies sie darauf hin, ihr Vertrauen ganz auf Gott zu setzen. In der Nacht nutzte er die ruhigen Stunden nicht etwa für einen langen Schlaf, sondern suchte einen stillen Ort auf, um sich der Gegenwart seines himmlischen Vaters wieder neu zu versichern. Diese Zeit zwischen Sonnenuntergang und –aufgang war die entscheidende Kraftquelle für seinen Alltag. Nachdem er neue Kraft geschöpft hatte, konnte er sich wieder neuen Aufgaben zuwenden und die nächsten Ortschaften besuchen.

Wo liegt unser Kraftzentrum, wenn wir unseren Alltag betrachten? Ist es diese Nähe zum himmlischen Vater? Machen Sie doch jetzt einen persönlichen Check.
Ich verbringe Zeit mit Gott
 täglich   wenn ich Zeit/Lust habe   sonntags

Ich bete und lese die Bibel täglich
 ja   nicht so oft   nein

Ich freue mich auf diese Zeit
 ja   nein

Mache ich aus Pflichtgefühl
 ja   nein

Habe oft ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht viel dabei erlebe
 ja   nein

Ich bin Gott näher, wenn ich
 singe
 mit anderen zusammen über Gott nachdenke
 in der Natur bin
 für andere und die Gemeinde etwas tue

Scheinbar ist es ja so einfach, Gottes Kraft in Anspruch zu nehmen. Wer greift nicht zu, wenn ihm Kraft angeboten wird? Wahrscheinlich stimmen Sie mir ja zu, dass Kraft für den Alltag wirklich wichtig ist. Und vielleicht sagen sie auch, dass viel Zeit mit Gott, regelmäßiges Bibellesen und christliche Gemeinschaft wirklich wichtig sind.

Aber so ganz ehrlich gehören Sie vielleicht auch zu denen, die sich eingestehen: 

  • Ich möchte zwar, aber immer, wenn ich eine Stunde Bibellesen will, werde ich ganz unruhig und habe nicht die Spur von heiligen Gefühlen.
  • Immer wenn ich mich hinsetze, um allein zu beten, verheddere ich mich in meinen eigenen Gedanken, schweife ab und erlebe nicht, dass Jesus neben mir sitzt.
  • Immer wenn ich Appelle von der Kanzel höre, mich mehr mit Gott zu beschäftigen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen, Schuldgefühle und würde am liebsten unter meinem Stuhl versinken.
In meiner Auszeit des Urlaubs wurde ich überwältigt von Gottes Gegenwart, seiner Liebe und seinem Sehnen nach uns Menschen. Überrascht entdeckte ich, dass es ganz unterschiedliche Pfade sind, auf denen Gott in mein Leben tritt, um mir neue Kraft zu schenken, und die ich benutze, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Diese Pfade möchte ich heilig nennen, weil sie ausschließlich für die persönliche Begegnung Gottes mit mir reserviert sind und die Ausgangsbasis sind, von der aus Alltag mit Gott gelingen kann.

Vielleicht geht es Ihnen wie mir in den letzten Wochen, dass Sie entdecken, welche Pfade Verschiedene Möglichkeitenbei Ihnen besonders breit sind, wie Sie Gottes Gegenwart besonders intensiv erleben können. Wenn Sie Ihre persönlichen heiligen Pfade kennen, brauchen Sie keine Schuldgefühle mehr zu haben, wenn Ihre Pfade sich von anderen unterscheiden. Und Sie werden Freude bekommen, die Pfade zu verbreitern und immer häufiger zu benutzen, um in Gottes Gegenwart hinein zu finden.

Vier solcher Pfade möchte ich heute beschreiben.

Der heilige Pfad der Stille

Diesen Pfad ging Jesus und zeigte ihn seinen Jüngern. Immer wieder zog er sich in die Stille zurück und bekam von seinem himmlischen Vater neue Kraft. Manche von uns kennen diesen heiligen Pfad und gehen ihn oft. Sie brauchen absolute Stille in der Zeit ihrer Gottesbegegnung. Sie folgen Jesus und suchen früh am Morgen einen stillen Platz auf, wo sie ungestört den Tag mit Gott beginnen können. Sie lieben es, Bücher zu lesen und neue Erkenntnisse über Gott zu sammeln. Sie haben dabei Aha-Momente, die sie fähig machen, ihr Leben nach Gottes Willen zu führen. Für diese Leute ist es schwer, die Zeit der Gottesbegegnung in Gemeinschaft zu verbringen. Schon die Familienandacht ist für sie kein Ersatz für ihren heiligen Pfad. Sie haben ein schlechtes Gewissen, dass sie nicht gerne an Gebetsgemeinschaften teilnehmen und am liebsten allein beten. Obwohl Jesus diesen Pfad ganz offensichtlich genutzt hat, ist er nicht die Norm. Schauen wir uns weitere Pfade an.

Der heilige Pfad der Gemeinschaft

Manche können die tiefgehenden Erfahrungen einer einsamen Morgenstunde überhaupt nicht nachvollziehen. Sie fühlen sich Gott besonders nahe, wenn sie in einer Gruppe von Leuten sind, die miteinander Gott loben, die Bibel lesen und auf ihr Leben anwenden. Sie erfahren Gott in der Gemeinschaft so intensiv, dass sie Mühe haben, nach einer solchen Zeit wieder in den Alltag allein zu finden. Von den ersten Christen in Jerusalem wird berichtet, dass sie beieinander blieben und den Heiligen Geist in ihrer gemeinsamen Zeit lebendig erlebten. Wenn Sie sich auf diesem heiligen Pfad wiederfinden, dann grämen Sie sich nicht, dass es in ihrer Stillen Zeit nicht so funkt. Bauen Sie den Pfad der Gemeinschaft aus, wie es die Urgemeinde tat. Besuchen Sie als Ihre Zeit mit Gott Veranstaltungen, in denen Gott gemeinsam gelobt wird und Erfahrungen ausgetauscht werden. Singen Sie mit anderen und spüren Sie die Liebe Gottes, die durch das Singen miteinander in Ihr Herz fällt. Warum kann nicht auch die Familie zu einer solchen Gemeinschaft werden, wo miteinander gesungen wird und Gott in den Mittelpunkt rückt? Vielleicht sind ja noch andere Familienmitglieder begeistert, auf dem heiligen Pfad der Gemeinschaft Erfahrungen zu sammeln.

Der heilige Pfad des Dienstes

Einige lieben es, mit viel Freude und Engagement zu helfen. Ich lernte bei einem Gemeindeseminar einen Herrn kennen, der sogar zu mitternächtlicher Stunde vor dem Sonntag aufgestanden ist, um den verspätet fertig gewordenen Gemeindebrief zu falten. Er beschwerte sich, dass er viel zu wenig gebraucht würde und seine Gaben verkümmerten. Vielleicht sind Sie auch ein solcher Christ. Sie helfen gerne, sie fühlen sich Gott nahe, wenn Sie etwas für andere tun können. Mag sein, Sie haben ein schlechtes Gewissen, weil Sie nicht so gerne morgens früh aufstehen und eine Stunde in der Bibel lesen, Bibelstunden eher anstrengend finden und auch Gebetsstunden eher meiden. Sie fühlen sich als Christ minderwertig und doch seltsam erfüllt, wenn Sie helfen können. War nicht auch die erste Christin in Philippi, Lydia, eine solche Frau? Von ihr wird nicht berichtet, dass sie Gebetsstunden abhielt oder lange Zeit in der Stille vor Gott verbrachte. Von ihr wird erzählt, dass sie die erste Gemeinde in Philippi in ihr Haus aufnahm und sich um sie sorgte. Der Dienst für Gott ist ein heiliger Pfad. Er ist nicht unzureichend und ergänzungsbedürftig, sondern eine Weise, die Gemeinschaft mit Gott besonders intensiv zu leben und von ihm zu lernen, was Gott mit einem vorhat. Der Dienst ersetzt nicht das Bibellesen und das Gebet, aber er ist Zugang zu Gott und Weg, um neue Kraft des Glaubens zu bekommen.

Der heilige Pfad der Schöpfung

Die Urlaubszeit liegt gerade hinter uns, viele von uns haben diesen "Super-Sommer" nicht nur in Büros verbringen müssen, sondern konnten ihre Seele in der freien Natur baumeln lassen. Vielleicht sind Sie darauf aufmerksam geworden, dass die wunderschöne Umgebung Sie in einer besonderen Weise in Gottes Nähe bringt. Beim Meeresrauschen, einer anstrengenden Gebirgstour, einem Sonnenuntergang, dem frischen Wind in den Haaren sind Sie neu beschenkt worden mit Gottes Reichtum, seiner Schönheit und Größe. Wie schade wäre es, diesen Pfad nur in den Sommerwochen zu begehen und den Rest des Jahres in Betonbunkern zu verbringen. Wenn Sie die Schöpfung als Ihren besonderen heiligen Pfad entdecken, dann nehmen Sie sich Zeit, ihn regelmäßig zu begehen. Ein Spaziergang am Abend, eine halbe Stunde intensives Hören auf die Geräusche der Natur, den freien Blick auf die Landschaft, das kann Ihnen den Kopf und das Herz für Gottes Ankommen öffnen. Und wenn Sie diesen Spaziergang als "Gottesdienst" feiern, werden Ihre Gedanken wie selbstverständlich auf Gott ausgerichtet und er kann mit Ihnen reden.

Der Tag Jesu brachte uns zum Zentrum und Motor in Jesu Leben, seiner engen Verbindung zu Gott. Auch unsere Tage sind voll mit Herausforderungen und Anfragen. Leicht verlieren wir den Überblick und die Kraft, uns allem zu widmen. Was wir von Jesus lernen können, ist, dass wir heilige Pfade brauchen, um diese Kraft in unser Leben fließen zu lassen.

Das sind unter anderen

  • Stille
  • Gemeinschaft
  • Dienst
  • Schöpfung
Alle diese Pfade sind für jeden und jede von uns wichtig, aber nicht auf jedem Pfad empfinden wir die gleiche tiefe Gemeinschaft mit Gott.

Unsere Aufgabe ist es deshalb, den heiligen Pfad zu finden, der uns am nächsten kommt. Ihn anzunehmen und nicht neidisch auf die anderen zu schauen, die die scheinbar besseren Pfade gehen, ihn auszubauen und zu pflegen.

Das ist nicht immer einfach. Die Jünger suchten Jesus und machten ihm Vorwürfe, weil er sich in die Stille zurückgezogen hatte. Sie hätten es eigentlich besser wissen müssen. Auch unsere heiligen Pfade werden uns manchmal Mut und Durchsetzungskraft abverlangen. Aber es lohnt sich, sie zu gehen.

Wir brauchen Gottes Kraft für die Herausforderungen des Lebens. 

Cornelia Trick


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