Ein Brief Christi (2.Korinther 3,3+17-18)
Gottesdienst am 02.11.2014 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
nach einer Trauung, als das Brautpaar vor die Kirchentür getreten ist und sich die Festgessellschaft langsam draußen versammelte, starteten einige Freunde des Paares eine Aktion. Sie gaben jedem einen roten Luftballon in die Hand, an dem ein kleines Briefchen hing. Wir sollten diese Briefe beschriften und die mit Helium gefüllten Ballons auf die Reise schicken. Auf der Rückseite der Briefe war die Adresse des Brautpaares geschrieben. Vielleicht würde ihnen ja jemand zurückschreiben, der diese Ballonbotschaft bekommen hatte. Diese Briefe symbolisierten Freiheit. Wo sie hinflogen, wo sie gefunden wurden, bestimmte allein der Wind. 

Würden wir uns mit einem Brief vergleichen – wo würde sich unser Brief befinden? Auf dem Schreibtisch, immer wieder korrigiert, ständig überarbeitet, aber nie abgeschickt und gelesen? Oder an einem Ballon unterwegs zu den Zielen, zu denen Gott uns durch seinen Heiligen Geist schicken will?

Paulus gebrauchte dieses Bild. Er wurde von einigen aus der von ihm gegründeten Gemeinde Korinth angefeindet. Neue Gemeindeleiter und solche, die nun das Sagen hatten, sprachen ihm die Autorität ab. Es kam zu Spaltungen und Verwerfungen. Aus der Ferne nahm Paulus zu diesen Entwicklungen Stellung. Er verteidigte sich nicht zuerst selbst, sondern rief den Korinthern in Erinnerung, wozu Gott sie berufen hatte. Hatte er sie berufen zu Streithähnen, oder gab er ihnen einen Auftrag? 

Diese Frage reicht Paulus heute an uns weiter. Wer sind wir hier in Brombach? Ein Brief, der vor 150 Jahren geschrieben wurde und seitdem auf dem Schreibtisch liegt, natürlich fortlaufend aktualisiert? Oder sind wir ein Brief, der mit einem Luftballon seit 150 Jahren unterwegs in die Welt ist?

2.Korinther 3,3+17-18

Für alle ist sichtbar: Ihr seid ein Brief von Christus, ausgefertigt und überbracht durch meinen Dienst als Apostel.
Der Herr aber, von dem dieses Wort spricht, nämlich Jesus Christus, wirkt durch seinen Geist. Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Wir alle sehen in Christus mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit Gottes wie in einem Spiegel. Dabei werden wir selbst in das Spiegelbild verwandelt und bekommen mehr und mehr Anteil an der göttlichen Herrlichkeit. Das bewirkt der Herr durch seinen Geist. 

Ein Brief wird zum „Gemeindebrief“

Gemeinde ist ein Brief, der vom Heiligen Geist geschrieben wurde. Er ist nicht auf ein Blatt Papier, sondern in die Herzen von Menschen eingeprägt. Gemeinde besteht aus Menschen, die den Geist Gottes in ihren Herzen haben. Dass Gemeinde oft mit einem Gebäude gleichgesetzt wird, sich durch Tradition und Gliederlisten darstellt, ist erst ein zweiter Schritt. Denn was wären Gliederlisten ohne die dazugehörigen Menschen, die Jesus vertrauen, von ihm begeistert sind und von ihm Weisung für die Zukunft erwarten.

Nun stellen wir uns mal so einen „Gemeindebrief“ vor. Jede und jeder von uns stellt ein Wort, einen Satz dieses Briefes dar. Jede und jeder ist wichtig, um diesem Brief einen Zusammenhang zu geben. Würde ein Satz fehlen, vielleicht auch nur ein Wort, z.B. „nicht“, hier oder da, könnte der Brief im schlimmsten Fall das Gegenteil des ursprünglichen Sinnes ausdrücken. Paulus gibt uns mit, dass keine und keiner von uns überflüssig ist. Unser ganz persönlicher Text in der Gemeinde ist überlebenswichtig.

Ein Brief gibt Information weiter

Letzte Woche bekam ich einen Brief von einem alten Freund der Familie. Er schreibt mir regelmäßig und ich antworte ihm eigentlich auch regelmäßig. Diesmal fragte er nach meinem Ergehen, er hätte so lange nichts von mir gehört. Und tatsächlich, sein letzter Brief lag noch auf der Kommode. Er sollte mich erinnern, dass ich dem Bekannten dringend zu schreiben hätte. Doch das geschah bis jetzt nur in Gedanken. Wie sollte mein Bekannter in Berlin ahnen, was ich ihm da in Gedanken geschrieben hatte? Er brauchte Informationen von mir.

Wenn Jesus Christus uns als seinen Brief versteht, dann will er sicher nicht, dass wir ein Gedanken-Brief sind, den niemand lesen kann. Er möchte der Welt durch uns etwas mitteilen. Wir sollten nicht auf Schreibtischen liegenbleiben, unsere Gotteserfahrungen nicht für uns behalten, unsere Glaubensermutigung nicht nur für uns selbst in Anspruch nehmen, sondern sie weitergeben an unsere Umgebung. Die hat nichts von unseren Gedanken, die braucht Informationen wie mein Bekannter einen Brief von mir.

Ein Brief hat Inhalt

Was sollte in unserem Brief stehen, und was sollen andere an uns ablesen können? Paulus gibt ein Stichwort: „Herrlichkeit“. Stellen wir uns das ruhig einmal räumlich vor. Die Herrlichkeit Gottes ist oben. Wir können nicht direkt hineinschauen. Sie ist so hell wie die Sonne. Nur mit einem abgeblendeten Spiegel können wir die Herrlichkeit erahnen. Doch egal, ob wir sie direkt oder indirekt sehen, sie verändert uns wie die Sonne, die uns Vitamin D produzieren lässt, uns wärmt und bräunt. 

Andere können an uns die Herrlichkeit Gottes ablesen, die uns verändert hat. Im besten Fall erfahren sie durch uns Annahme, wie Jesus sie Zachäus zukommen ließ (Lukas 19,1-10). Sie hören uns sagen: „Was soll ich für dich tun?“ (Johannes 5,6) Sie erleben, dass Schuld vergeben werden kann und dass wir zum Neuanfang bereit sind (Lukas 7,36-50). Sie beobachten, dass wir mitleiden, statt nur siegen zu wollen, und dass wir uns geliebt wissen, satt sind, ein inneres Gleichgewicht haben.

Als Einzelne werden wir nicht immer satt und ausgeglichen sein können, aber im Miteinander können wir satt werden, getröstet sein und im Gebet getragen werden. Dieses Miteinander ist wichtiger Bestandteil des Briefes, es hat die Funktion der Bindewörter: „und, oder, aber, nachdem“.

Der Inhalt unseres Briefes von Brombach aus sagt aus: Wir dürfen hier sein, wie wir sind, werden zusammengehalten und bewegt durch den Heiligen Geist und werben dafür, sich der Herrlichkeit Gottes selbst auszusetzen und verändert zu werden.

Ein Brief hat Wirkung

Bei jener Hochzeit sollten wir auf die vorbereiteten Briefe einen Gruß schreiben und darum bitten, dass der Finder dem Brautpaar zurückschreiben solle. Wenn Menschen durch unsere Hilfe Gott erleben, sollen sie nicht zuerst bei uns Mitglied werden, sondern ihre Antwort Gott schicken. Z.B. „Hier bin ich, hast Du Interesse an mir? Ich würde gerne mit dir in Kontakt treten.“ Unser „Gemeindebrief“ ist auf Antwort hin ausgelegt. 

Erwarten wir als Gemeinde aber Antwort auf unser Christsein? Erwarten wir, dass jemand von uns etwas über den Glauben wissen will und dadurch in Beziehung zu Gott tritt? Ist uns klar, dass jedes etwas tiefere Gespräch mit einem Nachbarn solch ein Brief Christi ist, der auf Antwort wartet? Diese Sicht könnte unser Gemeindeleben revolutionieren, denn wir schauen nicht zuerst darauf, was uns gut tut, was wir brauchen, wo wir uns gemütlich fühlen, sondern wie jemand, der Jesus noch nicht kennt, auf ihn aufmerksam werden kann.

Ein Brief trägt eine Adresse

Zweimal habe ich in den vergangenen Wochen einen Brief zu einem Gemeindeglied geschickt, der jeweils zurückkam mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“. Obwohl ich zumindest beim zweiten Anlauf die richtige Adresse hatte, konnte der Briefträger das Namensschild nicht finden. Unsere Briefe kommen nicht bei jeder Adresse an, manchmal wird die Annahme verweigert, manchmal ist der Überbringer ungeduldig oder zu verpeilt, um den richtigen Adressaten zu finden. Und manchmal haben wir auch gar keine Adresse auf den Brief geschrieben, weil wir einfach nicht wussten, wem Gott unseren Brief zukommen lassen wollte. Wir haben ihn mit dem Luftballon losgeschickt, vertrauend, dass der Heilige Geist schon den Weg wissen würde. 

Vielleicht sollten wir dem Heiligen Geist, was unsere Gemeinde anbelangt, auch so vertrauen. Wohin will uns Gott schicken? In einer Gemeinde beteten wir um neue Leute. Wir dachten, dass junge Familien unsere Zielgruppe wären und legten Programme für sie auf. Nur – es kamen keine jungen Familien, stattdessen Senioren. 

Was hatte uns Gott damit gesagt? Wohl, dass er für uns im Moment eine andere Adresse hatte. Es war sehr segensreich, dass wir die älteren Geschwister dazu bekamen. Sie waren ausdauernde Beter, und wenige Jahre später blühte die Jugendarbeit, ohne dass wir besondere Programme abhielten.

Wenn wir dem Geist Gottes vertrauen, kann es sein, dass er uns in Richtungen führt, die uns erst mal gar nicht so passen. Aber wir können sicher sein, es sind die gesegneten Adressaten Gottes, und er weiß besser, wer auf unseren Brief wartet und wer nicht.

Diamantene Hochzeit

Unter uns ist heute ein diamantenes Jubelpaar. Sie haben vor 60 Jahren ein Wort aus dem Kolosserbrief, Vers 14, zugesprochen bekommen: „Über alles zieht an die Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist.“  Sie haben ihr Leben als Brief Christi gestaltet, in Liebe verbunden und offen für viele Menschen, die an ihnen die Liebe Gottes buchstabieren konnten. Wir sind sehr dankbar, das Fest mit ihnen heute feiern zu dürfen, denn immer noch leben sie uns vor, ein Brief Christi mit Inhalt zu sein, der unterwegs ist zu den Adressen, die der Heilige Geist für sie ausgewählt hat. Und wir sind mit ihnen unterwegs.
Cornelia Trick


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