Taufe mit Fortsetzung (Johannes 5,5-11+14)
Gottesdienst am 27.07.2014 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
am sechsten Sonntag nach dem Trinitatis-Fest wird in besonderer Weise an die Taufe erinnert, die wir oft als kleine Kinder empfangen haben. Wir können nachsinnen, was Gott an uns getan hat, Bilanz ziehen, welche Bedeutung Gott in unserem Leben hat, und uns neu fragen lassen: Was bedeutet Dir die Taufe?

Obwohl dort nicht von der Taufe die Rede ist, bin ich auf eine Jesus-Begegnung gestoßen, die genau dieses Thema berührt. Da hatte einer mit Jesus angefangen, und was ist daraus geworden?

Jesus war in Jerusalem unterwegs und kam beim Teich Bethesda vorbei. Der Doppelteich wurde von einer Quelle gespeist, die unregelmäßig Wasser in die Becken strömen ließ. Sobald Bewegung ins Wasser kam, war man davon überzeugt, dass Heilkraft für den ersten Kranken, der das Wasser erreichte, ausging. Von dieser Heilkraft angezogen, lagerten sich immer mehr Kranke rund um den Teich, sodass die öffentliche Hand sogar Hallen für die Kranken bauen ließ. Bethesda, zu Deutsch „Haus der Barmherzigkeit“, wurde zu einem großen Wallfahrtsort, an dem sich Hoffnung und Verzweiflung, Sehnsucht und Resignation zusammenballten. Jeder dort war sich selbst der Nächste, um als erster ins Wasser zu kommen, und wohl dem, der Freunde und Familie hatte, die ihn dabei unterstützten.

Zu diesem „Haus der Barmherzigkeit“ kam Jesus.

Johannes 5,5-9

Unter den Kranken war auch ein Mann, der seit achtunddreißig Jahren krank war. Jesus sah ihn dort liegen. Er erkannte, dass der Mann schon lange unter seiner Krankheit litt, und fragte ihn: »Willst du gesund werden?« Der Kranke antwortete: »Herr, ich habe keinen, der mir in den Teich hilft, wenn das Wasser sich bewegt. Wenn ich es allein versuche, ist immer schon jemand vor mir da.« Jesus sagte zu ihm: »Steh auf, nimm deine Matte und geh!« Im selben Augenblick wurde der Mann gesund. Er nahm seine Matte und konnte wieder gehen.

Vielleicht ist unsere erste Reaktion: Diese Geschichte ist ganz weit weg, wer kann sich schon in diesen chronisch Kranken hineinversetzen. Aber stellen wir uns doch mal vor, wir hätten starke Bauchschmerzen und gehen damit zu unserem Hausarzt. Das Wartezimmer ist voll, wir müssen warten. Einer nach der anderen wird aufgerufen, nur wir bleiben zurück, bis wir wirklich die letzten im Wartezimmer sind. Da kommt die Arzthelferin, macht das Licht aus und bittet uns, nach Hause zu gehen, die Praxis würde jetzt schließen, der Arzt wäre schon weg. Wir bleiben zurück mit dem Gefühl der Ohnmacht, einen halben Tag gewartet – umsonst. Der Mann am Teich Bethesda wartete 38 Jahre.

Jesus: Willst du gesund werden?

Die Initiative dort am Wasser geht von Jesus aus. Jesus „sieht“ den Kranken und erfährt von der Lage dieses Mannes. Unter Hunderten fällt sein Blick auf den Einen. Er geht zu ihm und fragt ihn: Willst du gesund werden? Das ist doch eine merkwürdige Frage, schließlich liegt der Mann doch deshalb hier. Doch die Frage rüttelt den Kranken aus seiner Ohnmacht und Resignation wach. Der Kranke wird um Stellungnahme gebeten, und dabei stellt sich heraus, was am Wollen hindert.

Bekannte von uns suchten dringend eine neue Wohnung, sie fanden ihre Wohnsituation unerträglich, zu klein, zu laut, zu dunkel, zu hellhörig, und die Nachbarschaft war auch schwierig. Zufällig stießen wir auf eine geeignete Wohnung. Sie war größer, hell, hatte einen schönen Balkon, eigentlich ideal. Doch als die Bekannten das Angebot bekamen und nur noch zuschlagen mussten, rollten sie einen ganzen „Ja-aber-Katalog“ ab. Sie waren sich sicher, die Wohnung sowieso nicht zu bekommen, sie hätten gerade keine Kraft zur Veränderung, das Dunkle wäre ja auch ganz gemütlich und außerdem hatten sie Angst, was da Unbekanntes auf sie zukam. 

Der Mann am Teich wirkt seltsam fremdbestimmt bei seiner Antwort. Die anderen sind schuld. Keiner ist da, der ihn ins Wasser trägt, immer ist einer früher dran. 

Will er gesund werden? Ja – aber die anderen sollen es für ihn regeln. 

Jesus durchbricht das Aber

Jesus geht nicht auf die Klagen des Mannes ein, stattdessen gibt er den Befehl: Steh auf! Niemand wird ihn ins Wasser tragen, er muss selbst die Initiative ergreifen. Und er tut es, die Vollmacht Jesu wirkt. Warum soll er sein längst durchgelegenes Bett mitnehmen? Könnte er das nicht für den nächsten Kranken liegen lassen? Jesus will offensichtlich, dass er sich an seine Geschichte erinnert und als Bett-Träger auch Zeugnis von seiner Heilung gibt. So wird er zur Ermutigung für andere. Er soll hingehen, wohin? Er hat ja offenbar keine Familie, unter deren Dach er nun schlüpfen könnte. Lädt Jesus ihn hier zur Nachfolge ein? Die Fortsetzung der Geschichte zeigt, dass der Geheilte gut daran getan hätte, hinter Jesus herzugehen, statt eigene Wege zu suchen.

Jesus durchbricht auch unser Aber. In den Situationen unserer Not sind nicht die anderen schuld, und es macht keinen Sinn, in der Vergangenheit nach den Schuldigen zu suchen. Jesus konfrontiert uns hier mit seiner Frage und wartet auf unsere Antwort: Ja, ich will mir von dir, Jesus, helfen lassen und höre auf dich. Mein Aber soll kleiner als dein Ja zu mir sein.

Hier wollen wir kurz innehalten. Bis jetzt hatten wir es mit einer ganz normalen Heilungsgeschichte Jesu zu tun. Es könnte auch eine Taufgeschichte sein. Ein Mensch lebt unter der Herrschaft der Mächte dieser Welt. Er ist wie gelähmt und aus eigener Kraft unfähig, zur Quelle des Lebens zu kommen. Die anderen sind schuld, seine Erziehung, schwierige Gemeindeerfahrungen, falsche Freunde. Jesus sagt ihm: Steh auf! Du bist verantwortlich und bekommst eine neue Chance mit Gott. Dein Bett sollst du tragen als Zeichen, dass dir vergeben ist und ein neuer Weg vor dir liegt.

Johannes 5,10-12

Der Tag, an dem dies geschah, war ein Sabbat. Einige von den führenden Männern sagten deshalb zu dem Geheilten: »Heute ist Sabbat, da darfst du deine Matte nicht tragen!« Er antwortete: »Der Mann, der mich geheilt hat, sagte zu mir: 'Nimm deine Matte und geh!'« Da fragten sie ihn: »Wer ist es, der dir so etwas befohlen hat?«

Die religiösen Führer: Du darfst nicht …

Das Spannende dieser Begegnung ist nun die Fortsetzung. Der Mann wurde an einem Sabbat geheilt. Die religiösen Führer interessierten sich nicht für seine Heilung, sondern für das Bett, das er trug. Lasten zu tragen, war am Sabbat verboten. So bezichtigten sie ihn der Gesetzesübertretung, Freude über einen Gesunden verspürten sie offensichtlich nicht.

Der Geheilte wälzt die Verantwortung ab. Es war ja nicht seine Idee, das Bett zu tragen. Der Heiler hatte es ihm befohlen. Wieder erscheint der Mann seltsam passiv. Wie eine Marionette handelt er ohne eigenen Willen. Äußerlich  ist er gesund geworden, doch in seiner Persönlichkeit hat sich nicht viel verändert. Zu seinem Tun steht er nicht, und zu Jesus bekennt er sich nicht.

Beziehen wir dieses Verhalten auf die Taufe. Da ist jemand getauft worden, doch er bleibt passiv im Kleinkinderstatus stehen. „Meine Eltern haben mich getauft“, mit mir hat das nichts zu tun. Ganz anders könnte es sein, würde er sagen: Ja, ich bin getauft und gehöre zu Jesus. Deshalb lebe und handele ich so, auch wenn es dir nicht passt. Jesus ist mein Herr, nicht deine Gesetze oder Vorstellungen.

Johannes 5,14

Später traf Jesus ihn im Tempel und sagte: »Hör zu! Du bist jetzt gesund. Tu nichts Unrechtes mehr, sonst wird es dir noch schlimmer ergehen.«

Jesus: Tu nichts Unrechtes mehr

Jesus geht dem Mann nach. Er redet ernst mit ihm und zeigt ihm Konsequenzen für sein Tun auf. Er ist nun gesund geworden. Das zieht eine veränderte Lebensweise nach sich. Sündigen soll er nicht mehr, auf dass nicht Schlimmeres passiert. Was kann schlimmer sein, als 38 Jahre gelähmt an einem Teich zu vegetieren? Jesus bezieht sich hier offenbar auf die Begegnung mit den religiösen Führern. Schlimmer als gelähmt zu sein, ist es, von Heil und Rettung zu wissen, doch im alten Trott zu bleiben. Statt sich auf die Seite Jesu zu stellen, auf die Seite der Gegner wechseln. Statt die Freiheit, die Jesus schenkt, zu ergreifen und hinzugehen, sich von den Gegnern abhängig machen. Der Geheilte liefert Jesus den Gegnern aus, in Kürze werden sie aufgrund dieser Geschichte beschließen, Jesus zu töten.

Diese Jesusbegegnung endet ernst. Sie zeigt auf, dass man nicht automatisch bei Jesus bleibt, wenn man ihm einmal positiv begegnet ist. Der Mann hat seine Heilung verspielt. Verspielen wir unsere Taufe auch so leichtfertig?

Wir werden heute an unsere persönliche Taufe erinnert. Wir haben als kleine Kinder einen Gutschein geschenkt bekommen: Gemeinschaft mit Gott und neues Leben mit Gott standen darauf. Wir sollten diesen Gutschein nicht liegen lassen, zerreißen oder schlecht reden. Er ist dafür da, eingelöst zu werden, immer wieder neu, und dafür sind wir zuständig, niemand kann es uns abnehmen. Jesus sagt uns zu: Steh auf!

Was das heute gerade für dich und mich bedeutet? Vielleicht, eine Entscheidung zu fällen, vor der wir Angst haben. Ein klärendes Gespräch zu führen, das hilft, Versöhnung zu finden. Vielleicht auch einfach ein paar Sorgen in Jesu Hand zu legen und wirklich zu vertrauen, dass er sich kümmert.

Jesus sah den Mann am See der Barmherzigkeit, und er sieht uns. Nehmen wir es ernst, dass er in unserer Taufe zugesagt hat, unser Leben zu verändern und zu heilen. Bleiben wir in seiner Nähe, dass niemand uns von ihm wieder weg bringen kann.

Cornelia Trick


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