Gottesdienst am 16.10.2011
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
ein Wanderer kam an einer
einsamen Hütte vorbei und bat um eine Übernachtung. Er wurde
in einen kleinen schmucklosen Raum geführt, in dem nur eine Bank,
ein Tisch und ein paar Bücher standen. Der Wanderer fragte erstaunt:
„Wo haben Sie denn ihre Möbel und ihren Hausrat?“ Der Gastgeber gab
zurück: „Wo haben Sie denn Ihre Möbel?“ Der Wanderer antwortete:
„Ich bin doch nur auf der Durchreise hier.“ „Ja, genau“, bestätigte
der Gastgeber, „ich auch.“
Unser Leben ist eine einzige
Durchreise, von der Geburt bis zum Tod, um aus dem Tod von Jesus in die
Gemeinschaft mit Gott abgeholt zu werden. Auch unsere Gemeinde hier in
Neuenhain ist auf der Durchreise, von der Gründung im 19. Jahrhundert
bis zu einem Zeitpunkt wo sie vollendet wird in Ewigkeit.
Wir leben in dieser dauernden
Spannung des Unterwegs-Seins. Wir sind hier und jetzt zuhause und doch
voller Sehnsucht nach der Heimat im Himmel. Wir renovieren und modernisieren
unser Gemeindezentrum, feiern heute den Wiedereinzug, und wissen doch,
dass dieses Gemeindezentrum nicht ewige Heimat ist, sondern nur Hütte
unterwegs, die für uns Herberge auf dem Weg ist.
Dieses Unterwegs-Sein spricht
ein Abschnitt aus dem Hebräerbrief an. Er ist an die zweite Generation
Christen gerichtet, die von den Widerständen der Umgebung müde
und aufgerieben ist. Es waren Christen, die sich fragten, ob ihr Glaube
angesichts der wenigen Resonanz überhaupt Sinn machte. Der Hebräerbrief
malte ihnen ein Hoffnungsbild und knüpfte an die alttestamentlichen
Wurzeln des Glaubens an Jesus Christus an. Der alte Bund Gottes mit seinem
Volk Israel wurde in Christus erfüllt und überboten. Nicht mehr
das irdische, sondern das himmlische Jerusalem ist Ziel für die Gemeinde.
Im himmlischen Jerusalem kommt die Gemeinde zur Ruhe.
Hebräer 13,13-16
Lasst uns zu ihm vor das Lager
hinausgehen und die Schande mit ihm teilen. Denn auf der Erde gibt es keine
Stadt, in der wir bleiben können. Wir sind unterwegs zu der Stadt,
die kommen wird. Durch Jesus wollen wir Gott jederzeit und in jeder Lebenslage
Dankopfer darbringen; das heißt: Wir wollen uns mit unserem Beten
und Singen zu ihm bekennen und ihn preisen. Vergesst nicht, Gutes zu tun
und mit anderen zu teilen. Das sind die Opfer, an denen Gott Gefallen hat.
Für die Gemeinde ist
entscheidend, bei Jesus zu sein. Der Hebräerbrief zeichnet die Passionsgeschichte
Jesu nach. Jesus ging aus Jerusalem, der befestigten Stadt, hinaus nach
Golgatha, was jenseits der Stadtmauern lag. Die Gemeinde geht mit Jesus
hinaus aus der „Stadt“, hier Synonym für ein Leben ohne Gott. Die
Gemeinde bleibt bei Jesus in der Todesstunde, seine Schmach, als Verbrecher
zu sterben, ist auch ihre Schmach. Wenn die Gemeinde Anfeindung und Verfolgung
erfährt, ist sie mit Jesus solidarisch. Wie für Jesus der Verbrechertod
keine Endstation war, sondern er auferstanden ist zum ewigen Leben, so
wird die Gemeinde mit ihm auferstehen. Sie ist unterwegs zur bleibenden
Stadt in Ewigkeit.
Obwohl wir nicht die sind,
an die der Hebräerbrief ursprünglich geschrieben wurde, haben
diese Worte doch auch Bedeutung für uns. Sie erinnern uns daran, dass
wir unterwegs sind.
-
Wir brechen auf aus den Sicherheiten
des Gewohnten, dem, was alle tun. Wie sieht diese Stadt, aus der wir aufbrechen,
für uns aus? Vielleicht ist es ein Gemeindeleben, das mit sich selbst
zufrieden ist. Man feiert die Feste des Kirchenjahres, beschäftigt
sich mit sich selbst, ist gleichgültig für die Nöte und
Bedürfnisse der Menschen drum herum. Vielleicht ist es auch ein Gemeindeleben,
bei dem die Gemeinde sich wie im Kino verhält. Jeder konsumiert, nimmt
geistliche Wahrheiten in sich auf, vor der Tür sind sie aber schon
wieder vergessen, sie dringen nicht in die Seele ein.
-
Wir sind bei Jesus. Unser
Leben lassen wir bewusst von ihm bestimmen. Seine Aufträge hören
wir, nehmen wir ernst und erfüllen sie. Sein Tempo übernehmen
wir bei der Wanderschaft. Seiner Richtungsangabe folgen wir. Wir beten
darum, Klarheit für einen Auftrag, eine Aufgabe oder Gemeindesituation
zu bekommen und rechnen damit, dass Jesus antwortet, Hinweise gibt, uns
mit den offenen Fragen nicht allein lässt.
-
Wir bleiben unterwegs. Wenn
man längere Zeit auf Reisen ist, vermeidet man gewöhnlich, viel
Gepäck dabei zu haben. Gemeinde, die unterwegs ist, sollte nicht zuviel
Gepäck dabei haben, unbearbeitete Konflikte, trennende Geschichten,
auch Hartherzigkeit, nicht vergeben und vergessen zu wollen. Zum Unterwegs-Sein
gehört auch, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren. Bei Gott ist
unsere Heimat und unser Zuhause. Alles, was wir hier tun, hat vorläufigen
Charakter und keinen Ewigkeitswert. Das macht es uns leicht, auch mit unseren
Schwächen und Begrenzungen umzugehen. Sie sind nicht für immer,
und wir sind noch nicht vollkommen. Um als Gemeinde diese Reise zu überstehen,
müssen wir beieinander bleiben. Wie schnell reißt eine Gruppe
auseinander, wenn nicht alle das gleiche Tempo haben. Schnell können
sich dabei einzelne verirren. Wir sind darauf angewiesen, beieinander zu
bleiben. Am einfachsten geht es, wenn wir uns nicht aus den Augen verlieren,
uns im Gebet vernetzen, in unseren Gruppen aufeinander acht haben und miteinander
unseren Glauben vertiefen. Nicht vergessen sollten wir, auf der Wanderung
Proviant dabei zu haben. Jede und jeder ist verantwortlich, für die
Verpflegung unterwegs zu sorgen. Es gibt keinen Catering-Service, der uns
mit geschmierten Broten versorgt. Eigenverantwortlich zu sein, bedeutet,
für mein eigenes geistliches Leben zu sorgen, selbst initiativ zu
werden, um geistlich zu wachsen und nicht zu verhungern. Dass wir unterwegs
unseren Proviant teilen und tauschen, ist ein wunderbarer Nebeneffekt.
Dass wir immer etwas mehr dabei haben für die, die vielleicht gerade
nicht genug dabei haben, ist selbstverständlich. Aber grundsätzlich
gilt, dass erwachsener Glaube bedeutet, selbst die geistlichen Brote zu
schmieren und einzupacken. Immer wieder wird es unterwegs Pausen geben
– zum Feiern und zum Erholen. Heute ist eine solche kleine Pause. Wir haben
3 Monate diesen Gottesdienstsaal umgebaut, haben unsere Gottesdienste im
Bürgerhaus verlebt. Jetzt sind wir wieder hier, freuen uns über
diese Etappe und lassen zumindest heute die Putzeimer und Malerpinsel stehen
und liegen. Wir feiern, dass Gott in unserer Mitte ist und uns Kraft bis
hierhin geschenkt hat.
-
Wir erreichen die feste Stadt.
Es wird die Vollendung in Ewigkeit sein. Der Hebräerbrief erwartete
die Vollendung bald. Wir wissen heute, dass „bald“ ein dehnbarer Begriff
ist. Doch freuen können wir uns schon darauf, als Gemeinde vor Gottes
Thron zu sein, Jesus zu Füßen sitzen zu können, um ihm
zuzuhören und in der Gemeinschaft der Liebenden für immer bleiben
zu dürfen.
Gemeinde unterwegs
in einem ortsfesten Gemeindezentrum
Von außen sieht uns
niemand an, dass wir auf Wanderschaft sind. Wir haben eine Immobilie, und
werden dadurch auch immobil. Mobil sind bei uns die Menschen, die sich
zu diesem festen Ort regelmäßig aufmachen. Wie können wir
ein ortsfestes Gemeindezentrum, in das wir gerade viel Geld investiert
haben, mit unserer eigentlichen Durchreise vereinbaren? Ich möchte
den Sinn unseres Gemeindezentrums an vier Punkten festmachen:
-
Gemeinde unterwegs braucht
einen Ort der Sammlung. Wenn eine größere Wandergruppe beieinander
ist, wird der Leiter immer wieder an größeren Lichtungen oder
Plätzen anhalten, um der Gruppe Wissenswertes und Beachtenswertes
weiterzugeben. Diese Funktion hat dieser Raum. Wir sammeln uns hier, um
von Jesus Weisung zu bekommen, um Kraft zu tanken und uns korrigieren zu
lassen, um anzubeten, Gemeinschaft zu erleben und gestärkt zu werden.
-
Gemeinde unterwegs hat Aufgaben.
Sie soll Salz und Licht in ihrer Umgebung sein. Um diese Aufgaben erfüllen
zu können, braucht sie Raum. Der Raum sollte dem Auftrag entsprechen.
Zum Beispiel würde niemand auf die Idee kommen, ein Schwimmbad als
geeigneten Raum für eine Restaurantküche anzusehen. Jesus hat
uns den Auftrag gegeben, andere zu ihm einzuladen. Dafür haben wir
Platz geschaffen, das Licht optimiert und die Verstärkung renoviert.
Jesus hat uns den Auftrag gegeben, Kindern und Jugendlichen aus unserer
Umgebung Heimat zu geben. Darauf haben wir bei der Auswahl des Bodens und
anderer Details geachtet. Sie können hier Gottesdienste und Kindererlebnistage
feiern, auf dem Boden sitzen und sich wohl fühlen, ohne sich zu erkälten
oder irgendetwas leicht kaputt zu machen.
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Gemeinde unterwegs ist Babystation
für neue Gotteskinder. Deshalb wollen wir das Gemeindezentrum so einladend
gestalten, dass es signalisiert „Du bist willkommen“. Auch wenn es uns
egal ist, wie die Wände gestrichen sind oder die Lampen Licht machen,
so gehört auch das Äußere zu einem ersten Eindruck, der
vermittelt, ob wir gastfreundlich auch die Bedürfnisse unserer Mitmenschen
im Blick haben.
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Gemeinde unterwegs ist Zeugnis
für die Umgebung. Unsere Mitmenschen, die täglich an diesem Haus
vorbei gehen, sehen, dass uns unsere Gemeinde etwas wert ist, wir nicht
nur im eigenen Vorgarten tätig sind. Das Gemeindezentrum mit dem biblischen
Namen Gottestreu ist für uns ein Ort, an dem wir Gott vielfältig
danken, an dem wir ermutigt werden, Gutes zu tun, und an dem wir einüben,
mit anderen zu teilen. So werden wir unserem Herrn Ehre und Freude machen.
Gott ist treu. Wir sind in
seine Gemeinschaft berufen und dürfen in diesem Haus wieder neu seine
Gegenwart erfahren. Er bleibt mit uns unterwegs zur zukünftigen Stadt.
Cornelia
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