Willkommen unterwegs (Hebräer 13,13-16)
Gottesdienst am 16.10.2011

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
ein Wanderer kam an einer einsamen Hütte vorbei und bat um eine Übernachtung. Er wurde in einen kleinen schmucklosen Raum geführt, in dem nur eine Bank, ein Tisch und ein paar Bücher standen. Der Wanderer fragte erstaunt: „Wo haben Sie denn ihre Möbel und ihren Hausrat?“ Der Gastgeber gab zurück: „Wo haben Sie denn Ihre Möbel?“ Der Wanderer antwortete: „Ich bin doch nur auf der Durchreise hier.“ „Ja, genau“, bestätigte der Gastgeber, „ich auch.“

Unser Leben ist eine einzige Durchreise, von der Geburt bis zum Tod, um aus dem Tod von Jesus in die Gemeinschaft mit Gott abgeholt zu werden. Auch unsere Gemeinde hier in Neuenhain ist auf der Durchreise, von der Gründung im 19. Jahrhundert bis zu einem Zeitpunkt wo sie vollendet wird in Ewigkeit. 

Wir leben in dieser dauernden Spannung des Unterwegs-Seins. Wir sind hier und jetzt zuhause und doch voller Sehnsucht nach der Heimat im Himmel. Wir renovieren und modernisieren unser Gemeindezentrum, feiern heute den Wiedereinzug, und wissen doch, dass dieses Gemeindezentrum nicht ewige Heimat ist, sondern nur Hütte unterwegs, die für uns Herberge auf dem Weg ist.

Dieses Unterwegs-Sein spricht ein Abschnitt aus dem Hebräerbrief an. Er ist an die zweite Generation Christen gerichtet, die von den Widerständen der Umgebung müde und aufgerieben ist. Es waren Christen, die sich fragten, ob ihr Glaube angesichts der wenigen Resonanz überhaupt Sinn machte. Der Hebräerbrief malte ihnen ein Hoffnungsbild und knüpfte an die alttestamentlichen Wurzeln des Glaubens an Jesus Christus an. Der alte Bund Gottes mit seinem Volk Israel wurde in Christus erfüllt und überboten. Nicht mehr das irdische, sondern das himmlische Jerusalem ist Ziel für die Gemeinde. Im himmlischen Jerusalem kommt die Gemeinde zur Ruhe.

Hebräer 13,13-16

Lasst uns zu ihm vor das Lager hinausgehen und die Schande mit ihm teilen. Denn auf der Erde gibt es keine Stadt, in der wir bleiben können. Wir sind unterwegs zu der Stadt, die kommen wird. Durch Jesus wollen wir Gott jederzeit und in jeder Lebenslage Dankopfer darbringen; das heißt: Wir wollen uns mit unserem Beten und Singen zu ihm bekennen und ihn preisen. Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Das sind die Opfer, an denen Gott Gefallen hat.

Für die Gemeinde ist entscheidend, bei Jesus zu sein. Der Hebräerbrief zeichnet die Passionsgeschichte Jesu nach. Jesus ging aus Jerusalem, der befestigten Stadt, hinaus nach Golgatha, was jenseits der Stadtmauern lag. Die Gemeinde geht mit Jesus hinaus aus der „Stadt“, hier Synonym für ein Leben ohne Gott. Die Gemeinde bleibt bei Jesus in der Todesstunde, seine Schmach, als Verbrecher zu sterben, ist auch ihre Schmach. Wenn die Gemeinde Anfeindung und Verfolgung erfährt, ist sie mit Jesus solidarisch. Wie für Jesus der Verbrechertod keine Endstation war, sondern er auferstanden ist zum ewigen Leben, so wird die Gemeinde mit ihm auferstehen. Sie ist unterwegs zur bleibenden Stadt in Ewigkeit.

Obwohl wir nicht die sind, an die der Hebräerbrief ursprünglich geschrieben wurde, haben diese Worte doch auch Bedeutung für uns. Sie erinnern uns daran, dass wir unterwegs sind.

  • Wir brechen auf aus den Sicherheiten des Gewohnten, dem, was alle tun. Wie sieht diese Stadt, aus der wir aufbrechen, für uns aus? Vielleicht ist es ein Gemeindeleben, das mit sich selbst zufrieden ist. Man feiert die Feste des Kirchenjahres, beschäftigt sich mit sich selbst, ist gleichgültig für die Nöte und Bedürfnisse der Menschen drum herum. Vielleicht ist es auch ein Gemeindeleben, bei dem die Gemeinde sich wie im Kino verhält. Jeder konsumiert, nimmt geistliche Wahrheiten in sich auf, vor der Tür sind sie aber schon wieder vergessen, sie dringen nicht in die Seele ein.
  • Wir sind bei Jesus. Unser Leben lassen wir bewusst von ihm bestimmen. Seine Aufträge hören wir, nehmen wir ernst und erfüllen sie. Sein Tempo übernehmen wir bei der Wanderschaft. Seiner Richtungsangabe folgen wir. Wir beten darum, Klarheit für einen Auftrag, eine Aufgabe oder Gemeindesituation zu bekommen und rechnen damit, dass Jesus antwortet, Hinweise gibt, uns mit den offenen Fragen nicht allein lässt.
  • Wir bleiben unterwegs. Wenn man längere Zeit auf Reisen ist, vermeidet man gewöhnlich, viel Gepäck dabei zu haben. Gemeinde, die unterwegs ist, sollte nicht zuviel Gepäck dabei haben, unbearbeitete Konflikte, trennende Geschichten, auch Hartherzigkeit, nicht vergeben und vergessen zu wollen. Zum Unterwegs-Sein gehört auch, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren. Bei Gott ist unsere Heimat und unser Zuhause. Alles, was wir hier tun, hat vorläufigen Charakter und keinen Ewigkeitswert. Das macht es uns leicht, auch mit unseren Schwächen und Begrenzungen umzugehen. Sie sind nicht für immer, und wir sind noch nicht vollkommen. Um als Gemeinde diese Reise zu überstehen, müssen wir beieinander bleiben. Wie schnell reißt eine Gruppe auseinander, wenn nicht alle das gleiche Tempo haben. Schnell können sich dabei einzelne verirren. Wir sind darauf angewiesen, beieinander zu bleiben. Am einfachsten geht es, wenn wir uns nicht aus den Augen verlieren, uns im Gebet vernetzen, in unseren Gruppen aufeinander acht haben und miteinander unseren Glauben vertiefen. Nicht vergessen sollten wir, auf der Wanderung Proviant dabei zu haben. Jede und jeder ist verantwortlich, für die Verpflegung unterwegs zu sorgen. Es gibt keinen Catering-Service, der uns mit geschmierten Broten versorgt. Eigenverantwortlich zu sein, bedeutet, für mein eigenes geistliches Leben zu sorgen, selbst initiativ zu werden, um geistlich zu wachsen und nicht zu verhungern. Dass wir unterwegs unseren Proviant teilen und tauschen, ist ein wunderbarer Nebeneffekt. Dass wir immer etwas mehr dabei haben für die, die vielleicht gerade nicht genug dabei haben, ist selbstverständlich. Aber grundsätzlich gilt, dass erwachsener Glaube bedeutet, selbst die geistlichen Brote zu schmieren und einzupacken. Immer wieder wird es unterwegs Pausen geben – zum Feiern und zum Erholen. Heute ist eine solche kleine Pause. Wir haben 3 Monate diesen Gottesdienstsaal umgebaut, haben unsere Gottesdienste im Bürgerhaus verlebt. Jetzt sind wir wieder hier, freuen uns über diese Etappe und lassen zumindest heute die Putzeimer und Malerpinsel stehen und liegen. Wir feiern, dass Gott in unserer Mitte ist und uns Kraft bis hierhin geschenkt hat.
  • Wir erreichen die feste Stadt. Es wird die Vollendung in Ewigkeit sein. Der Hebräerbrief erwartete die Vollendung bald. Wir wissen heute, dass „bald“ ein dehnbarer Begriff ist. Doch freuen können wir uns schon darauf, als Gemeinde vor Gottes Thron zu sein, Jesus zu Füßen sitzen zu können, um ihm zuzuhören und in der Gemeinschaft der Liebenden für immer bleiben zu dürfen.
Gemeinde unterwegs in einem ortsfesten Gemeindezentrum
Von außen sieht uns niemand an, dass wir auf Wanderschaft sind. Wir haben eine Immobilie, und werden dadurch auch immobil. Mobil sind bei uns die Menschen, die sich zu diesem festen Ort regelmäßig aufmachen. Wie können wir ein ortsfestes Gemeindezentrum, in das wir gerade viel Geld investiert haben, mit unserer eigentlichen Durchreise vereinbaren? Ich möchte den Sinn unseres Gemeindezentrums an vier Punkten festmachen:
  • Gemeinde unterwegs braucht einen Ort der Sammlung. Wenn eine größere Wandergruppe beieinander ist, wird der Leiter immer wieder an größeren Lichtungen oder Plätzen anhalten, um der Gruppe Wissenswertes und Beachtenswertes weiterzugeben. Diese Funktion hat dieser Raum. Wir sammeln uns hier, um von Jesus Weisung zu bekommen, um Kraft zu tanken und uns korrigieren zu lassen, um anzubeten, Gemeinschaft zu erleben und gestärkt zu werden.
  • Gemeinde unterwegs hat Aufgaben. Sie soll Salz und Licht in ihrer Umgebung sein. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, braucht sie Raum. Der Raum sollte dem Auftrag entsprechen. Zum Beispiel würde niemand auf die Idee kommen, ein Schwimmbad als geeigneten Raum für eine Restaurantküche anzusehen. Jesus hat uns den Auftrag gegeben, andere zu ihm einzuladen. Dafür haben wir Platz geschaffen, das Licht optimiert und die Verstärkung renoviert. Jesus hat uns den Auftrag gegeben, Kindern und Jugendlichen aus unserer Umgebung Heimat zu geben. Darauf haben wir bei der Auswahl des Bodens und anderer Details geachtet. Sie können hier Gottesdienste und Kindererlebnistage feiern, auf dem Boden sitzen und sich wohl fühlen, ohne sich zu erkälten oder irgendetwas leicht kaputt zu machen.
  • Gemeinde unterwegs ist Babystation für neue Gotteskinder. Deshalb wollen wir das Gemeindezentrum so einladend gestalten, dass es signalisiert „Du bist willkommen“. Auch wenn es uns egal ist, wie die Wände gestrichen sind oder die Lampen Licht machen, so gehört auch das Äußere zu einem ersten Eindruck, der vermittelt, ob wir gastfreundlich auch die Bedürfnisse unserer Mitmenschen im Blick haben.
  • Gemeinde unterwegs ist Zeugnis für die Umgebung. Unsere Mitmenschen, die täglich an diesem Haus vorbei gehen, sehen, dass uns unsere Gemeinde etwas wert ist, wir nicht nur im eigenen Vorgarten tätig sind. Das Gemeindezentrum mit dem biblischen Namen Gottestreu ist für uns ein Ort, an dem wir Gott vielfältig danken, an dem wir ermutigt werden, Gutes zu tun, und an dem wir einüben, mit anderen zu teilen. So werden wir unserem Herrn Ehre und Freude machen.
Gott ist treu. Wir sind in seine Gemeinschaft berufen und dürfen in diesem Haus wieder neu seine Gegenwart erfahren. Er bleibt mit uns unterwegs zur zukünftigen Stadt.
Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_willkommen_unterwegs.htm