Wer hilft bei der Ernte? (Matthäus 9,35-38)
Gottesdienst am 1.11.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
ein netter Zeitvertreib ist für mich Kreuzwort-Rätseln. Bei manchen Fragen kenne ich die Antwort schon von den vorherigen Rätseln, z.B. wenn nach einem gegorenen Milchprodukt mit fünf Buchstaben gefragt wird. Immer lautet der erwartete Begriff „Kefir“. Auch bei der Frage nach einem Religionsstifter mit fünf Buchstaben ist der Erwartungshorizont klar, Jesus passt hinein. Auch während der paar Tage Urlaub in den Herbstferien ist mir dieser Begriff beim Rätseln wieder ins Auge gesprungen, und meine Gedanken gingen weiter. War Jesus wirklich ein Religionsstifter? Ist seine Mission damit richtig beschrieben? Und wer ist Jesus?

Dazu fand ich eine sehr kurze Zusammenfassung im Matthäus-Evangelium.

Matthäus 9,35-38
Jesus zog durch alle Städte und Dörfer des Landes. Er lehrte in ihren Synagogen und verkündete die Gute Nachricht vom Himmelreich. Und er heilte jede Krankheit und jedes Leiden. Jesus sah die große Volksmenge und bekam Mitleid mit den Menschen. Denn sie waren erschöpft und hilflos – wie Schafe, die keinen Hirten haben. Deshalb sagte er zu seinen Jüngern: »Hier ist eine große Ernte, aber es gibt nur wenige Erntearbeiter. Bittet also den Herrn dieser Ernte, dass er Arbeiter auf sein Erntefeld schickt!«

Was Jesus tat
Drei Schwerpunkte von Jesu Tätigkeit werden hier beschrieben:

  • Jesus lehrte
Jesus brachte in einer ersten Lektion den Menschen um ihn herum Gott nahe. Er nahm ihnen die Angst vor dem übermächtigen Herrscher der Welt und warb um ihr Vertrauen, sich auf Gottes Liebe einzulassen. Dazu gebrauchte Jesus oft Bilder. So verglich er Gott mit einem Bauern, der sät und erntet. Er nannte Gott einen Hirten, der seine Herde umsorgt und für jedes Schaf das Beste will. Er 
zeigte auf, dass Gott, wäre er ein Arbeitgeber, jedem Angestellten, jeder Angestellten soviel zahlen würde, dass es zu ihrem Lebensunterhalt reichen würde. Die Quintessenz dieser Bilder ist, dass Gott die Beziehung zu seinen Menschen sucht und aufrechterhalten will.

Eine zweite Lektion folgte. Jesus lud ein zum Mittun. Wie man es bei Gott erfahren hatte, so sollte man es leben, vergebungsbereit sein, großzügig teilen, Verantwortung für Menschen und Umgebung übernehmen und sich selbst nicht größer denken als den Mitmenschen. Jesus machte deutlich, dass das nur gelingen konnte, wenn man sich an Jesus band, auf ihn hörte und sich nach ihm orientierte. So würden die Lektionen fruchten, dass Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesu auf Gott schauten und darauf achteten, was die Nächsten brauchten.

  • Jesus brachte eine Siegesmeldung
Jesus erzählte den Leuten, dass eine neue Zeit, das Himmelreich, mit ihm angebrochen war. Gottes Sieg war in Jesus angebrochen. Das Böse, das in dieser Welt allgegenwärtig war und ist, würde nicht mehr ewig bestehen bleiben. 

Ich erinnere mich an ein spannendes Fußballspiel vor ein paar Jahren. Es ging um den Einzug in den Europapokal. Es war kurz vor Schluss. Ich hielt die Spannung vor dem Bildschirm nicht mehr aus und stellte in der Küche das Radio an, das war ein paar Sekunden schneller in der Übertragung. Als die Familie vor dem Fernseher noch zitterte, wusste ich schon die Siegesbotschaft zu verkünden. 

So spulte Jesus den Film vor. Er sagt: „Am Ende wird Gott siegen“, so verkündete er, „egal, wie viele Gegentore ihr hier einfangt. Vertraut darauf.“

  • Jesus heilte
Die Geheilten konnten ihren Nachbarn bezeugen, dass Gott sie in Jesu Blick angesehen hatte und ihnen geholfen hatte. Er hatte ihnen eine Spanne Leben dazu gegeben. Nicht, um einfach weiterzumachen wie vorher, sondern in Gottes Sinne Licht und Liebe in die Welt zu bringen. Sie wussten darum, dass sie zum Zeichen für diese neue Zeit wurden und Menschen an ihnen ablesen konnten, dass Gott es ernst machte mit seiner Zusage: „Ich bin bei euch“.

Der Sprung in unsere Zeit
Jesus war nicht nur Religionsstifter, der lehrte, den Sieg Gottes ankündigte und Menschen heilte. Er ist bis heute mit seinen Menschen auf dem Weg. Er schaut auf uns wie damals auf die Menschenmenge und empfindet Mitleid.

Da ist jemand erschöpft von allen Anforderungen des Lebens, von Arbeit, Beziehungsthemen, dem Kampf ums Überleben. Da ist eine hilflos. Sie müsste sich dringend um dies und das kümmern, aber sie hat nicht die leiseste Ahnung, wie sie es bewerkstelligen soll. Und jemand fragen? Das will sie auch nicht. Da ist jemand orientierungslos. Er weiß, dass der Weg gerade in eine Sackgasse führt. Aber er kann nicht erkennen, ob ein anderer Weg weiterführen würde. Und wohin soll die Reise überhaupt gehen? Da ist eine alleingelassen, und niemand merkt es. Keiner ruft an, keine klingelt an der Tür. Hat sie auch Gott allein gelassen, so fragt sie sich.

Jesus sieht den Erschöpften, die Hilflose, den Orientierungslosen und die Alleingelassene. Es ist ihm nicht egal, wie es in uns aussieht. Er steht uns bei und will unsere Situation ändern. Damals wie heute.

Erntehelfer gesucht
Im Frühjahr war das große Thema, dass die Erdbeeren und der Spargel reiften, aber die sonst zuverlässig anreisenden Erntehelfer aus östlichen Ländern nicht kommen durften. Die Ernte war reif, aber niemand konnte ernten. Manche Landwirte wurden kreativ. Sie errichteten provisorische Unterkünfte mit genügend Abstand für die Einzelnen, sie zahlten die Flüge, sie versuchten, Studierende zum Ernten anzuwerben. Das war ihnen die Ernte wert.

Jesus blieb nicht bei dem Mitleid stehen. Er wusste, dass die Menschen mehr brauchten als seinen Blick, sein Erbarmen und seine heilende Hand einmal im Leben. Sie brauchten andere, die sie in Kontakt zu Gott brachten, sie begleiteten, bestärkten, die ihnen helfen konnten, falsche Wege zu verlassen. Er nannte diese Leute Erntehelfer Gottes. Wer ist gemeint? Wohl die, die mit Jesus unterwegs sind, seine Nachfolgerinnen und Nachfolger, die schon erlebt haben, dass Jesus sie angesehen hat.

Eine ehrliche Antwort fordert Jesu Aufruf heraus. Ist mir Jesu Ruf, Menschen in Kontakt mit Gott zu bringen, so viel wert, dass ich wie die Bauern im Frühjahr kreativ werde und weder Mittel noch Wege scheue, um wenigstens mit ein paar Leuten zu Gott hin unterwegs zu sein? Bin ich bereit, bildlich gesprochen selbst auf die Knie zu gehen, und die „Erdbeeren“ für Gott zu pflücken?

Ich merke, wie ich lieber als Zuschauerin, neutrale Beobachterin darüber nachdenke, wie man die Ernte organisieren könnte: „Die Kirchen sollten, die Christen könnten doch, meine Glaubensschwester müsste eigentlich sehen, was jetzt dran ist!“

Doch Jesus will mich nicht als Beobachterin, sondern spricht mich hier ganz persönlich an. Er sagt mir:

  • Gerade in diesen kontaktarmen Zeiten suche diese eine Person in deinem Umfeld, die Gottes Blick braucht, Ermutigung, Zuwendung und Trost.
  • Hole dir täglich eine Portion Zuversicht bei Jesus ab und lebe damit. Du wirst sehen, nicht alles ist grau, beängstigend und schrecklich. Gott lässt sein Siegeslicht schon immer wieder zwischendrin aufblitzen. Nimm die kleinen Zeichen im Alltag wahr, die er dir schenkt.
  • In Momenten der Unsicherheit und des Zweifels rede mit Gott. Manchmal kann das Beten auch ein Ringen sein. Dabei wirst du merken, dass Gott dich festhält, auch wenn du nicht mehr kannst.
  • Lass dir helfen. Die Öffentlichkeit erwartet von Christen vor allem, dass sie ihren Nächsten helfen. Sie sehen in ihnen wandelnde Diakonie-Stationen. Aber du bist nicht besser als andere und brauchst genauso Hilfe. Vielleicht hilft es, die eigene Bedürftigkeit auch gegenüber Nicht-Christen zu nennen und ihnen zu zeigen, dass es nicht die eigene Kraft ist, sondern Gottes Kraft, die hält.
Sind wir bereit, Jesus nicht nur als Religionsstifter zu verehren, sondern uns von ihm ansehen, verändern, auf neue Wege führen zu lassen? Sind wir bereit, seine Erntehelfer zu sein? Dann wird Jesus uns wie die Jünger damals – nachzulesen in den nachfolgenden Versen – mit seiner Vollmacht ausstatten und losschicken.
Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_wer_hilft_bei_der_ernte.htm