Was ist Liebe? (1.Korinther 13,1-8)
Gottesdienst am 1.3.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
es war Valentinstag, und wir waren mit Jugendlichen zu einem Stadtspiel auf den Spuren Martin Luthers unterwegs. Durchgefroren setzten wir uns anschließend in ein Café. Ich freute mich auf meinen heißen schwarzen Kaffee, einige Kollegen bestellten auch Kuchen. Die Kuchenteller waren mit rosa glasierten Keksen verziert, sehr lecker sah das aus. Mein Nachbar nahm wohl meinen sehnsüchtigen Blick wahr und gab mir seinen Keks, den wir schließlich teilten.

Was ist Liebe? Diese kleine Alltagsbegebenheit lässt es schon sichtbar werden. Liebe ist, den anderen, die andere wahrzunehmen – meinen interessierten Blick auf den Keks - seine Bedürftigkeit zu erkennen – ich hatte nur schwarzen Kaffee vor mir – und darauf zu reagieren – er gab mir seinen Keks. Wer geliebt wird, weiß sich gesehen, erlebt Verbundenheit und teilt selbst aufgrund dieser Erfahrung.

In diesem Sinne lebte Jesus Liebe perfekt. Er sah Menschen, erkannte, was sie brauchten, reagierte. Und die Menschen wussten sich angenommen, verändert, und wurden bereit zum Weitergeben. Andere, denen er kritisch gegenübertrat, bekamen die Chance, ihre Haltung zu verändern, ihre Überzeugungen zu überdenken, einen neuen Anfang zu machen.

Wer Jesu Liebe empfangen hatte, glich einem gesunden Baum in stürmischen Zeiten. Er oder sie hatte Standfestigkeit, Sicherheit und Abwehrkräfte.

Es wird oft unterschieden zwischen dieser Gottesliebe, wie Jesus sie lebte, und der mit Erotik verbundenen Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen. Doch ist diese Unterscheidung wirklich so hart zu treffen? Meiner Beobachtung nach finden sich auch in der liebevollen Beziehung zwischen Gott und Mensch Aspekte des typischen Verliebtseins mit Schmetterlingen im Bauch. Wer neu zum Glauben kommt, sprüht vor Freude, sagt es jedem weiter, ritzt es in jede Baumrinde und kann gar nicht genug von Jesus bekommen. Er oder sie ist buchstäblich entflammt wie ein Streichholz, das am Anfang Funken sprüht und allmählich ruhiger abbrennt. Eine Klassenkameradin von mir bemalte ihre Hosen mit Fischen, die auf Jesus deuteten. Sie wollte es allen sagen, dass sie Jesus gefunden hatte.

So finden wir in den Aussagen, die Gottes Liebe zu uns und umgekehrt charakterisieren, Anklänge an Liebeserfahrungen aus dem ganz normalen alltäglichen Leben. Ja, die zwischenmenschliche Liebe hat wohl ihre Quelle in Gottes Liebe und wird aus ihr gespeist.

Ein Abschnitt aus dem 1.Korintherbrief steht für die Liebe, die Paulus umfassend beschreibt.

1.Korinther 13,1-3
Stellt euch vor: Ich kann die Sprachen der Menschen sprechen und sogar die Sprache der Engel. Wenn ich es ohne Liebe tue, klinge ich wie ein dröhnender Gong oder wie ein schepperndes Becken. Oder stellt euch vor: Ich kann reden wie ein Prophet, kenne alle Geheimnisse und habe jede Erkenntnis. Oder sogar: Ich habe einen Glauben – so fest, dass er Berge versetzen kann. Wenn ich dabei keine Liebe empfinde, bin ich nichts. Stellt euch vor: Ich verteile meinen gesamten Besitz. Oder ich bin sogar bereit, mich bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen. Wenn ich es ohne Liebe tue, nützt mir das gar nichts.

Was ist Liebe?
In Korinth gab es viele engagierte Christen. Der Heilige Geist hatte sie begabt. Sie konnten prophetisch reden, lehren, predigen, heilen und noch Vieles mehr. Aber Paulus hatte den Verdacht, dass die Leute die Gemeinde als Bühne brauchten, um ihre Gaben und Talente zur Schau zu stellen. Sie wetteiferten, was die besten Gaben waren, und schielten nach Applaus oder nach der Auszeichnung „Bester Mitarbeiter des Monats". 

Bei einem Hausbesuch sah ich eine wunderschön gehandarbeitete Patchworkdecke an der Wand hängen. Wir schauten sie gemeinsam an und dachten nach über die Bedeutung der einzelnen Stoffstücke. Wir erkannten uns in ihnen wieder. Wir fragten uns, was ist denn das Wichtigste an dieser Decke? Erstaunlich war unsere Erkenntnis. Das völlig unsichtbare Garn, das die einzelnen Stücke verband, war bei dieser Decke das Wichtigste. Man hätte vielleicht noch ein fehlendes Stoffteil ersetzen können oder eben einfach eine Lücke gelassen, aber ohne Garn wäre alles auseinandergefallen. Die Stoffteile hätten keine Einheit bilden können, es hätte kein Muster gegeben. Dieses Garn, so würde ich es übertragen, ist die Liebe. 

Paulus hätte die Gemeinde wohl auch mit einer Patchworkdecke vergleichen können. Jeder und jede ist mit ihrer Gabe ein Stück Stoff und Teil des Ganzen. Wäre sie oder er nicht, würde in der Decke ein Loch sein, andere müssten den Raum füllen. Jesus schenkt das Garn, die Liebe, die alle verbindet. Das Ziel des Miteinanders ist wie bei einer Decke, der Welt Wärme zu geben, sie mit Gottes Liebe zu umhüllen und zu durchdringen. Die Decke ist nie fertig, es können neue Patchworkstücke angesetzt werden, vielfältige Erweiterungsmöglichkeiten bietet sie. 

1.Korinther 13,4-8
Die Liebe ist geduldig. Gütig ist sie, die Liebe. Die Liebe ereifert sich nicht. Sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf. Sie ist nicht taktlos. Sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie ist nicht reizbar. Sie trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht. Aber sie freut sich, wenn die Wahrheit siegt. Sie erträgt alles. Sie glaubt alles. Sie hofft alles. Sie hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.

Wie äußert sich Liebe?
Wie eine Überschrift formuliert Paulus: Die Liebe ist geduldig und gütig. In dieser Aussage wird Jesus erkennbar. Er thematisierte die Geduld Gottes in seinen Gleichnissen. Der Sämann wartete geduldig, bis das Saatkorn aufging. Der Vater wartete auf seinen verlorenen Sohn. Die Frau wartete, bis der Sauerteig das Mehl durchsäuert hatte. Jesus setzt uns nicht unter Druck, ihn zu lieben. Er lässt uns das ganze Leben Zeit. So geschieht Lieben, mit Geduld. Sie wendet sich dem Gegenüber zu, ohne die Antwort zu erzwingen. Sie hat Zeit und will das Gute für den anderen, das, was ihm wirklich hilft.

Paulus formuliert nun Abgrenzungen. Ob sie für uns zutreffen, können wir ganz persönlich beantworten, daran einen Haken machen und genauer hinschauen.
Liebe heißt:

  • Nicht (er)eifern. Vielleicht ist mit diesen Begriffen eine egoistische Liebe gemeint, die den anderen, die andere für sich will und sie als Besitz vereinnahmt. Im Extremfall könnte es bedeuten, die Freundin einzusperren, damit sie nur ja niemand anderes kennenlernt.
  • Nicht prahlen. Mir fallen dazu Spenderlisten ein. Man hat den Eindruck, manche spenden, damit ihr Name und die Höhe ihrer Zuwendung abgedruckt werden. „Seht her, so lieb bin ich!“
  • Nicht um des eigenen Vorteils willen. In der Zeitung las ich von einem Heiratsschwindler. Seine Masche war, Frauen seine Liebe vorzuspielen, und sie zahlten. Er gab vor, die Frauen zu lieben, um an ihr Geld zu kommen.
  • Nicht reizbar. Nie war ich mit meiner Liebe reizbarer, als in der Zeit, als die Kinder klein waren. Sie kannten genau den Knopf, der mich an die Decke gehen ließ. Es war für mich eine intensive Lernzeit, mich zu beherrschen, Strategien zu entwickeln, um vor der Explosion reagieren zu können. Denn diese emotionalen Gewitter können so viel zerstören.
  • Das Böse nicht nachtragen. Wahrscheinlich denken wir, dass wir vergeben können und so gar nicht zu der nachtragenden Sorte Mensch gehören. Doch uns entlarven Aussagen wie „immer musst du“, „schon wieder hast du“, „wie damals bist du“. Wir haben vielleicht im Kopf vergeben, aber nicht im Herzen, da schmort die Vergangenheit und kommt immer in den vergleichbaren Situationen hoch und erinnert uns an längst Vergebenes.
  • Keine Schadenfreude. Es muss ja nicht gleich Schadenfreude sein, schon eine Wettbewerbsmentalität widersteht der Liebe. Ich muss nicht besser sein als du. Ich kann mich freuen, wenn die beste Mannschaft gewinnt, auch wenn es nicht meine ist. 
Paulus fasst die Liebe mit vier Aussagen zusammen:
  • Alles erträgt die Liebe, wie Jesus ertragen hat, abgelehnt und verfolgt zu werden.
  • Alles glaubt die Liebe, wie Jesus sein ganzes Vertrauen auf Gott setzte.
  • Alles hofft die Liebe, wie Jesus für jeden noch so hoffnungslosen Fall Mensch gehofft hatte.
  • Allem hält die Liebe stand, wie Jesus trotz Tod am Kreuz nicht aufhörte zu lieben und zu vergeben.
Niemals hört diese Liebe auf, denn sie kommt direkt von Gott und führt zu ihm in die Ewigkeit.

Weiterkommen in der Liebe 
Wir drücken wahrscheinlich ein Leben lang die Schulbank und lernen Liebe, ohne sie jemals so zu leben, wie Jesus es tat . Die vollmundigen Äußerungen der Liebe kennen wir, doch können wir sie nicht Tag für Tag umsetzen.

Doch wir hören die Zusage. Jesus gibt uns das Garn dieser Liebe in die Hand. Wir können mit seiner Hilfe verbinden, zusammenwachsen und unsere Welt wärmer machen.

Das gilt in den kleinen Einheiten von Freundschaft, Partnerschaft, Familie und auch in der Gemeinde. 
Wir können – zwar noch in der Schule – aber trotzdem die nächste Klasse erreichen. Dazu hilft es, einzelne Lektionen zu vertiefen:

  • Liebe tanken. Da die Liebe von Gottes unerschöpflicher Quelle gespeist wird, ist es sinnvoll, sie wie ein Schwamm aufzunehmen und sich von ihr füllen zu lassen. Die Passionszeit ist dafür vielleicht eine gute Gelegenheit. Nicht nur zu fasten, leer zu werden, sondern sich auch von Jesus füllen zu lassen, wird viel verändern. Den Tag können wir beginnen mit dem Satz: „Jesus, gib mir die Portion Liebe, die ich heute brauche.“ Damit öffnen wir den Verschluss unserer Seele und lassen die Liebe Gottes ein.
  • Mich selbst lieben. Bei unserem Jugendseminar-Abschlussgottesdienst gab es verschiedene Stationen, die die Jugendlichen aufsuchen konnten. Bei einer bekamen sie einen kleinen goldenen Taschenspiegel in die Hand und sollten sich wohlwollend betrachten. Eine gute Übung, dachte ich, nicht nur für Jugendliche. Ich betrachte mich mit meinen schönen Seiten, aber auch den Narben, Wunden, Lebenslinien, dem Störenden und von mir eigentlich nicht Geschätztem. Und ich schaue mich an und mache mir klar, dass Jesus mich genauso liebt. Wenn er es kann, darf ich es auch.
  • Mir einen Menschen von Jesus zeigen lassen. Die Menschen, die ganz nah an meinem Herzen sind, liebe ich. Den Kreis kann ich weiter ziehen und aufmerksam sein für eine Person, die mir nicht unbedingt in den Kopf kommt beim Thema Liebe, aber die Jesus mir in den Weg stellt. Ich kann für diese Person beten, in Gedanken sie begleiten, mir etwas Nettes für sie ausdenken und einfach neugierig darauf warten, ob sich unsere Beziehung verändert. Ob Liebe zwischen uns beginnt zu fließen.
  • Offen sein für Veränderung. Meine Mitmenschen können sich durch Gottes Liebe genauso verändern wie ich. Ich muss nicht die ganze Welt lieben, aber in meinem Patchwork-Quadrat bin ich gefragt, den Faden in die Hand zu nehmen und ihn fester zu ziehen, sodass noch viel mehr Menschen eingebunden werden in die Gemeinschaft, die Jesus dazu bestimmt hat, Liebe und Wärme in diese Welt zu bringen.
Die Liebe erträgt alles. Sie glaubt alles. Sie hofft alles. Sie hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“
Cornelia Trick


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