Tagesordnung Jesu (Lukas 4,14-30)
Gottesdienst am 11.2.2018 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
manche erinnern sich wahrscheinlich an ihren ersten Arbeitstag besser als an die folgenden unzähligen weiteren Tage Arbeit. Ich sehe zum Beispiel noch meine erste Predigt vor mir, Paulus vor Damaskus, und meinen Schwerpunkt, dass Gott uns alle gebraucht für die Gestaltung dieser Welt. 

Erste Arbeitstage sind geprägt von einer Spannung: Was wird von mir erwartet? Wie kann ich mich am besten einfügen? Wie sind meine ersten Begegnungen mit Kollegen, Vorgesetzten, Kunden? So war es sicher auch bei Jesus. Über seinen ersten Tag im Dienst berichtet uns die Bibel im Lukasevangelium. Dem Evangelisten ging es nicht um ein minutiöses Protokoll dieses Tages, sondern er berichtete von Jesu Tagesordnung, die er im Laufe der nächsten Monate und Jahre entfaltete. Der erste Tag stellt schon die Hinweisschilder auf, die in Richtung von Jesu weiterem Weg zeigen. 

Lukas 4,14-21
Erfüllt mit der Kraft des Heiligen Geistes kehrte Jesus nach Galiläa zurück. Die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in den Synagogen und alle sprachen mit höchster Achtung von ihm. So kam Jesus auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er wie immer in die Synagoge. Er stand auf, um aus den Heiligen Schriften vorzulesen, und der Synagogendiener reichte ihm die Buchrolle mit den Worten des Propheten Jesaja. Jesus rollte sie auf und wählte die Stelle aus, an der es heißt: »Der Geist des Herrn hat von mir Besitz ergriffen, weil der Herr mich gesalbt und bevollmächtigt hat. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Misshandelten soll ich die Freiheit bringen, und das Jahr ausrufen, in dem der Herr sich seinem Volk gnädig zuwendet.« Jesus rollte das Buch wieder zusammen, gab es dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge blickten gespannt auf ihn. Er begann und sagte: »Heute, da ihr dieses Prophetenwort aus meinem Mund hört, ist es unter euch in Erfüllung gegangen.«

Vollmacht
Im normalen Synagogengottesdienst war es damals üblich, dass die Teilnehmer selbst zu Verkündigern wurden. Ihnen wurde eine Schriftrolle mit biblischem Text in die Hand gedrückt, von der sie einen Abschnitt ablesen und, wenn sie wollten, gleich noch eigene Gedanken anfügen konnten. Jesus nutzte diese Chance. Vorab wird uns vom Evangelisten mitgeteilt, dass er nicht als Zimmermannssohn hier sprach, sondern in göttlichem Auftrag. Der Geist Gottes war mit ihm, Gottes Hand lag auf ihm und gab seinen Worten die Unterschrift.

Die Leute in diesem Gottesdienst hörten ihn und spürten seine Vollmacht. Großartig war das. Endlich machte jemand mal eine klare Ansage. Es war keine Recherche nötig, ob noch ein besserer Heilsbringer kommen könnte. Jesus war das Gesicht Gottes, kein Zweifel. 

Auf der anderen Seite machte sich auch Skepsis breit. Konnte man ihm wirklich trauen? Konnte nicht jeder von sich behaupten, dass er Gottes Ansagen machte? Ohne Beweise war es ja nur schwer zu glauben, dass dieser allen bekannte Sohn Josefs nun der lang ersehnte Messias sein sollte.

Die Skepsis der Zuhörenden war nur zu verständlich. Uns würde es wohl nicht anders gehen. 

Die Vollmacht Gottes ist auch den Jüngern Jesu seit Pfingsten zugesagt. Die Gemeinde ist Geistträgerin und bringt die gute Nachricht von Gottes Liebe in die Welt. Die spannende Frage ist, wie wir diese Vollmacht leben können. An Jesus lesen wir ab, dass sich Vollmacht in Mut ausdrückt. Jesus war mutig, auch gegen Widerstand seine Botschaft weiterzugeben. Der Geist Gottes gibt auch uns Standvermögen, für unseren Glauben einzutreten. Vollmacht drückt sich auch in Gottvertrauen aus. Wir sind auf Gottes Wegen unterwegs, wir wissen nicht immer, wo uns diese Wege hinführen. Manchmal scheint es, als wären die Wege zu kurz, zu verschlungen oder zu dunkel. Erst im Nachhinein sehen wir oft, wohin Gott uns geführt hat und wo er uns braucht. Sein Geist hilft uns, auch in unsicheren Zeiten nicht aufzugeben. Vollmacht zeigt sich auch in ihren Auswirkungen. Wer mit Gottes Vollmacht unterwegs ist, bringt Gottes Sache voran, wird in seinem Alltag durchscheinend für Gottes Gegenwart. Die Menschen in der Umgebung werden uns abspüren, wes Geistes Kind wir sind.

Lukas 4,22-24
Alle spendeten seiner Rede Beifall und staunten über die Botschaft von Gottes rettender Gnade. Aber sie wunderten sich, so etwas aus seinem Mund zu hören, und sagten zueinander: »Ist das nicht der Sohn Josefs?« Da sagte Jesus zu ihnen: »Sicher werdet ihr mir jetzt mit dem Sprichwort kommen: 'Arzt, hilf dir selbst! Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Vaterstadt!' Aber ich versichere euch: Kein Prophet gilt etwas in seiner Heimat.

Obwohl wir die Nazarener wohl nicht verurteilen können, weil wir uns in ihnen wiedererkennen, war die Reaktion von Jesu Seite aus enttäuschend. Er wollte Gott in ihr Leben bringen, sie an Gottes Weisheit, Kraft und Stärke anschließen, sie in die Freiheit führen – und sie fragten nach seinem Ausweis. 

Den Armen die Gute Nachricht bringen
Jesus kam zu ganz konkreten Menschen, zu Armen, Kriegsgeschädigten, Blinden und Traumatisierten. Sie waren allesamt Opfer von Krankheiten und den Zuständen der damaligen Gesellschaft. Interessant ist, dass er keine Soforthilfe im Gepäck hatte. Nur einige Wenige wurden geheilt, die Mehrzahl der Kranken blieb weiter krank. Auch stellte er keine Schecks für die Bedürftigen aus und schuf keine neuen Arbeitsplätze. Er hatte selbst nichts, was er weitergeben konnte, außer sein Angebot, sich ihm anzuschließen und das Leben mit ihm zu teilen.

Sind wir als von Jesus Bevollmächtigte unterwegs, so stellt sich auch für uns die Frage, zu wem wir geschickt sind. Offensichtlich auch zu denen, die in Gottes Augen „arm“ sind. Sicher werden wir ihnen konkret helfen, wie der Barmherzige Samariter dem Überfallenen geholfen hatte. Aber noch wichtiger scheint die Wegbegleitung zu sein, zu der wir sie einladen. Mit einem Menschen Zeit zu verbringen, der gerade durch eine schwere Zeit geht, ist so wichtig. Da entspinnen sich ganz selbstverständlich Gespräche über die Höhen und Tiefen des Lebens, da werden Erfahrungen mit Leid ausgetauscht, da ist Raum für Gotteserfahrungen, Jesusbegegnungen und neue Anfänge.

Vielleicht scheuen wir uns davor, in solche Beziehungen zu investieren. Wir wollen dem anderen, der da in unserer Firma traurig rumhängt, nicht zu nahe treten. Wir wissen nicht genau, was wir sagen sollen. Doch darüber müssen wir uns im Vorfeld eigentlich gar keine Gedanken machen. Jesus schickt uns, er gibt uns Vollmacht, er ist doch immer schon vorausgegangen und hat die Herzenstür geöffnet. Und wenn eine Begegnung mal im Sande verläuft, ist das auch nicht schlimm. Es wird vielleicht ein anderer den angefangenen Beziehungsfaden aufgreifen und weiterspinnen.

Das Gnadenjahr des Herrn verkünden
Im alten Israel gab es die Einrichtung des Sabbatjahres, alle sieben Jahre wurden die Felder brach liegen gelassen und alle 7x7 Jahre wurden zugewonnene Grundstücke wieder den ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben, gewährte Kredite verfielen, alles wurde wieder auf Anfang gesetzt. 

Dieses Jubeljahr, das Gnadenjahr des Herrn, nimmt Jesus als Erklärung für sein Wirken. Er ist gekommen, um alles wieder auf Anfang zu setzen. Damit sind bei ihm nicht Grundstücke und Eigentumsverhältnisse aller Art gemeint, sondern die Beziehung zu Gott. Die Schulden, die sich auf unserer Seite der Waage aufgetürmt haben, werden vergeben, die Waage ist wieder ausgeglichen, die Beziehung zu Gott bereinigt. Jesus ist das personifizierte Gnadenjahr, er macht den neuen Anfang möglich. Weil er die Beziehung zu Gott heilt, werden auch unsere anderen Belastungen an Schwere verlieren. Wir können neu anfangen, mit unseren Liebsten, mit denen, die uns verletzt haben, mit denen, mit denen wir noch Rechnungen offen haben. 

Dieses Gnadenjahr verkündete Jesus den Menschen in Nazareth, es stand ganz oben auf seiner Tagesordnung. Uns gibt er diese Tagesordnung in die Hand und fordert uns auf, nach ihr zu leben. Wir können zum Anfang zurück, eine neue Richtung einschlagen, seelische Hypotheken loswerden. Wir können andere dazu ermutigen, sich Jesus anzuvertrauen und dort Entlastung zu erfahren.

Oft merken wir erst im Nachhinein, wie uns die Lasten gedrückt hatten. Wie wenn man den ganzen Tag einen schweren Wanderrucksack auf dem Rücken hatte und ihn abends abwirft. Wir können auf einmal wieder frei atmen und uns zu voller Größe aufrichten. Unser Herr steht hinter uns, er steht für uns ein, unsere Lasten liegen nun auf seinen Schultern, und er kümmert sich darum.

Lukas 4,25-30
Ja, ich muss euch noch mehr sagen: Zur Zeit des Propheten Elija lebten viele Witwen in Israel, damals, als es dreieinhalb Jahre lang nicht regnete und im ganzen Land große Hungersnot herrschte. Trotzdem wurde Elija zu keiner von ihnen geschickt, sondern zu einer Witwe in Sarepta im Gebiet von Sidon. Und zur Zeit des Propheten Elischa gab es viele Aussätzige in Israel; aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman.« Als die Menschen in der Synagoge das hörten, wurden sie wütend. Sie sprangen auf und trieben Jesus aus der Stadt hinaus, bis an den Rand des Berges, auf dem Nazaret liegt. Dort wollten sie ihn hinunterstürzen.  Aber Jesus ging mitten durch die Menge hindurch und zog weiter.

Gesandt zu den Fremden
Auf der Tagesordnung steht nicht nur Vollmacht und Entlastung, sondern als weiterer Punkt, dass dieses Gnadenjahr nicht nur den Eigenen galt, sondern gerade auch den Fremden, die nicht zum Volk Israel gehörten.

Ich stelle mir die Frage: Gehöre ich zu den Nazarenern oder zu den Fremden? Gehe ich davon aus, dass Jesus nur für mich, nur für meine Gemeinde, meinen Ort da ist? Verstelle ich mich dem Auftrag, mit ihm zu den Menschen über die Vertrauten hinaus zu gehen?

Jesus wird auch ohne mich zu denen gehen, die ihn noch nicht kennen. Er hat Mittel und Wege, die weit über unsere Möglichkeiten hinausgehen. Doch ich möchte nicht, dass er auch hier mitten durch geht und uns stehen lässt. 

So höre ich den ganz starken Aufruf, mich mit ihm auf den Weg zu machen, die Menschen zu erreichen, die dieses Gnadenjahr so nötig haben, die Entlastung brauchen und sie bei Jesus finden können. Ich möchte mit offenen Augen durch meine Welt gehen und mir zeigen lassen, wo die Frau aus Sarepta oder Naaman, der Syrer, sind. 

Die Tagesordnung Jesus wird so zu meiner Tagesordnung:

  • Jesus das abzugeben, was auf mir lastet, und den neuen Anfang zu wagen.
  • Ihm zu vertrauen und das Leben nach ihm auszurichten.
  • Mutig zu sein, für seine Sache einzutreten und Menschen kennenzulernen, die ein Gnadenjahr des Herrn dringend brauchen.


Jesus sagt: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. (Matthäus 11,28)

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_tagesordnung_jesu.htm