Gottesdienst mit Gliederaufnahme
am 28.09.2003
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
wenn wir zu einer schwierigeren Bergtour aufbrechen,
ist unser Kompass ein unverzichtbarer Begleiter. Heute werden Menschen
in unserer Gemeinde in die verbindliche Kirchengliedschaft aufgenommen. Was vor ihnen liegt, ist vielleicht einer Bergtour vergleichbar.
Sie brechen auf in ein neues Gelände, sie erhoffen sich wunderbare
Wiesen zum Rasten, Ausblicke und Nervenkitzel beim Klettern in unwegsamem
Gelände, sie freuen sich auf Gipfelerlebnisse. Aber sie haben auch
ein wenig Angst. Werden sie den Herausforderungen unterwegs gerecht werden
können? Werden sie immer den richtigen Weg finden? Was, wenn sie den
Anschluss verlieren und sich verirren? Wenn Nebelbänke aufziehen und
die Sicht nach oben verhüllen?
So möchte ich heute mit Ihnen über
den Kompass nachdenken, der auch ins Gepäck von uns Christen gehört.
Jesus sagte seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern ein Wort, dass ich in
diesem Zusammenhang als "Kompasswort" bezeichnen möchte.
Matthäus 6,33
Sorgt euch zuerst darum, dass ihr euch Gottes Herrschaft
unterstellt und tut, was er verlangt, dann wird er euch schon mit all dem
anderen versorgen.
Die Mitte des Kompass

Was ist das Wichtigste am Kompass? Dass die Nadel
frei schwingen kann.
Stellen Sie sich vor, sie haben einen perfekten
Kompass in der Hand. Die Richtungen sind deutlich markiert, das Gehäuse
ist intakt, mit einer Schnur lässt er sich leicht am Gürtel befestigen.
Einziger Nachteil, die Nadel klemmt und bewegt sich nicht von selbst. Kein
Problem, denken Sie beim Aufbruch. Ich halte sie immer dem Nordgipfel entgegen,
dann kann ich mich auch so orientieren. Das geht solange gut, bis der Blick
auf den Nordgipfel versperrt ist. Im Nu werden Sie orientierungslos, bald
panisch und entsetzt, denn sie kommen in immer unwegsameres Gelände,
bald klettern Sie im 5. Grad ... wenn das mal gut geht.
Es kommt mir so vor, als ob wir unsere Kompassnadel
des Lebens öfter mal absichtlich festsitzen lassen. Wir haben unseren
persönlichen Nordgipfel klar vor Augen. Da wollen wir hin, auf dem
schnellsten Wege. Solch ein Nordgipfel kann durchaus ein frommes Ziel sein:
-
die Gruppe, in der wir mitarbeiten, voranzubringen
-
einen nahe stehenden Menschen zu Jesus Christus
zu führen
-
die Gemeinde mit Ideen und Kreativität aufzupeppen
-
selbst im Glauben zu wachsen.
Aber solange unsere Kompassnadel fest sitzt, können
wir nicht überprüfen, ob wir auf ein Ziel zugehen, das Gott uns
zeigt, oder doch eher unsere eigenen Ziele im Blick haben. Mit der Kompassnadel
als Attrappe lässt es sich gut leben, brenzlig wird es erst, wenn
der Weg unklar wird. Die Gruppe löst sich auf, weil viele wegziehen
oder keine Lust mehr haben. Die nahe stehenden Menschen kommen trotz Beten
und Reden nicht zum Glauben, die Gemeinde hat ihre eigenen Vorstellungen
von Pep und das geistliche Leben geht im Berufsstress baden.
Dann ist es nötig, die Nadel wieder frei
zu bekommen. Um unsere Orientierungsnadel frei schwingen zu lassen, brauchen
wir Offenheit, dass Gott uns in Jesus Christus begegnet. Das heißt
nicht, dass wir seinen Gipfel sofort erkennen. Aber es ist ein Schritt,
ihm zu vertrauen und unsere selbstgebastelten Ziele loszulassen.
Die Kompassnadel

Was passiert mit der frei schwingenden Nadel? Sie
wird vom magnetischen Feld des Nordpols angezogen.
Die Nadel muss sich nicht selbst auf die Suche
nach ihrem Ziel machen, sie wird vom Ziel angezogen. Das ist für mich
eine ganz wesentliche Aussage. Wir können uns entscheiden, unser Leben
auf Gott auszurichten, aber wo Gott zu finden ist, dass zeigt er uns. Er
hat das größte Interesse daran, dass wir auf ihn aufmerksam
werden und unsere Ziele, die sich als Sackgassen entpuppen, fahren lassen.
Er ist in seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden,
um uns auf ihn auszurichten. Jesu Leben, Jesu Sterben und seine Auferstehung
sind Hinweise darauf, dass Gott uns liebt und selbst alles Trennende überwinden
will, sogar den Tod als letzten Feind des Lebens.
Unsere Nadel auf Gott einzunorden ist der Anfang
einer Liebesbeziehung, in der Gott uns festhält, uns mit seiner Fürsorge
umgibt und uns den Weg vor Augen führt, der uns immer näher zu
ihm bringt. Je länger wir dieser Liebesbeziehung trauen, je mehr Erfahrungen
sammeln wir, dass wir uns wirklich auf Gott verlassen können.
Der Norden

Wozu ist die Kompassnadel eingenordet? Damit wir
uns in alle Himmelsrichtungen orientieren können.
Die Liebesbeziehung zu Gott ist der Anfang. Damit
ist der Weg in die Zukunft noch nicht bewältigt. Jetzt geht es darum,
das eigene Leben danach auszurichten. Dazu sind Kurskorrekturen notwendig.
Sie betreffen
-
das Denken: Immer wieder bewegen wir die Frage,
was wir wollen und was Gott will. In vielen Fällen ist die Antwort
nicht besonders schwer. Er will, dass es uns und unseren Mitmenschen gut
geht. Er will, dass wir in Frieden leben, Vergebung praktizieren, Geduld
aufbringen und anderen zuvor kommend begegnen. Aber es gibt eben auch die
anderen Fälle, wo es alles andere als klar ist. Soll der Angestellte
die Stelle in der fernen Stadt annehmen, um seine Familie ernähren
zu können? Will Gott, dass er die Gemeinde verlässt? Will Gott,
dass die alte Dame zu ihrer Tochter zieht? Ist das auch Gottes Willen für
die Tochter oder entspringt es der eigenen Sehnsucht nach Geborgenheit
in der Familie? Will Gott, dass die Jugendliche diesen Beruf ergreift und
nicht jenen? Und welcher von beiden lässt sie ihr Christsein besser
leben? Hier genau setzt Gott an und hilft, Entscheidungen in seinem Sinne
zu treffen. Er fordert uns heraus, die Fragen zu bearbeiten, aber er lässt
uns nicht damit allein.
-
die Lebensumstände: Wenn wir wissen, wo Norden
ist, können wir uns um die übrigen Himmelsrichtungen kümmern.
Da kann es sein, dass wir merken, diese Freundschaft, die doch so vielversprechend
begann, führt auf Abwege. Sie ist angesichts der neuen Orientierung
nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sie zieht weg von der Zielbestimmung.
Vielleicht merken wir auch, dass wir ständig gehetzt werden von den
Erwartungen anderer. Wir hören zwar Gottes Weisung, aber eben auch
die vielen anderen Weisungen. Da will jemand mehr Effektivität am
Arbeitsplatz, ein anderer findet, man sollte sich mehr in der Gemeinde
orientieren und die Frau zu Hause ist sauer, dass man nie Zeit für
sie hat. Zeitgleich fordert ein Freund noch Mitarbeit beim Renovieren und
die Kinder stehen auf der Matte und wollen Zuwendung. Wer so gehetzt wird
von allen Seiten, kann kaum noch den Gipfel im Auge behalten. Er läuft
im Zickzackkurs von Verpflichtung zu Verpflichtung und fällt irgendwann
erschöpft um. Die Lebensumstände zu korrigieren, heißt
bei diesem Mann, seinen eigentlichen Weg wieder zu finden und sich nicht
von ihm abbringen zu lassen.
-
die Handlungen: Das Denken bestimmt das Handeln.
Wenn uns klar wird, was Gott von uns will und wir die Lebensumstände
auf ihn ausgerichtet haben, sollten wir auch so handeln. Aber das fällt
oft schwer. Zu erkennen, dass Gott will, dass ich ihm meine Finanzen unterstelle,
bedeutet noch lange nicht, mein Geld den Armen zu geben. Wenn Gott mir
die Gabe der Lehre geschenkt hat, muss ich nicht zwangsläufig diese
Gabe einsetzen. Und wenn die Sonntagsschulmitarbeiter noch so inständig
um neue Leute bitten, den Schuh brauche ich mir doch nicht anzuziehen ...
Genau an der Stelle könnte die Kompassnadel ganz schnell festrosten.
Ich nehme den Nordpol wieder selbst in die Hand, bestimme Gottes Willen
für mich und werde irgendwann nahe dem Abgrund landen. Die Handlungen
entscheiden, ob ich mich wirklich auf Gott ausrichten lasse, oder nur den
Kopf in die richtige Richtung drehe.
Die eingenordete Kompassnadel lässt uns unsere
Berufung entdecken. Diese Berufung ist wie ein roter Faden in unserem Leben.
Ich kenne mir nahe stehende Menschen, die schon früh ihre Berufung
von Gott her erkannt haben und danach leben. Sie sind sehr erfüllte
Menschen. Sie können an ihren ganz verschiedenen Orten anderen etwas
von ihrem Glauben weitergeben. Sie sind nicht stressfrei und ohne Sorgen.
Auch ihr Leben kennt Höhen und Tiefen. Aber sie sind sehr gewiss auf
dem von Gott vorgegebenen Weg zu sein. Das gibt ihnen Kraft und Perspektive.
Wie diese Menschen - und auch ich selbst - zu
dieser Berufung gekommen sind? Es war nicht bei allen gleich. Manche haben
sie schon in der Jugendzeit gehört, andere haben sich durch undurchsichtiges
Gelände gehangelt, bis sie den Blick nach vorne frei bekamen oder
haben ihre Berufung im Zusammenhang ihrer Entscheidung für Gott gehört.
Es gibt keinen vorgeschriebenen Ablauf, aber es gibt einen Moment, da weiß
man, jetzt ist es dran, das ganze Leben auf Gott so auszurichten, dass
es Gott die Ehre gibt.
Der Spiegel unter dem Kompass

Wozu ist ein Spiegel unter dem Kompass angebracht?
Um die Richtung immer im Blick zu haben.
Der Spiegel unter dem Kompass ist für mich
die Bibel, das Gebet, die Gemeinschaft der Gemeinde. Die Berufung muss
gelebt werden. Als einzelne auf uns gestellt sind wir damit leicht überfordert.
Wir brauchen Jesus Christus, der uns vielfältig anspricht und uns
die nötige Kraft schenkt, sei es durch Worte der Bibel, durch ein
Gebet oder Freunde, die in der Gemeinde unseren Weg begleiten.
Eine Frau, die heute im Gottesdienst auch getauft
wird, drückt es mit ihrem selbstgewählten Taufspruch so aus:
Paulus schreibt: Ich habe gelernt, mir genügen
zu lassen, wie's mir auch geht. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein;
mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides,
Überfluss haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der
mich mächtig macht. Philipper 4,11-13
Paulus machte die Erfahrung, dass seine Berufung
ihm keinen Spaziergang im Sonnenschein bescherte. Aber er erlebte, dass
die Liebesbeziehung zu Jesus Christus ihn trug. Darin ist er uns Vorbild
und Leitbild, uns, die wir neu auf dem Weg sind, uns, die wir schon eine
Strecke gelaufen sind. Jesus Christus ist der Magnet, der unsere Kompassnadel
anzieht und uns hilft, das Leben auf Gott auszurichten.
Cornelia
Trick
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