Nichts kann uns trennen ...
Gottesdienst am 13.08.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
im Urlaub bin ich auf das Buch "Wo ist Walter?" aufmerksam geworden. Es ist ein Wimmelbuch mit vielen kleinen Figuren. Wo ist Walter?Jede Seite enthält verschiedene kleine Figuren in unterschiedlichen Situationen, eine davon ist Walter. Aufgabe ist nun, den Walter unter den vielen anderen Leuten zu finden. Von Seite zu Seite wird das Finden schwieriger. Auf der letzten Seite habe ich wirklich lang gebraucht, bis ich Walter endlich fand. 

Dieses Buch ist ein gutes Beispiel für mein Leben mit Jesus Christus. Es gibt Tage und Zeiten, da ist Jesus ganz leicht zu finden. Ich sehe ihn auf den ersten Blick. Unsere Verbindung ist fest und sicher, er gibt mir die klare Orientierung. Aber es gibt auch die anderen Seiten, auf denen er nicht so leicht zu finden ist. Irgendjemand oder bestimmte Situationen lenken meinen Blick ab. Vielleicht will ich ihn auf manchen Seiten auch gar nicht finden, anderes erscheint mir wichtiger. 

Parallel zu dem Wimmelbuch "Wo ist Walter" fiel mir eine Aussage aus der Bibel besonders ins Auge, die diese Verbindung zu Jesus Christus thematisiert:

Epheser 6,10-18

Noch ein letztes Wort: Werdet stark durch die Verbindung mit dem Herrn! Lasst euch stärken von seiner Kraft! Legt die Waffen an, die Gott euch gibt, dann können euch die Schliche des Teufels nichts anhaben. Denn wir kämpfen nicht gegen Menschen. Wir kämpfen gegen unsichtbare Mächte und Gewalten, gegen die bösen Geister, die diese finstere Welt beherrschen. Darum greift zu den Waffen Gottes! Wenn dann der schlimme Tag kommt, könnt ihr Widerstand leisten, jeden Feind niederkämpfen und siegreich das Feld behaupten. Seid also bereit! Legt die Wahrheit als Gürtel um und die Gerechtigkeit als Panzer an. Bekleidet euch an den Füßen mit der Bereitschaft, die Gute Nachricht vom Frieden mit Gott zu verkünden. Haltet das Vertrauen auf Gott als den Schild vor euch, mit dem ihr alle Brandpfeile des Satans abfangen könnt. Die Gewissheit eurer Rettung sei euer Helm und das Wort Gottes das Schwert, das der Geist euch gibt. Betet dabei zu jeder Zeit und bittet Gott in der Kraft seines Geistes. Seid wach und hört nicht auf, für alle Gläubigen zu beten. 

Der Apostel legt der Gemeinde am Ende seines Briefes nahe, unbedingt in Verbindung zu Jesus Christus zu bleiben. Er zeichnet ihre Situation auf, sie ist bedroht durch Mächte und Gewalten, die sie von ihrem Herrn trennen wollen. Wie die Gemeinde in dieser Lage die Verbindung halten kann, darum geht es dem Apostel in seinen Schlusssätzen. Darum geht es auch in meinem, in unserem Leben. Wir brauchen im Wimmelbuch des Alltags Jesus Christus, um den roten Faden zu behalten, um Widerständen standhalten zu können, um Kraft für die Aufgaben zu haben.
Zunächst möchte ich mir mit Ihnen ein paar Seiten des Alltags anschauen, auf denen Jesus schwer zu finden ist.

1. Seite: Unruhe

Vielleicht kennen Sie das, Sie gönnen sich nach einem anstrengenden Tag ein paar Minuten Ruhe. Das Radio ist aus, die Mitbewohner sind anderweitig unterwegs, der Fernseher schweigt, das Lieblingsbuch liegt in der Ecke, eine Einkaufsliste liegt auch nicht bereit, aber Sie können einfach nicht ruhig werden. Ihre Gedanken kreisen und kreisen. Sie beschäftigen sich mit Weihnachtsgeschenken in einem halben Jahr und Krankheiten, die Sie noch nie hatten. Sie fühlen sich wie ein Mühlrad im Gebirgsbach. Sie haben keine Chance, das Rad zu stoppen, der Bach fließt unaufhörlich weiter. Wie könnten Sie da Jesus finden, wo in Ihrem Kopf ständig gerufen wird: Ich könnte, müsste, sollte ..."?

2. Seite: Stress

Die Stress-Seite zeigt eine völlig überforderte Person, die im Akkord Aktenordner von rechts nach links auftürmt. Die Türme bekommen von rechts immer neuen Nachschub. Es wird kein Ende mit dieser nervtötenden Arbeit haben. Wo ist da Jesus? Wie kann man ihm mitten im Akkord-Arbeiten wahrnehmen? Vielleicht erst, wenn das Mühlrad so heiß gelaufen ist, dass die Achse bricht und der totale Zusammenbruch eingetreten ist. Als ich vor einiger Zeit mit einem Bekannten auf der Straße sprach, der sich in einer solchen Arbeitssituation befand, sagte er: "Wenn ich 50 Jahre werde, dann will ich das ändern, dann werde ich Gott wieder mehr Raum geben, vielleicht in die Kirche gehen." Mittlerweile ist er 50 Jahre alt, er meint, noch kann er sich eine langsamere Gangart nicht erlauben. Noch muss er das Thema Gott aufschieben.

3. Seite: Sünde

Zwei Geschwister spielen zusammen. Es gibt eine klare Hackordnung. Der Ältere setzt sich durch. Die Mutter sieht dem Spiel der beiden zu. Da sagt der Ältere zu ihr: Mama, sieh mal kurz weg. Die Mama tut so als ob, ist aber doch neugierig. Was sieht sie? Mit einem kurzen Stoß wird die kleine Schwester aus dem Verkehr gezogen und das umstrittene Playmobilteil wandert von ihrer Baustelle zu seiner. Mama wird noch ein paar Mal gebeten kurz wegzusehen. Sie lässt es geschehen, weil sie sich selbst in diesem Verhalten wieder erkennt. Wie oft sagt sie zu Jesus: Schau kurz weg! Und dann dreht sie ihr eigenes Ding. Ihre Stöße sehen anders aus als die ihres Sohnes, aber sie sind manchmal schmerzhafter. Sie merkt, hier ist die Ursache, warum sie Jesus oft nicht wahrnehmen kann. Sie will ihn nicht wahrnehmen. Sie will nicht, dass Jesus ihre eigenwilligen Wege sieht. Sie will, dass er sich versteckt und sie in Ruhe lässt. Wenn dann allerdings die Stöße auf sie zurück fallen, wenn andere sie beleidigen, ihre Krallen ausfahren, sie in die Ecke drängen, hätte sie es doch sehr gerne, wenn Jesus aus dem Exil wieder heraus käme und wundert sich, warum sie ihn nicht mehr finden kann. 

4. Seite: Angst

Auch der Angst ist eine Seite im Wimmelbuch des Lebens gewidmet. Da sind Angst machende Situationen und Menschen um mich herum, die mir die Luft zum Atmen nehmen. Sie scheinen wie aufgeblasen und riesengroß. Ich kann nicht über sie hinweg schauen, ich sehe Jesus nicht. Ist er nicht viel größer als die Angst? Hat er nicht die Fähigkeit, die Angst machenden Gebirge abzutragen? Wo ist er?

5. Seite: Wer ist Jesus?

Die letzte Seite im Wimmelbuch "Wo ist Walter" ist die schwerste. Hier brauchte ich wirklich Stunden systematischen Suchens, um endlich Walter zu finden. Ich stelle mir vor, dass es manchen Menschen so geht, die noch nie etwas oder etwas Positives von Jesus Christus gehört haben. Wenn sie auf dieser letzten Seite anfangen, dann können sie Jesus nicht finden. Sie müssen erstmal wissen, wie Jesus überhaupt aussieht, um ihn im Gewühl der Figuren identifizieren zu können. Sie brauchen Anleitung, wer Jesus ist, jemand, der mit ihnen die biblischen Geschichten durchgeht, ihnen Jesus nahe bringt, sie bei der Suche begleitet. Ihnen den Arm drückt, wenn Jesus vor ihnen steht, dass sie ihn als Herrn auch ihres Lebens erkennen können.

Doch wie stellt sich nun der Apostel im Epheserbrief vor, dass wir die Verbindung zu Jesus halten - auf allen Seiten, nicht nur der Startseite, wo Jesus sogar dick eingekreist ist?

Der Apostel gebraucht zur Veranschaulichung ein sehr geläufiges Bild seiner Zeit. Überall im römischen Reich liefen römische Legionäre herum, die in Rüstungen auftraten, um sich vor Anschlägen zu schützen. Die Asterix-Comics geben ja ein sehr anschauliches Bild dieser Legionäre. Paulus erklärt, wie die Verbindung zu Jesus Christus zu halten ist, mit einer solchen Rüstung. Uns ist das Bild fremd geworden. Rüstungen kennen wir aus den Asterix-Geschichten und aus dem Museum. Rüstungen haben bei uns mit Krieg zu tun, Raketen und Abwehrsystemen, Leid und nachfolgenden großen wirtschaftlichen und politischen Problemen. Paulus hätte in unserer Kultur und Zeit sicher ein anderes Bild gebraucht, vielleicht ein Wimmelbuch, um aufzuzeigen, wie wir die Beziehung zu Jesus Christus halten können.

Das erste, das an seinem Bild der Rüstung auffällt, die Rüstung dient der Verteidigung, nicht dem Angriff. Der Ledergürtel um die Hüfte, der Brustpanzer, die Sandalen, die nicht für lange Märsche geeignet waren, das 1,2m lange Schild, der Helm mit Visier wehrt Feuerpfeile ab, die auf den Gepanzerten abgeschossen werden. Erst ganz am Schluss der Aufzählung heißt es, dass der Gepanzerte auch eine Waffe empfängt, es ist das Wort Gottes und dazugehörig das Gebet. Bibel und Beten sind die Offensivwaffen der Verteidigung für das, was von Jesus Christus im wimmeligen Alltag abhält.

Wie kann diese Verteidigung aussehen? Ganz praktisch verstehe ich sie so: Wenn ich in der Bibel lese und das nicht nur wie in einem Roman oder in einer Fernsehzeitung, sondern mit meinem inneren Tagebuch daneben, in das ich mir eintrage, was mir persönlich wichtig geworden ist, wenn ich mit Jesus täglich rede und ihn täglich reden lasse, dann bekomme ich von ihm einen Blick auf die Auflösungsseite. Auf dieser Auflösungsseite sehe ich den roten Kreis um Jesus mitten im Gewühl der Personen und Geschehnisse. Ich kann mir diese Auflösungsseite mehr oder weniger gut einprägen und dann wieder zur Ausgangsseite zurückblättern. Habe ich mir Jesu Position gemerkt, wird es mir nicht schwer fallen, Jesus zu finden. Habe ich nur flüchtig drauf gesehen, kann mir Jesus wieder völlig entwischt sein.
Bibel und Gebet sind die Auflösungsseiten für die Angriffe des Bösen in meinem Leben, wo ein Keil zwischen Jesus und mich getrieben wird.

Aber der Apostel Paulus geht noch mehr ins Detail. Er nennt noch andere Begriffe. Sie legen das Bibellesen und Beten weiter aus:

  • Wahrheit: Jesus möchte uns Wahrhaftigkeit schenken. Er will uns befähigen, ehrlich vor Gott, uns selbst und anderen zu sein. Die Unruhe, die mich oft im Alltag quält, hat ihre Ursachen in meinem Gottesverhältnis. Ich bin nicht gelassen. Ich vertraue Jesus nicht, dass er mein Leben zu seinem Ziel bringen wird. Ich gebe meine Listen nicht ab und halte an ihnen fest, als ob ich es besser könnte, als Jesus. Ich sage zwar, dass Jesus mir hilft, aber eigentlich glaube ich es nicht wirklich. Und ich bin nicht wahrhaftig zu meinen Mitmenschen. Ich mache sie verrückt mit meiner Unruhe und Unrast, meinen Signalen, keine Zeit zu haben. Ich laufe mit schlechtem Gewissen durch die Gegend und sage gleichzeitig, dass ich nichts lieber will, als ihnen Gottes Liebe bringen. War Jesus jemals so in Eile, wenn er Menschen Gottes Liebe nahe brachte? War es nicht eher so, dass er immer Zeit fand, sich zum Gebet zurück zu ziehen und die Jünger sogar bei schlechtem Wetter allein losschickte? Die Unruhe, die mich quält, lässt sich nur besiegen, wenn ich der Wahrheit ins Gesicht sehe: Ich brauche mehr Jesus in meinem Leben. Ich muss es aushalten, dass mein inneres Mühlrad weiterläuft, bis Jesus ihm in die Speichen fasst. Ich kann es nicht allein.
  • Gerechtigkeit: Stress rührt oft daher, dass wir uns selbst beweisen möchten. Wir rennen uns selbst hinterher und kommen nie ans Ziel. Unser Selbstwertgefühl hängt davon ab, ob wir die Aktenordner alle bewältigen, den Stapel abbauen können, nicht versagen. Jesus möchte uns seine Gerechtigkeit schenken. Er spricht uns zu, vor ihm recht zu sein. Wir brauchen uns nicht abzumühen, um irgendjemand oder uns selbst etwas zu beweisen. Jesus liebt uns ohne Aktenordner und Leistungsnachweis. Seine Gerechtigkeit anzunehmen, heißt, zu ihm Ja zu sagen und sich von ihm aus dem Akkord ums Leben herausholen zu lassen.
  • Frieden: Die Sandalen sollen uns zu Friedensbringern werden lassen - ganz anders als es der große Bruder mit seiner kleinen Schwester machte, als er ihr Knuffe versetzte und der Mutter das Wegsehen verordnete. Ich brauche morgens eine kurze Zeit, um mich in Gottes Frieden hinein zu finden. Dazu gehe ich den vergangenen Tag noch einmal durch und erinnere mich an die Erfahrungen, wo ich ihn erlebt habe. Daraus wächst ein innerer Frieden, auch diesen Tag mit seiner Hilfe zu bestehen und ihn einzuladen, hinzugucken, statt wegzugucken. Ich erinnere mich auch an meine Fehler am vergangenen Tag und bitte Jesus, sie mich nicht wiederholen zu lassen, ihnen Einhalt zu gebieten. Daraus schöpfe ich viel Kraft, anderen im Frieden zu begegnen, ihnen Zeit zu widmen und ihnen Jesus so nahe zu bringen.
  • Vertrauen: Der Angst entgegen steht das Vertrauen, dass Jesus da ist, auch hinter den Gebirgen, die Angst machen. Sehr wichtig sind für mich Freunde, die für mich in Angst machenden Lebensphasen beten und ihr Gebetsnetz unter mir ausspannen. Ich spüre, wie mich ihre Gebete aufrecht halten, wie sie helfen, die Luft aus den aufgeblasenen Angstsituationen heraus zu lassen und mich mit Freude wieder auf den Alltag einzulassen. Jesus will größer sein als meine Ängste. Da braucht es die Fürbitte der anderen, um mir das ins Bewusstsein zu rücken.
Am Schluss der Aufzählung des Apostels steht die Gewissheit des Glaubens. Sie ist etwas ganz Kostbares. Ich sprach vor Kurzem mit einer jungen Frau über dieses Thema. Sie sagte, dass ihr diese Gewissheit manchmal fehlen würde. Sie hätte auch Zweifel, ob es Jesus als den Lebenden wirklich geben würde. Ob er nicht doch längst eine Figur der Geschichte sei. Ja, auch ich kenne diese Zweifel. Deshalb heißt es wohl Gewissheit des Glaubens, nicht Wissen des Glaubens. Denn die Phasen, in denen Jesus wirklich unübersehbar auf der Wimmelseite des Alltags präsent ist, sind immer wieder bedroht durch andere Phasen. Doch ich merke, wie mir Jesus mit seiner Auflösungsseite hilft. Lesen in der Bibel, in Büchern, die die Wahrheit der Bibel unterstreichen, Hören auf Christen, die etwas mit Jesus erlebt haben, und selbst mit Jesus reden, das gibt eine Gewissheit, die nicht Sicherheit bedeutet, aber die auf konkreten Erfahrungen beruht und mich mit Jesus verbindet.

Auch heute heißt die Aufgabe: Wo ist Jesus in meinem persönlichen Wimmelbuch? Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir ihn finden, denn er will sich finden lassen!

Ihr werdet mich suchen und werdet mich finden. Denn wenn ihr mich von ganzem Herzen sucht, werde ich mich von euch finden lassen. Das sage ich, der HERR.(Jeremia 29,13-14)

Cornelia Trick


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