Muss noch kurz die Welt retten (Römer 10,9-13)
Gottesdienst am 18.9.2016 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
das Lied von Tim Bendzko, „Muss nur noch kurz die Welt retten“, beschreibt das Leben, wie viele es führen: atemlos, mit der Angst im Rücken zu spät zu kommen, die Welt retten zu müssen, weil es sonst keiner tut. Sehr oft kam dieser Song im Radio, als ich für einige Monate mit zwei Gemeindebezirken betraut war und viel hin und her gefahren bin. Jedesmal fühlte ich mich ertappt, als hätte mir Tim Bendzko über die Schulter geschaut und genau mir dieses Lied gewidmet. Tatsächlich fing damals fast jeder Satz von mir an mit „muss nur noch kurz …“. Dabei hatte ich wirklich im tiefsten Inneren die Überzeugung, dass es von meinem Laufen und Rennen abhing, ob es den Gemeinden gut ging. Mit ein bisschen Abstand ist das natürlich absolut lächerlich. Außer mir waren genug andere da, die die Gemeindeangelegenheiten voran gebracht haben. Und letztlich rettet Gott die Welt – hat sie mit seinem Sohn Jesus Christus schon gerettet. Er ist im Letzten für alles hier verantwortlich. Ich bin nur seine Verwalterin, von ihm eingesetzt und befähigt, aber von seiner Unterstützung absolut abhängig. 

So sollte ich eigentlich ein anderes Lied gesungen haben: „Ich danke dir für deine Rettung, hilf mir jetzt, meinen Alltag zu bewältigen. Schenke mir Kraft, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Und die vielen unbeantworteten Mails – Herr, du weißt schon, was du damit tun kannst, wenn ich es nicht schaffe.“

Paulus schreibt auch darüber in seinem Brief an die Römer, er macht den Christen dort klar, dass Gott die Welt rettet. Nicht alle werden seine Rettung annehmen, aber die Leute in Rom ermutigt er, Gottes Rettung nicht auszuschlagen oder zu vergessen.

Römer 10,9-13

Wenn ihr also mit dem Mund bekennt: „Jesus ist der Herr“, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, werdet ihr gerettet. Wer mit dem Herzen glaubt, wird von Gott als gerecht anerkannt; und wer mit dem Mund bekennt, wird im letzten Gericht gerettet. So steht es ja in den Heiligen Schriften: „Wer ihm glaubt und auf ihn vertraut, wird nicht zugrunde gehen.“ Das gilt ohne Unterschied für Juden und Nichtjuden. Sie alle haben ein und denselben Herrn: Jesus Christus. Aus seinem Reichtum schenkt er allen, die sich zu ihm als ihrem Herrn bekennen, ewiges Leben. Es heißt ja auch: „Alle, die sich zum Herrn bekennen und seinen Namen anrufen, werden gerettet.“

Mit dem Herzen glauben

Vor knapp drei Jahren hatte ich mein Büro noch im damals leeren Pastorenhaus. Nach den Weihnachtsferien startete ich dort wieder die Arbeit. Nach einiger Zeit wurde ich auf regelmäßige Tropfgeräusche aufmerksam. Sie hörten sich irgendwie unheimlich an. So machte ich einen Rundgang durchs Haus, wurde aber durch ein etwa 20cm hohes „Schwimmbad“ im Keller gestoppt. Eine Wasserleitung war gebrochen, das Wasser hatte sich langsam bis zur Decke im Keller vorgearbeitet und tropfte nun wahrscheinlich schon einige Tage munter vor sich hin. Der Schaden war zum Glück bald behoben, es hätte schlimmer ausgehen können. Die Weihnachtsferien waren nur kurz.

Wie durch Wasserrohre fließt Gottes Liebe in unser Herz. Sind die Leitungen intakt, gibt es immer genug Nachschub für Liebe, Kraft und Lebensmut. Was Gott uns jeden Morgen neu schenkt, kommt an, durchdringt uns und ist genug, dass wir davon weitergeben können.

Glauben mit dem Herzen ist nicht nur ein frommes Gefühl, kein Herzkino, das uns auf Wolke 7 schweben lässt. Das Herz ist nach biblischem Verständnis der Sitz für die ganze Persönlichkeit, der ganze Mensch mit Haut und Haaren wird mit dem Herzen charakterisiert. Mit dem Herzen glauben ist somit nicht nur ein Gefühl, geliebt und angenommen zu sein, sondern auch ein bewusster Willensakt, sich Jesus in allen Höhen und Tiefen des Lebens anzuvertrauen. Mit dem Herzen glauben bedeutet auch, sich an frühere Hilfe zu erinnern und diese Nähe immer wieder zu suchen.

Ist das Rohrsystem der Liebe Gottes intakt, kommt sie in unseren Herzen an und geht weiter zu Mund, Händen und Füßen. Doch immer wieder kommt es zu Störungen wie damals im Pastorenhaus. Die Leitung ist verstopft. Irgendetwas steckt fest und lässt die Liebe Gottes nicht weiterfließen. Was steckt in unseren Herzen und verstopft sie? Vielleicht früh gelernte Sätze: Ich bin nicht gut genug, Gott hat andere Lieblingskinder. Oder Sätze, die sich so anhören: Ich brauche keinen Gott, bin selbst stark, kann mich und die Welt selbst retten. Solche Sätze machen unempfindlich für Gottes Lieben und seine Zusagen. Sie schotten das Herz ab, verstopfen es.

Das Rohr kann auch brechen, der Kontakt zu Gott völlig abreißen. Manchmal geschieht das von heute auf morgen, manchmal schleichend wie eine rostige Stelle, die sich immer weiter in das Rohr frisst, bis der Bruch da ist. Lebensführungen können zu Abbrüchen führen. Ein Erlebnis, das man nicht mit Gottes Liebe zusammenbringen kann, eine zerbrochene Liebe, ein verunglücktes Kind. Manchmal muss man umziehen. Im neuen Ort lernt man keine Christen kennen, das Thema rückt immer weiter in den Hintergrund, bis man es vergessen hat. Freude können den Glauben in Frage stellen. Ihre Freundschaft will man nicht aufgeben, dann lieber die Gemeindeaktivitäten. Und der ganz normale Alltag mit seinen 148 Mails, die auf einen warten, kann auch Rohrbrüche verursachen. Wer die Welt alleine retten muss, hat keine Zeit zum Innehalten und nach oben Schauen.

Das Rohr kann auch von innen verkalken, von außen ist ihm erstmal gar nichts anzusehen. Der Kalk lagert sich ab, der Durchfluss wird immer enger, bis er schließlich ganz zu ist. Man hat den Zeitpunkt zum Entkalken verpasst. Da haben sich Verletzungen, Enttäuschungen und Bitterkeit angesammelt, auch eigene Schulderfahrung kam dazu. Alles ist verhärtet und taub für Gottes Liebe.

Mit dem Herzen zu glauben, heißt also zuerst, für funktionierende Rohre zu sorgen. Wir werden ermutigt, die falschen Texte in unseren Herzen zu löschen und stattdessen neue zu schreiben: Ich bin Kind Gottes, der Größte stellt sich zu mir. Ich bin zwar nicht allmächtig, aber für ihn bin ich wertvoll.

Wir können gebrochene Rohre auch wieder flicken und an frühere Erfahrungen anknüpfen. Vielleicht haben wir irgendwann einmal biblische Geschichten gehört, die unser Herz erreicht haben, einen Menschen getroffen, der Gottes Liebe glaubhaft gelebt hat, oder wir kennen noch das Vaterunser. Warum nicht diese alten Worte nachsprechen und sie mit eigenen Inhalten füllen?

Wir sollten auch immer wieder das Entkalkungsprogramm starten, uns Ruhe gönnen, die Ohren öffnen und auf die leise Stimme Gottes hören. In der Kinderkirche haben wir vor ein paar Wochen mit Bildkarten gebetet. Reihum nahmen wir uns vom Stapel eine Karte mit einem Gegenstand oder einer Situation darauf und dankten dafür: für Fußball, eine Biene, die Eisenbahn und vieles mehr, was uns ohne Karten niemals eingefallen wäre. Reinigung unserer Leitungen, dass wir Gott intensiver wahrnehmen.

Mit dem Mund bekennen

Wasser bleibt nicht in den Rohren, sondern dringt mit einigem Druck nach draußen. Erst wenn es außerhalb der Rohre ankommt, haben die Leitungen ihren Sinn erfüllt. Paulus schreibt den Römern, dass dieses „draußen“ meint, Jesus Christus mit dem Mund zu bekennen, dass auch andere auf ihn aufmerksam werden.

In unserer Gemeinde gibt es eine gewisse Scheu, jedem, egal in welcher Situation, von Jesus zu erzählen. Da gab es in der Geschichte abschreckende Beispiele. Die haben nicht den Wasserhahn behutsam geöffnet, um ein Glas Wasser zu zapfen, sondern haben andere gleich mit dem Gartenschlauch geduscht. Aber sollten wir wegen dieser Erfahrungen den Satz aus der Bibel streichen? Könnte es sein, dass wir in ihm noch einen tieferen Sinn entdecken?

Der Mund steht hier als Stellvertreter für die Schaltstelle, die das eigene für andere nutzbar macht. In unseren Bildern gesprochen, wäre der Mund der Wasserhahn. Wir wollen ja unseren Mitmenschen durchaus klares Wasser und keine Dreckbrühe anbieten. Aber das nicht nur mit Worten, die oft ohne Hand und Fuß sind, sondern mit unserem ganzen Menschsein.

So fallen mir einige Möglichkeiten ein, Jesus zu bekennen, unseren Bekannten Wasser aus Gottes Liebe anzubieten:

  • Ein glaubwürdiger Lebensstil. Andere merken uns an, dass wir unser Vertrauen auf Gott nicht nur auf dem Dachgepäckträger mitnehmen, sondern dass dieses Vertrauen uns erfüllt
  • Die Not des anderen wahrnehmen. Wir können unsere Augen und Ohren offenhalten, da treffen wir immer wieder auf jemand, dessen Leitungen dringend Reparaturarbeiten brauchen.
  • Auf die Not reagieren. Wie können wir jemand enttäuschen, wenn wir ihm Hilfe versprechen, das Anliegen aber gleich wieder vergessen. Bleiben wir dran, beten wir mehr als einmal für das Anliegen des anderen, fragen wir nach. Die Kraft dazu kommt von oben.
  • Verantwortung übernehmen. Vielleicht bringt es mir nichts, mich um die Not des anderen zu kümmern. Ich hole mir dabei auch Frust, und bei mir bleibt währenddessen einiges liegen. Also warum soll ich mir das antun? Wohl deshalb, weil der oder die andere spürt, wir sind nicht wegen uns an ihrer Seite, sie sind nicht unser Mittel zum Zweck, damit wir uns gut fühlen. Wir stehen zu dem, was wir sagen und wollen, dass sie genauso wie wir Gottes Kraft erleben. 
Irgendwann auf diesem Weg wird es sich begeben, dass wir uns über unsere Sehnsucht austauschen, über Lebensglück und Hoffnung. Und über Gott, der dafür steht. Und das wird der andere verstehen, es ist nicht einfach so dahingesagt, sondern ablesbar an der Beziehung.

Paulus macht den Römern klar, dass nicht jeder und jede den Glauben annehmen wird. Wir haben es nicht in der Hand, wer uns das Wasser vom Wasserhahn abnimmt. Aber wir können alles dafür tun, dass die Zuleitung intakt bleibt oder wieder wird und das Angebot steht.

Wir brauchen die Welt nicht zu retten, aber Gottes Rettung sollten wir nicht im Weg stehen.

Cornelia Trick


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