Macht euch auf! (Markus 16,1-8)
Gottesdienst am 12.4.2020 in Brombach, wegen der Corona-Pandemie ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
Ostern ist mein Lieblingsfest. Der Tod ist besiegt, die Gräber sind nicht länger Endstation. Jesus ist der erste, den Gott aus dem Tod ins Leben gerufen hat, und wir dürfen ihm folgen. Wir singen Protestlieder gegen den Tod in einer vollen, festlich geschmückten Kirche und freuen uns gemeinsam über die neu eröffnete Zukunft mit Gott.

Dieses Jahr ist es anders, kein gemeinsamer Osterjubel, geschlossene Kirchen und nur stille Freude im Privaten. Vielleicht sind wir damit sogar näher dran am ersten Osterfest. Denn so richtig gejubelt haben die ersten Osterzeugen noch nicht. Zu unfassbar war das Geschehen – ein leeres Grab, eine helle Gestalt mit merkwürdigen Ansagen, Frauen, sichtlich überfordert von diesen Entwicklungen.

Markus 16,1-8
Als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome duftende Öle. Sie wollten die Totensalbung vornehmen. Ganz früh am ersten Wochentag kamen sie zum Grab. Die Sonne ging gerade auf. Unterwegs fragten sie sich: »Wer kann uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?« Doch als sie zum Grab aufblickten, sahen sie, dass der große, schwere Stein schon weggerollt war. Sie gingen in die Grabkammer hinein. Dort sahen sie einen jungen Mann auf der rechten Seite sitzen, der ein weißes Gewand trug. Die Frauen erschraken sehr. Aber er sagte zu ihnen: »Ihr braucht nicht zu erschrecken. Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der gekreuzigt worden ist. Gott hat ihn vom Tod auferweckt, er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten Macht euch auf! Sagt es seinen Jüngern und besonders Petrus: Jesus geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.« Da flohen die Frauen aus dem Grab und liefen davon. Sie zitterten vor Angst und sagten niemandem etwas, so sehr fürchteten sie sich. 

Der Stein vor dem Grab
Die Frauen wollten zum toten Jesus, ihm die letzte Ehre erweisen, sich an ihn und seine Worte und Taten erinnern, ihm einen persönlichen Segen mitgeben. Doch ein großer Grabstein, so groß wie ein Mühlstein, trennte sie von Jesus. Wer würde ihn wegwälzen?

Ich denke an Steine in meinem Leben. Da sind Blockaden. Ist Gott da? Manchmal zweifele ich, warum er sich nicht zeigt, auch gerade in diesen beschwerlichen Corona-Zeiten. Ich erinnere mich, dass Gott nicht immer geholfen hat. Wird er denn diesmal helfen? Ich höre Leute aus meinem Umfeld kommentieren: „Mach dich nicht lächerlich mit deinem Vertrauen auf Gott!“ Diese Blockaden hindern mich, zu Jesus vorzudringen. Und ich kann sie nicht selbst auflösen. Im Gegenteil, sie verfestigen sich immer mehr. Bei einem der wenigen Schneefall-Tage in diesem Winter ging mir das so auf dem Kirchenparkplatz. Ich bekam das Auto einfach nicht die kleine Auffahrt hoch. Je mehr ich Anlauf nahm, je tiefer fraßen sich die Räder in den Schnee. 

Der Stein vor Jesu Grab wurde nicht von den Frauen und auch nicht von muskelbepackten Helfenden weggeschoben. Er wurde von innen verrückt, das Grab von innen gesprengt. Gott selbst hat Jesus aus dem Tod geholt, Gott selbst hat dem Tod nicht das letzte Wort gelassen, sondern mit seinem Sohn die Grenze zwischen Himmel und Erde durchbrochen. 

Dass nun der Grabstein weg war, hat eine tiefe Bedeutung. Denn nicht allein, dass Jesus, der Sohn Gottes, zurück zu seiner himmlischen Heimat ging, ist das Wunder, sondern dass dieses Geschehen für uns wirksam wird. Das offene Grab sagt: Folgt Jesus, lebt mit ihm, und er wird euch mitnehmen in seine Herrlichkeit. Dass Jesus auferstanden ist, ist kein Geheimnis Gottes, verschlossen hinter blickdichten Steinen, sondern ist eine Werbekampagne, dass wir Jesus vertrauen und seinen Weg mitgehen.

Ich schaue auf meine Blockaden. Gott kann sie von innen einreißen. Er kann mir neues Vertrauen schenken, dass Jesus mit mir ist, dass wir nicht in Corona-Leid untergehen werden und mit ihm einen Weg nach vorn finden werden. 

In der Gemeinde haben wir dieses Ostern kleine Steine verteilt. Sie sollen uns an den Grabstein vor Jesu Grab erinnern, der weggerollt ist. Die Steine sind mit neuen Überschriften versehen, nicht mit Tod, sondern mit Liebe, Friede, Treue, Glaube und Hoffnung, denn Jesus lebt.

Der Engel
Im Grab, so schildert es Markus, sitzt ein junger Mann in himmlischen Kleidern. Er fungiert als Dolmetscher zwischen Himmel und Erde. Er übersetzt: Das Grab ist leer, aber Jesus wurde nicht gestohlen, sondern lebt bei Gott. Er ist nicht auf Grabfeldern zu finden, nicht in toter Vergangenheit und starren Traditionen, sondern zeigt sich auf dem Weg in die Zukunft.

Der Engel übersetzt auch für uns. Jesus will nicht auf Postern festgehalten werden. Er will nicht in Museen ausgestellt werden, wo man über ihn und seine Sinnsprüche nachdenkt, sie aber schnell wieder vergisst. Er will unseren Alltag mit uns gestalten, will uns in unserem ganz normalen Leben begegnen. Er will neue Geschichten mit uns erleben, neue Zachäusse finden. Wie er Zachäus auf dem Baum sitzend fand, sich bei ihm zum Abendessen einlud und damit sein Leben veränderte, so sucht er uns, egal wo wir sind, klinkt sich in unser Leben ein und bewegt uns zu Richtungsänderungen.

Deshalb gibt der Engel den Auftrag: „Macht euch auf!“ So können wir ganz persönlich ihm begegnen. Doch wie sehen solche Begegnungen aus? Anders als in den ersten Tagen nach dem Osterfest begegnet Jesus uns ja eher nicht mehr leibhaftig. 

Ich erkenne Jesus in vielen Situationen meines Alltags. Ein Wort, das jemand mir genau passend sagt, eine Begegnung, die ich nicht geplant habe, eine neue Richtung, von der ich dachte, dass ich sie nie gehen würde – wie jetzt während der Corona-Wochen dieses Video-Format. Nie wollte ich so etwas machen. Jesus lockt in die Zukunft, und er zeigt sich überraschend gerade auf den eher anstrengenden Wegetappen.

Die Frauen
Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome waren nicht fertig mit Jesus. Sie machten sich am frühen Ostermorgen auf die Suche nach Antworten: Warum? Wie geht es weiter? Die Nähe zu Jesus sollte ihnen helfen, Antworten zu finden.

Ich bewundere ihre Beharrlichkeit. Sie hätten allein zuhause bleiben und trauern können, ängstlich wie die Jünger, die sich alle verkrochen hatten. Doch sie bildeten eine Trostgemeinschaft, sie machten sich gemeinsam auf den Weg. Welch ein Segen die Gemeinschaft auch in Fragen und Leid ist, spüren wir in den Tagen des Kontaktverbots überdeutlich. Wir können uns nicht in den Arm nehmen, nicht an die Hand nehmen. Das vermissen wir schmerzlich. Aber wir können anders miteinander in Kontakt sein und uns auch in Gedanken auf manchem schweren Gang begleiten. 

Als die Frauen die Engelbotschaft hören, brechen sie nicht sofort in Jubel aus, stattdessen heißt es, überfiel sie Angst und Entsetzen. Ich stelle mir diese Begegnung am offenen Grab wie einen Stromschlag vor. Gottes Energie trifft auf ganz normale Menschen. Gottes Tat geht über das menschliche Verständnis hinaus. Kein Wunder, dass sie das aus der Bahn warf.

Spüren wir dem österlichen Stromschlag nach. Berührt von Gott zu sein, aus der Trauer ins Leben gerufen zu werden, kann wie ein Schock sein, der sprachlos macht. Das ersehnte, aber unerwartete, positive Ergebnis eines Schwangerschaftstests, die gute Diagnose beim Arzt, obwohl man sicher war, dass Krebs die Ursache der Beschwerden war, das Aufwachen eines Koma-Patienten nach langen Tagen des Wartens, das sind Situationen, die nur in etwa an die Erfahrung der Frauen herankommen. Und deutlich wird an ihnen, wie ihre Furcht ganz natürlich war. 

Das Markusevangelium schließt ursprünglich mit der Flucht der Frauen. Erst in späteren Abschriften kamen Berichte von Erscheinungen des Auferstandenen Jesus dazu. Doch schon allen, die nur den ursprünglichen Schluss des Evangeliums hörten oder lasen, war klar, es gab eine Fortsetzung mit dem Auferstandenen.

Vielleicht ist die Flucht der Frauen wie ein Doppelpunkt. Sie fordert heraus, die eigene Ostererfahrung anzufügen.

Wo begegne ich Jesus auf meinem Weg in den Alltag? Wo halte ich Ausschau nach ihm, und welches Ereignis liefert mir Hinweise auf ihn? Ein Telefonat kann überraschend Jesus in mein Leben bringen. Dass ich in einer schwierigen Phase nicht den Mut verliere, sondern Kraft habe, ist ein Hinweis auf Jesu Wirken. Dass eine verfahrene Beziehungskrise nicht in Scheidung mündet, sondern ein neues Verständnis füreinander wächst, kann von Jesus initiiert sein. Dass wir in der Corona-Krise daran festhalten, dass Jesu Liebe gilt und er auch in schlimmsten Szenarien mit uns ist, können wir uns nicht ausdenken. Das erleben wir, in Krankheitstagen, in wirtschaftlichen Notzeiten, in Einsamkeiten. Jesus ist da und sagt uns zu: „Ihr braucht euch nicht zu erschrecken. Macht euch auf! Ich will mit euch sein!“

Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine unsichtbaren Mächte. Nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat. Nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt. (Römer 8,38-39)

Cornelia Trick


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