Liebe und Einheit
Gottesdienst am 10.07.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
in der Kirche reden wir viel darüber, wie wir uns als Christen in der Gemeinde miteinander verhalten sollen, wie wir besser Jesu Erwartungen an uns erfüllen können und wie wir uns hier helfen können, seinen Auftrag in der Welt zu erfüllen. Aber wir leben nicht dauernd mit unserer Gemeinde zusammen. Nach dem Gottesdienst und der Teerunde gehen wir auseinander und nehmen den roten Faden unseres Alltags wieder auf. Wir gehen zurück in unsere einsame Wohnung, unsere Ehe, unsere Familie, an unseren Arbeitsplatz spätestens am Montag. Wir haben mit Themen, Leuten und Problemen zu tun, die in der Gemeinde so nicht vorkommen. Wir sind Christen im Alltag.

Im Juni hatten wir uns als Gemeinde intensiver mit dem Epheserbrief beschäftigt. Wir lernten, dass der Apostel in seiner Weisung ganz besonders die Liebe und Einheit in der Gemeinde als Antwort auf Gottes Liebe durch Jesus Christus betonte. Der Apostel blieb im Epheserbrief aber nicht bei der Anwendung auf die Gemeinde stehen, sondern ging weiter in den Alltag der einzelnen Christen. Er gab der Gemeinde Handreichung, wie sie ihr Christsein nicht nur in der Gemeinde leben konnte, sondern auch in den Beziehungen ihres persönlichen Lebens verwirklichen konnte. Und auch in diesen Beziehungen springen die beiden Hauptworte Liebe und Einheit ins Auge.

Drei Bewährungsfelder des Alltags zählt der Apostel auf: die Ehe als damals gängige Lebensform, das Miteinander der Generationen und das Verhalten am Arbeitsplatz.

Heute werde ich das Augenmerk auf den ersten Punkt des Apostels richten, der auch den größten Raum einnimmt und argumentativ die anderen beiden Bereiche bestimmt. Ich möchte aber nicht nur den Eheleuten hier in der Gemeinde diesen biblischen Abschnitt auslegen, weil die Bibel doch für jeden und jede etwas enthält. Wenn es im Folgenden hauptsächlich um das Zusammenleben von Mann und Frau geht, dann immer in der Perspektive, dass wesentliche Aussagen für jedes menschliche Miteinander, das von Vertrauen und Liebe geprägt sein sollte, gelten. Der Apostel stellt gerade nicht die sexuelle Dimension der Ehe in den Mittelpunkt, so dass es leicht fällt, seine Aussagen über den Kreis der Eheleute hinaus ernst zu nehmen.

Epheser 5,21-33

Ordnet euch einander unter, wie es die Ehrfurcht vor Christus verlangt. 
Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, so wie ihr euch dem Herrn unterordnet. Denn der Mann steht über der Frau, so wie Christus über der Gemeinde steht. Christus als dem Haupt verdankt die Gemeinde, die sein Leib ist, ihre Rettung. Wie nun die Gemeinde Christus untergeordnet ist, so müssen auch die Frauen sich ihren Männern in allem unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen so, wie Christus die Gemeinde geliebt hat! Er hat sein Leben für sie gegeben, um sie rein und heilig zu machen im Wasser der Taufe und durch das dabei gesprochene Wort. Denn er wollte sie als seine Braut in makelloser Schönheit vor sich stellen, ohne Flecken und Falten oder einen anderen Fehler, heilig und vollkommen. So müssen auch die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Körper. Denn ein Mann, der seine Frau liebt, liebt sich selbst. Niemand hasst doch seinen Körper; im Gegenteil, er ernährt und pflegt ihn. So tut es auch Christus mit der Gemeinde. Wir alle sind ja zusammen sein Leib. Ihr kennt das Wort: "Deshalb verlässt ein Mann Vater und Mutter, um mit seiner Frau zu leben. Die zwei sind dann eins, mit Leib und Seele." In diesem Wort liegt ein tiefes Geheimnis. Ich beziehe die Aussage auf Christus und die Gemeinde. Es gilt aber auch für euch: Jeder von euch muss seine Frau so lieben wie sich selbst. Die Frau aber soll ihren Mann achten.

Die Überschrift

Der erste Satz der so genannten "christlichen Haustafel" ist als Überschrift zu verstehen. Egal von welchen Beziehungen jetzt die Rede sein wird, entscheidend ist für den Apostel die Bereitschaft, sich gegenseitig unterzuordnen. Wie wir diesen Begriff der Unterordnung füllen, wird für das weitere Verstehen entscheidend sein. Der Apostel liefert dafür Hinweise: sich einander unterordnen kann nur geschehen in der Hinwendung zu Jesus Christus. 

Wer Jesus Christus als Herrn seines Lebens angenommen hat, weiß, dass er oder sie sein oder ihr ganzes Leben Jesus verdankt und nichts einem anderen Menschen voraus hat. Worauf sollte sich so eine Überordnung gründen? Jesus gab seinen Jüngern drei grundlegende Standards mit:

  • In der Nachfolge Jesu gibt es keine Rangfolge, weil alle gleich Beschenkte sind.
  • Nachfolgende haben unterschiedliche Gaben und Aufgaben, aber die sind alle gleichwertig vor Gott.
  • Wer eine verantwortlichere Aufgabe hat, ist umso mehr Rechenschaft schuldig und hat den von ihm Angeleiteten zu dienen.
Dieser Theorie des Zusammenlebens fügt der Epheserbrief praktische Beispiele an.

Erstes Bewährungsfeld: Die Ehe

Zur Zeit und in der Umwelt des Epheserbriefes war als Gesellschaftsmodell das Patriarchiat bestimmend. Der Mann übernahm die Außenvertretung der Familie und war in allem das Oberhaupt, die Frau gehörte zu seinem Besitz und war für die Kinder, die Hauswirtschaft und das Personal verantwortlich. Dass eine Frau sich ihrem Mann unterordnete, war derart Standard in der Umwelt, dass wir uns heute fragen müssen, warum der Apostel diesen Punkt überhaupt erwähnte. Verständlich werden seine Aussagen vor dem Hintergrund der frühen christlichen Bewegungen, die von der durch Christus ermöglichten neuen Freiheit getragen wurden. Christinnen nahmen es nicht mehr hin, ihren Männern zu gehorchen, die sich wie Götter aufspielten, ihre Macht missbrauchten, um Eigeninteressen durchzusetzen, Frauen in ihrer von Gott geschenkten Freiheit beschnitten und sie zwangen, ihren Glauben zu verraten. Christinnen hatten verinnerlicht, dass sie Gott mehr gehorchen mussten als den Menschen, auch ihren eigenen Ehemännern, und brachen mit den patriarchialischen Rollenzuschreibungen. EhepaarDabei ist das Pendel sicher zur anderen Seite ausgeschlagen. Männer wussten mit diesen Frauen nicht umzugehen, in den Familien brach das Chaos aus, das bis in die Gemeinden für Unruhe und in der Umgebung zu großem Misstrauen den Christen gegenüber führte. Der Apostel betreibt mit seiner Eheunterweisung zum einen Schadensbegrenzung. Aber er geht weiter. Er legt die Basis der Ehe frei und ermöglicht damit einen neuen Blick auf das Zusammenleben von Mann und Frau im Alltag. 

Die Basis, so führt der Epheserbrief aus, ist Jesus Christus. Mann und Frau sind Abbildung der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen seit dem Paradies, und sie sind Abbildung der Gemeinschaft Jesu mit seiner Gemeinde. Wenn eine Frau dem Willen ihres Mannes gehorcht, dann weil sie darauf vertraut, dass der Mann auf Jesus Christus hört und ihm gehorcht. Wenn ein Mann für sich beansprucht, in der Ehe voran zu gehen, dann nur, weil er seine Frau liebt wie Christus seine Gemeinde, voller Hingabe bis zum Letzten, im Dienst für sie, im Willen, dass sie ihr volles Potenzial, das Gott in sie hineingelegt hat, entfaltet und optimal gefördert wird.

Heute leben wir in einer anderen Gesellschaft. Unterschiede zwischen Mann und Frau sind geblieben, und ganze Regalwände sind gefüllt mit Anleitungen, wie Männer und wie Frauen ticken. Doch genauso wenig, wie der Epheserbrief auf diese wesensmäßigen Unterschiede eingeht, werde ich es jetzt tun, denn diese Erkenntnisse liegen nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. Vielmehr liegt mir daran, festzustellen, dass sich die Zeiten geändert haben und wir grundsätzlich von einer Gleichberechtigung in der Ehe ausgehen. Doch der Epheserbrief behält seine Gültigkeit, diese Aussagen sind herauszuheben.

Die Liebe der Eheleute bezieht sich auf die Liebe von Christus zu seiner Gemeinde.
Damit wird der Blick der Eheleute weg von ihrer je eigenen Befindlichkeit zum Du gelenkt. Christus sieht die Gemeinde nicht als Serviceagentur für seine eigenen Bedürfnisse, sondern als seinen Leib, dem er als Schaltzentrale und Herz dient. So müssen wir in der Ehe fragen: Was brauchst du, um Gottes Mission in dieser Welt erfüllen zu können?

  • Brauchst du Fürsorge? Kann ich dich in irgendeiner Weise unterstützen, dir etwas abnehmen, das dich daran hindert, für Gott und seinen Auftrag an dich da zu sein?
  • Brauchst du Förderung? Was kann ich tun, dass du dich nach Gottes Willen entwickeln kannst? Welches Talent, dass du als Gabe des heiligen Geistes bekommen hast, sollst du ausbauen? Wie kann ich dich dazu motivieren, dich anspornen, dir Möglichkeiten aufzeigen?
  • Wie kann ich dein geistliches Leben unterstützen? Wie kann ich dir Raum schaffen, um besser mit Jesus Christus in Kontakt zu kommen? Brauchst du einfach mal Stille, eine tägliche Jogging-Zeit mit Jesus, geistliche Bücher, Gespräche mit Freunden, einen Hauskreis?
Diese Fragen sind in gegenseitiger Unterordnung gegenseitig zu stellen, wie es die Überschrift der Haustafel vorschreibt. Die Frau ist heute gleichberechtigt gefordert, sich in der Liebe Jesu um ihren Mann zu kümmern, der Mann ist herausgefordert, die Frau nicht als Erfüllerin seiner Wünsche zu verstehen, sondern als Partnerin, die er nach ihren Bedürfnissen zu fragen hat.

Die Liebe der Eheleute wird hier mit dem Begriff der Gottesliebe gekennzeichnet.
Eheliche Liebe ist weiter gefasst als sexuelles Begehren in der Ehe, um Unzucht zu vermeiden. So kommen neben der Ehe auch alle anderen Sozialbeziehungen in den Blick, die durch gegenseitiges Vertrauen gekennzeichnet sind. Die Liebe, die hier als die Basis der Ehe genannt wird, kann nur von Gott selbst initiiert sein. Sie erfährt auch von ihm her ständige Erneuerung und Veränderung. Sie umfasst nicht nur den Körper des anderen, sondern sein ganzes Wesen und sieht den Partner, die Partnerin im Licht Gottes, der sie erschaffen hat mit so vielen Möglichkeiten. Von Gott her wird auch Vergebung ermöglicht, wo Liebe missbraucht wird durch Herrschaft, egoistisches Beharren auf die eigenen Ansprüche und verantwortungsloses Hinnehmen von falschen Entwicklungen.

Das Verständnis von Unterordnung heute

Ich kann Unterordnung keinem Geschlecht zuschreiben, sondern sehe Frau und Mann miteinander in der Pflicht. Individuell müssen wir uns als Eheleute die Frage gefallen lassen, auf welcher Seite es für uns die größeren Schwierigkeiten gibt. Bin ich eher bereit, mich meinem Mann unterzuordnen, dann muss ich mich fragen lassen, ob ich auf meinen Mann höre, weil er sein Urteilen und Handeln aus Gottes Liebe zu mir begründet, oder ob ich einfach zu bequem bin, mir meine eigene Meinung zu bilden, mit ihm auch um den Weg zu ringen. Neige ich dazu, voran zu gehen und den gemeinsamen Weg zu bestimmen, muss ich mich hinterfragen lassen, ob ich diese Marschrouten aus der Liebe zu meinem Mann heraus festlege, oder ob nicht doch versteckt das Gefühl von Macht, Sieg oder meine eigenen Interessen den Ausschlag geben. 

Erst wenn ich mich mit meinem Mann diesen Fragen gestellt habe, kommt der nächste Schritt. Wie sieht Unterordnung aus, wenn ich voraussetze, dass mein Mann den Weg auf einem bestimmten Streckenabschnitt vorgibt, weil er es aus Liebe zu mir tut und in Verantwortung vor Gott? (und umgekehrt, wenn eine Frau den Weg vorgibt und ein Mann sich unterordnet)

  • Unterordnung bedeutet nicht, alles ohne Widerstand hinzunehmen. Gewalt, Missbrauch von Macht, Brechen von Geboten Gottes von Seiten des Anderen entbinden mich vom Gehorsam, denn "du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apostelgeschichte 5,29).
  • Unterordnung schließt aus, dass ich hintenherum doch Macht ausübe durch psychischen Druck, sexuellen Entzug, Nörgelei an den Entscheidungen meines Mannes, schlechtes Reden über ihn bei anderen.
  • Unterordnung erfordert, dass ich überzeugt bin, dass mein Mann auf diesem oder jenem Gebiet die Gaben und den Auftrag enthalten hat, voranzugehen. Diese Einschätzung gebe ich ihm zu verstehen, um klar zu machen, dass ich mich bewusst einordnen will, er in der Verantwortung ist.
  • Dann stehe ich voll hinter ihm, beschwere mich nicht hintenrum oder im Nachhinein über seine Entscheidungen und sein Verhalten, sondern gehe immer davon aus, dass er so in der Liebe zu mir entschieden hat. Ich ermutige ihn, mit Gott Verbindung zu halten und räume ihm Zeit dafür ein. Ich bete für ihn.
  • Das erwarte ich auch umgekehrt, wenn mir die Führungsrolle zufällt und ich auf seine Unterstützung und Fürbitte angewiesen bin.
Woran Ehe heute krankt
Wenn ich über Epheser 5 predige, kann ich die Ehe leider nicht nur rosarot an den Himmel malen. Die gegenwärtige Zerreißprobe dieser Lebensform muss uns auch als Christen beschäftigen. Sie betrifft nicht nur die Ehe, sondern auch verlässliche Freundschaften und Beziehungen über die Generationen hinweg.
Hier möchte ich nur einige Stichworte nennen:
  • Die überhöhten Glückserwartungen aneinander. Der andere soll mich glücklich machen, das ist für viele der Sinn der Beziehung, es wird gesucht nach der fehlenden Ergänzung des eigenen Ichs. Doch Gott allein macht glücklich, die Gemeinschaft von Menschen kann dieses Glück der Gotteserfahrung immer nur teilen und auch weitergeben. Wer das Glück von einem anderen Menschen erwartet, überfordert ihn heillos.
  • Das Paar hat keine gemeinsame Mission. Wenn Jesus zwei und zwei aussandte, dann hatten die beiden den konkreten Auftrag, Menschen für Gott zu gewinnen. Nichts anderes ist die Ehe in all ihren Facetten, ob es um leibliche oder adoptierte Kinder, Patenkinder, Lebensaufgaben geht, die beiden haben eine Mission zu erfüllen und brauchen einander dafür. Leben beide für ihre je eigenen Ziele, werden sich die Wege bald trennen.
  • "Liebe" wird auf die erotische Liebe reduziert, wie es seit dem 19. Jahrhundert erst aufkam. Damit werden wichtige Formen des Zusammenlebens nicht ausgebaut, ein freundschaftliches Verhältnis, das einander durch dick und dünn begleitet, ein geistliches Geschwisterverhältnis, das uns miteinander vor Gott stehen lässt und zur Quelle zurückbringt.
  • Die Urinstinkte des Menschen im Konfliktfall, Flucht oder Kampf ("Flight or Fight") schlagen stärker durch als die durch Jesus Christus ermöglichten Handlungsmuster der Vergebung und des Neuanfangs.
Ehe und jede andere Form der zwischenmenschlichen Beziehung ist bedroht vom Scheitern.
Niemand kann heute so naiv sein, ein solches Scheitern als Ausnahme auch unter Christen abzutun. Doch auch in der Schulderfahrung greifen die Basisaussagen des Epheserbriefes. In der Bewältigung von Schuld und Vergebung muss ich den anderen zuerst im Blick haben. Wo habe ich ihn verletzt? Wo bin ich schuldig geworden an den Vorgaben Liebe und Einheit? Wo habe ich mich nicht untergeordnet, sondern auf meiner Macht beharrt, und wo habe ich nicht geführt, obwohl ich es hätte tun müssen? Auf dieser Basis kann Vergebung wachsen, die einen neuen Anfang zulässt, nicht unbedingt in der gescheiterten Beziehung, aber auf neuen Wegen, die nicht auf Trümmerbergen aufbauen, sondern auf dem tiefen Wissen um den liebenden und barmherzigen Gott.

Das Evangelium ist im Epheserbrief mit Händen zu greifen:

  • Christus ist Basis der Ehe von Christen. Die Jahreslosung, Gottes Zusage an Josua, gilt für Christus und die Eheleute: Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht. Sei mutig und stark! (Josua 1,5)
  • Wenn ein Ehepartner den Weg des Glaubens nicht mitgeht, so ist der andere mit seiner Haltung Missionar für die Sache Jesu, indem er die andere annimmt, sie fördert mit der hingebenden Liebe, die Jesus gelehrt hat, dem Blick auf das Du. Aber auch in der Konsequenz, auf Gott zu hören und ihm mehr zu gehorchen, als den Menschen.
Liebe und Einheit, möge uns das in unseren Beziehungen, die den Alltag tragen, von Jesus Christus her immer neu geschenkt werden.
Cornelia Trick


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