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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Der Taumelkäfer ist für mich mit seinen vier Augen ein Überbleibsel des Paradieses. Er sieht, was unmittelbar vor ihm liegt, den Alltag und die Notwendigkeiten des Lebens. Er hat aber auch Augen für den Himmel. Diese Augen für den Himmel sind bei uns Menschen verkümmert. Zwar haben wir die angelegte Sehnsucht, dass es jemand gibt, der unser Leben sieht und es in die richtigen Bahnen lenkt, doch es bleibt bei einer Ahnung. Ganz anders sehen die Augen des Alltags. Was für uns heute dran ist, was wir tun wollen und sollen, wie wir unsere Nahrung beschaffen und was uns bedroht, das sehen wir überdeutlich. Dadurch geraten wir in Schieflage. Wenn der Kopf immer unter Wasser ist, hängt bald der ganze Taumelkäfer unter Wasser. Im ungünstigsten Fall erstickt er dabei, denn er ist auf Luftatmung angewiesen. Jesus ist auf die Welt gekommen, um dieses zweite Augenpaar zum Leben zu erwecken. Er will uns Gottes Perspektive schenken, den Blick über unsere Alltagsgeschäfte hinaus, den Blick über uns selbst hinaus. Denn mit den neuen Augen sehen wir erst Gott, der unserem Leben Weite, Sinn und Zukunft gibt. Mit den neuen Augen sehen zu lernen, braucht Zeit. Es ist nicht damit getan, Jesus einmal begegnet zu sein und dann begeistert Ja zu rufen. Die neuen Augen können ganz leicht wieder verkümmern, das Vertrauen zu Jesus kann brüchig werden. Der Alltag mit seinen Problemen scheint bald wieder größer als die Hilfe, die Jesus anbietet. So hilft nur, sich im neuen Sehen schulen zu lassen. Der Brief an die Hebräer ist eine solche Sehschule für Christen, die schon mit dem zweiten Augenpaar sehen können, aber deren Sehkraft mit der Zeit wieder abgenommen hat. Die Christen, an die sich der Brief richtet, sind in die Jahre gekommen. Sie sind müde, erschöpft, resigniert und kurzatmig. Vom Aufbruch der ersten Generation ist nicht mehr viel zu spüren. Der Horizont von Gottes neuer Welt ist aus dem Blick geraten. Heute möchte ich mit Ihnen eine kleine Unterrichtseinheit aus dieser Sehschule betrachten. Vielleicht wird dadurch Gottes Gegenwart wieder deutlicher sichtbar, Jesu Fürsorge größer als unsere Sorge, die Lebensfreude intensiver, weil der Blick Weite nach vorn bekommt. Hebräer 11,8-10 Wenn wir Abraham betrachten, lernen wir viel über Gottes Weg mit uns Menschen. Wir lernen, dass Gott uns führen möchte und dass es darum geht, auf ihn zu hören und seinen Weg mitzugehen. Im Hebräerbrief wird nicht das ganze Leben Abrahams thematisiert, das das erste Buch Mose von ihm zeichnet, sondern nur drei Aspekte beleuchtet. Diese drei Punkte beschreiben, wie sich das Vertrauen, das Abraham zu Gott hatte, auswirkte:
Der persönliche Ruf zum Aufbruch Wir sind nicht Abraham, das wusste der Schreiber des Hebräerbriefes auch. Doch Gottes persönliches Rufen galt nicht nur Abraham damals, sondern vollzieht sich immer wieder auf ganz ähnliche Weise. Gott ruft heute durch Jesus Christus Menschen auf, ihm ganz zu vertrauen. Jesus möchte mit jedem und jeder von uns neu ein Stück Geschichte schreiben. Dafür ist es nötig, dass wir aus unserem Alltagsgeschäft, unserem Suchen nach Nahrung unter der Wasseroberfläche, herausgerufen werden, um den Blick auf Jesus zu richten. Jesus sammelt Menschen, die auf ihn schauen, mit ihm in Beziehung sind und ihn auf dieser Erde loben. Dafür tippt er uns an, klopft uns auf die Schulter, rüttelt uns auch aus dem Schlaf wach und ruft uns zu sich. Die müde Gemeinde der Hebräer hatte offensichtlich dieses Werben Jesu nicht wahrgenommen und verschlafen. Sie ist auf dem Sofa liegen geblieben, statt aufzustehen und die wunderbare Landschaft zu bestaunen, die Jesus ihr zeigen wollte. Wie steht es mit uns? Sind wir bei den Schlafenden oder lassen wir uns wecken? Ruft Jesus uns persönlich zum Aufbrechen? Manche oder mancher mag jetzt denken, ja, wohin soll ich denn aufbrechen? Ein Umzug steht nicht an, der Alltag fordert meine ganze Kraft, da kann ich doch nicht alles stehen und liegen lassen und mich wie ein Aussteiger auf den Weg machen in eine unbekannte Zukunft. Will das Jesus etwa von mir? Lassen wir uns nicht gleich von Abrahams radikalem Aufbruch entmutigen. Es geht nicht gleich um die große Lebenswende, sondern doch eher um unsere kleinen Aufbrüche. Sie bedeuten, dass wir Gewohntes loslassen, uns von der Sorge um uns selbst trennen und uns in Gottes Dienst stellen. Dass wir uns herausfordern lassen von Aufgaben, die Gott uns stellt und von ihm die Kraft dazu bekommen. Als Albert Schweitzer, Arzt, Theologe und Missionar, von Leuten bedrängt wurde, die wissen wollten, wie sie Gottes Rufen denn hören könnten, antwortete er ihnen: "Schaffen Sie sich ein Nebenamt, wo Sie Dienst tun können. Ein Mensch oder ein Werk braucht ein bisschen Zeit, Freundlichkeit, Teilnahme oder Arbeit. Da können Sie sich einbringen. Lassen Sie sich nicht entmutigen beim Warten oder Experimentieren. Auch Enttäuschungen werden Sie erleben. Aber lassen Sie sich dieses kleine Nebenamt nicht entgehen. Es kann Ihre Berufung sein." Den Ruf Jesu zum Aufbruch hören wir wahrscheinlich nicht so einschneidend wie Abraham. Aber er ist überall da zu vernehmen, wo wir uns wachrütteln lassen, uns in den Dienst Jesu stellen und abwarten, wozu er uns selbst im kleinsten "Nebenamt" gebrauchen will. Auch als Gemeinde werden wir wachgerüttelt. Es geht im Gemeindeleben nicht um uns, unsere Kuscheldecken und unsere Rundum-Sorglos-Versicherung. Gemeinde ist der Ort, um Jesus wirken zu lassen, und der will durch uns in die Welt wirken. Aufbruch kann heißen, wir wollen 2009 ProChrist im Ort durchführen, um Menschen zu Jesus einzuladen. Wenn unsere Kirchenräume nicht ausreichen, um dann auch neue Menschen aufzunehmen, müssen wir sie erweitern. Das ist ein gewaltiger Aufbruch, der unser Vertrauen zu Jesus ganz schön herausfordert. Denn wir bauen dabei nicht auf unsere Kraft, unser Geld, unsere Manpower. Das alles haben wir ja gar nicht in ausreichendem Maße, um ProChrist und einen Umbau durchzuführen. Wir vertrauen nur darauf, dass Gott, der uns gerufen hat, den Weg kennt und mit uns geht. Als Fremder in der Fremde Doch wie eine Telefonschnur zu Gott reihten sich Altäre am Weg des Abraham aneinander, die dokumentierten, wie Abraham in der Fremde mit Gott in Kontakt geblieben ist. Er hatte mit den Bewohnern des Landes gelebt, aber ist seinem Gott treu geblieben. Seine Berufung hatte er nicht aus den Augen verloren. An den Stationen seines Weges baute er Altäre, um Gott zu danken für die Wegetappe und ihn sicher auch um neue Wegweisung zu bitten. Christen gehören in diese Welt, aber sie sollten in Erinnerung behalten, dass es noch eine andere Berufung gibt, als im Alltag zu bestehen. Sie haben Bürgerrecht im Himmel, ihre geöffneten Himmelsaugen sehen eine andere Wirklichkeit als die, die vor den Füßen liegt. Ich frage mich, wie es um unser Telefonnetz zu Gott beschaffen ist. Sind es unsere täglichen Gebete, die uns mit Gott in Verbindung halten? Sind es die Gebetszeiten in der Gemeinde, die Wegmarkierungen darstellen? Nutzen wir diese Zeiten, um uns Gottes Gegenwart zu versichern? In der Fremde hatte Abraham in Zelten gewohnt, nicht in festen Städten. Die Ausbreitung der Methodistenkirche in Amerika ist auf die hohe Flexibilität der methodistischen Reiseprediger zurückgeführt worden, die mit den Siedlungstrecks gen Westen gezogen sind. Sie haben sich nicht in festen Kirchen etabliert, sondern waren da, wo die Menschen waren. Leben in der Fremde heißt auch heute, dahin zu gehen, wo die Menschen sind. Uns nicht in Tempeln einzumauern und unser Eigenleben zu führen, sondern dorthin zu ziehen, wo Gott uns haben will. Wie sieht es in unserem persönlichen Leben aus? Wer hält uns fest - unsere Immobilien oder Gottes Auftrag? Wie sieht es für uns als Gemeinde aus? Sind wir offen für neue Fragen, neue Aufgaben und neue Zielgruppen? Oder sind unsere Konzepte fest gemauert und wir suchen nur nach Menschen, die zu diesen Konzepten passen? Warten auf das Ziel Mit Abraham warten wir auf das große Ziel, die endgültige Gemeinschaft mit Gott in seinem Reich. Wir haben Jesus Christus kennen gelernt, der als erster Bürger dieses neuen Reiches uns vorausgeht und den Weg dahin frei macht. Ihm können wir folgen. Es ist wie ein langer Staffellauf, bei dem die Menschen des Alten Testaments begannen, das Staffelholz weiterzureichen. Seit Jesus haben wir einen, der uns vorausgeht und den Weg ebnet, der vorher doch sehr undurchdringlich und gefährdet war. Wir bekommen das Staffelholz von unseren Vätern und Müttern des Glaubens und geben es weiter an unsere Kinder bzw. an die Menschen, denen Jesus neu begegnet. Am Ziel sind wir jetzt noch nicht. Deshalb dauert der Lauf noch an. Deshalb sollten wir uns noch nicht allzu häuslich in dieser Welt niederlassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir unser neues zweites Augenpaar trainieren und das Ziel immer fester in den Blick bekommen. Das Vertrauen zu Gott hat Wirkung. Bei Abraham wirkte es sich aus, dass er Gottes Ruf hörte und folgte, dass er als Fremder im fremden Land die Verbindung zu Gott aufrecht erhielt und dass er wartete auf die feste von Gott gebaute Stadt. Wie wirkt sich der Glaube bei uns aus? Hören wir auf Jesu Rufen? Bleiben wir mitten im Alltag in Verbindung mit ihm, und sind wir uns bewusst, dass alle festen Häuser und Gemeindezentren in Gottes Augen nur Zelte sind, die abgerissen werden, wenn die neue Stadt uns ruft? Alle diese Zeugen, die uns wie eine Wolke umgeben, spornen uns an. Darum lasst uns durchhalten in dem Wettlauf, zu dem wir angetreten sind, und alles ablegen, was uns dabei hindert, vor allem die Sünde, die uns so leicht umgarnt!(Hebräer 12,1) Cornelia
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