Leiden in Freude und Hoffnung
Gottesdienst am 11.11.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
bei einer Besichtigung Roms machten wir auch einen Ausflug zu einer Anlage von Katakomben etwas außerhalb der Stadt. Eine beeindruckende unterirdische Grabanlage wurde uns gezeigt, in der noch Knochenreste der Christen der ersten Jahrhunderte in der Erde zu erahnen waren. Der Führer erzählte uns, wie es zu diesen unterirdischen Grabanlagen rund um Rom gekommen war. Christen wollten nicht an den heidnischen Verbrennungsriten der Toten teilnehmen. Sie übernahmen die jüdische Art, die Toten als ganze Körper zu bestatten. Da Christen meistens arm waren und ihnen nicht viel Land für Beerdigungen zur Verfügung stand, wählten sie die unterirdische Begräbnisvariante. Mit wenig Landbesitz konnten viele beerdigt werden. Auch wenn immer die Gefahr bestand, dass der christliche Landbesitz enteignet wurde, konnte man von anderen Stellen aus in die Katakomben gelangen. Die einzelnen Grabkammern wurden wie Kajütenbetten für die Verstorbenen aus dem Gestein geschlagen. Gottesdienste für die Verstorbenen fanden aus Platzgründen auch oberirdisch statt, eine gute Gelegenheit für Christenverfolger, Christen zu identifizieren und sie sogar zu töten, wie es in einzelnen Fällen geschehen ist. Es war ein beklemmendes Gefühl, an einem sonnigen Tag in Rom so nahe an den Märtyrergräbern zu stehen und mit dem Ernst des Glaubens an Jesus Christus konfrontiert zu sein. Christsein war in den ersten Jahrzehnten nach Jesu Auferstehung kein Sonntagsvergnügen, sondern ein Bekenntnis auf Leben und Tod. Ich fragte mich an diesen Gräbern, hätte ich an oberirdischen Gottesdiensten teilgenommen und mein Leben für Jesus riskiert? Hätte ich das Lied auf den Lippen gehabt, das vollmundig bekennt: Ein Leben, gegeben für den Herrn der Welt? Hätte mein Glaube standgehalten, wenn die Schwerter auf mich zugerückt wären?

Doch für Jesus gelitten haben nicht nur Römer vor knapp 2000 Jahren. Auch heute gibt es genug Christen in der Welt, die um ihres Glaubens willen leiden, verfolgt werden, in Arbeitslagern landen oder getötet werden. In einer Übersicht über Christenverfolgungen im Jahre 2006 kostet der Glaube am meisten in Nordkorea, gefolgt von Saudi-Arabien, dem Iran, Somalia und den Malediven. Verfolgte Christen weltweitObwohl dort Christen massiv bekämpft werden, ist der Glaube an Jesus Christus nicht ausgerottet worden. Im Gegenteil, dort entstehen immer wieder neue Gemeinden, Untergrundbewegungen und erstaunliche Netzwerke von Christen. 

Mich beschäftigen angesichts dieser Situation zwei Fragen:

  • Was  bedeutet Verfolgung für den Glauben an Jesus Christus?
  • Was ist unsere Aufgabe hier angesichts der weltweiten Verfolgung?
Im Brief des Petrus an die Gemeinden in Kleinasien finden wir weiterführende Aussagen dazu. Es war damals die Zeit der beginnenden Verfolgungen der Gemeinden. Die Christen wurden von ihren engsten Mitmenschen verleumdet. Suchte man einen Sündenbock, eigneten sich Christen perfekt dafür. Die Christen selbst wurden durch die Angriffe verunsichert. Sollte nicht der Herr bald wiederkommen? Warum befreite er sie nicht aus ihrem Leid? Warum sorgte er nicht für Gerechtigkeit? Sollten sie nicht um ihrer Familien willen äußerlich ihren Glauben aufgeben und ihn nur ganz privat für sich pflegen? Die Gemeinden drohten auseinander zu brechen. Einige liefen weg und sprachen den Satz öffentlich: "Ich sage dem christlichen Glauben ab." Andere blieben und versuchten, mit Gottes Hilfe die Gemeinde am Leben zu halten. In diese Situation hinein spricht der erste Petrusbrief:

1. Petrus 4,12-19

Meine Lieben, wundert euch nicht über die harte Probe, die wie ein Feuersturm über euch gekommen ist. Sie kann euch nicht unerwartet treffen;  denn ihr leidet ja nur etwas von dem mit, was Christus gelitten hat. Freut euch vielmehr darüber, denn wenn er in seiner Herrlichkeit erscheint, werdet ihr erst recht von Freude und Jubel erfüllt sein. Ihr könnt euch glücklich preisen, wenn ihr beschimpft werdet, nur weil ihr euch zu Christus bekennt; denn dann ist der Geist Gottes bei euch, in dem Gottes Herrlichkeit gegenwärtig ist. Natürlich darf es nicht sein, dass jemand von euch als Verbrecher leidet, als Mörder oder Dieb oder Aufrührer. Aber wer einzig wegen Christus leidet, soll sich nicht schämen, sondern sich ohne Scheu zum Christennamen bekennen und Gott dadurch ehren. Denn jetzt ist die Zeit, in der das Gericht Gottes bei seiner Gemeinde den Anfang nimmt. Wenn es aber bei uns anfängt, wie wird es dann am Ende denen ergehen, die Gottes Gute Nachricht ablehnen? Ihr wisst doch: "Sogar wer Gott gehorcht, wird nur mit knapper Not gerettet. Was wird dann aus dem Sünder, der Gott verachtet?" Darum sollen alle, die nach dem Willen Gottes zu leiden haben, sich ganz ihrem Schöpfer anvertrauen und nicht davon ablassen, das Rechte zu tun. 

Der Apostel rüttelt die Gemeinde wach. Es geht in seinem Brief gerade um Gemeinde, Gemeindeleben und Mitarbeit. Manche schalteten bei diesen Themen vielleicht ab. Sie dachten, Gemeinde würde schon weiterlaufen auch ohne ihr Engagement. Doch der Apostel weckte sie mit den Worten "Meine Lieben" - um euch geht es doch! Hört her, denn ihr seid mir sehr wichtig. Ich will euch lehren, warnen und stark machen. Jetzt kommt ein Thema, das für euch alle überlebensnotwendig ist.

Petrus stellt zuallererst fest, dass Verfolgung normal ist. Es ist eine Wunschvorstellung, dass man mit Christus ein ruhiges, friedliches und problemloses Leben führt. Jesus selbst pries die Menschen selig, die um seinetwillen geschmäht und verfolgt wurden und über die man Übles und Lügen in die Welt gesetzt hatte (Matthäus 5,10-12). Und Petrus selbst war gefangen genommen worden und wartete in Jerusalem auf sein Todesurteil, bevor er von einem Engel aus dem Gefängnis befreit wurde (Apostelgeschichte 12). Christen führen kein ruhiges, stromlinienförmiges Leben in der Welt, sondern zeigen die Alternative zur Welt. Sie sind allein von Gott abhängig, von ihm ausgerüstet mit Geist und Kraft, die unerschöpflich ist. Deshalb lassen sie sich von keinem Menschen einschüchtern und werden für jeden, der die absolute Macht für sich beansprucht, zur Bedrohung. Verfolgung ist für Christen ein Zeichen, dass sie Menschen mit Allmachtsphantasien Angst einjagen.

Petrus führt aus, warum Verfolgung der Normalzustand ist:

1 Verfolgung ist Prüfung

Diese Prüfung der Glaubenden vergleicht Petrus mit einer Feuersbrunst. Plötzlich, unaufhaltsam und vernichtend bricht sie herein und brennt alles nieder, das aus brennbarem Material besteht. Allerdings bleiben die Gegenstände verschont, die feuerfest sind. Petrus sieht diese nicht-brennbaren Gegenstände als Glaube, der einer Verfolgung standhält. Wird geglaubt, weil man sich Vorteile davon erhofft, kann eine Verfolgungsfeuerwalze allen Glauben verbrennen. Wird an Jesus geglaubt, weil er sich als Retter erwiesen hat, ohne den man nicht mehr leben kann, wird auch Verfolgungsfeuer nicht von ihm trennen.

Verfolgung klärt die Christusbeziehung. Ist er wirklich der eine, an dem das Leben hängt und der auch im Tod festhalten wird?

2 Verfolgung bindet an Jesus

In der Verfolgung sind Christen ganz nahe an Jesus gebunden. Sie sind geborgen in seinem Leidensweg. Jesus litt, um die Sünde der Welt zu tragen und zu besiegen. Christen nehmen in bedrängten Situationen an diesem Leiden Jesu an der Gottestrennung der Welt teil. Sie wiederholen Jesu Leiden nicht und fügen ihm auch nichts hinzu, aber sie wissen sich in Jesu Leiden aufgehoben und von ihm zum Leben mit ihm hindurch getragen. Sie leiden mit ihm unter Menschen, die von Gott nichts wissen wollen und ihrer eigenen Kraft vertrauen.

Weil sie mit Jesus leiden, dürfen sie auch auf seinen Sieg voraus schauen. Dieser Sieg Jesu über den Tod lässt sie jetzt schon voller Vorfreude sein, selbst in bedrängendsten Verfolgungszeiten. Jesu Freude ist in ihnen und strahlt aus ihnen heraus.

3 Die Freude im Leiden wird ermöglicht durch Heiligen Geist

Der Heilige Geist schafft die Verbindung zur Welt Gottes. Er ist wie ein Wasserschlauch aus dem Himmel, der die Feuersbrunst rund um die Christen aufhält und sie am Leben hält. So ist es nicht verwunderlich, dass Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg gab, dass sie keine Angst vor Verhören haben mussten. Der Heilige Geist würde durch sie sprechen und ihnen das eingeben, was sie sagen sollten (Markus 13). Der Heilige Geist macht sicher, auf der Seite Gottes zu stehen und befreit vor den Selbstzweifeln, ob es wirklich richtig war, das ganze Leben auf eine Karte, nämlich Jesus zu setzen.

4 Verfolgung bedeutet Beginn des Gerichts Gottes über die Sünde

Gott, so stellt es der Apostel fest, beginnt bei seinen Kindern mit dem Gericht. Dieser Gedanke findet sich schon im zweiten Buch der Chronik direkt nach der Einweihung des Tempels in Jerusalem. Gott sprach nachts zu König Salomo: "Es kann sein, dass ich Dürre, Heuschrecken, Pest über das Land schicke." (2 Chronik 7,14) Dann, so gingen seine Worte weiter, war das die Chance zur Besinnung, zur Umkehr und zum Gebet für das Volk Israel. Gott versprach Salomo, er wollte auf das Gebet seines Volkes hören, Schuld vergeben und das Land von der Verwüstung heilen. Der Apostel bezieht diese Aussagen auf die Gegenwart der Gemeinde. Wenn Gott die ersten Zeichen seines Gerichts die Gemeinde Jesu spüren lässt, ist es Zeit zur Besinnung und zur Umkehr. Noch kann Gottes Gericht aufgehalten werden. 

Petrus gibt den Gemeinden in Kleinasien vier Deutungsversuche für Verfolgungszeiten der Gemeinde. Sie waren für die Gemeinden wichtig, um sich zu orientieren und an Jesus festzuhalten auch angesichts von haushohen Flammen rund um ihre Gemeinden. Für uns hier können diese Ausführungen auf jeden Fall die Funktion eines Notfallkoffers haben. Gut, wenn wir sie dabei haben für den unwahrscheinlichen Fall, dass auch wir mal verfolgt werden.
Doch bin ich mir sicher, dass diese Worte nicht nur für einen eingestaubten Notfallkoffer bestimmt sind. Sie sind ein direktes Fragezeichen. Wenn Verfolgung normal ist, warum erleiden wir sie nicht? Sind wir zu angepasst, um in unserer Umgebung Widerstand hervorzurufen? Wissen unsere Arbeitskollegen, unsere Nachbarn und Ehepartner, dass uns nichts wichtiger ist als Jesus und wir uns von niemand diese Liebe zu ihm aus dem Herzen reißen lassen werden?
Ich möchte einige Aspekte von Verfolgung in unser Leben übersetzen:

Verfolgung als Prüfung

Als Christ zu leben ist nichts Nebensächliches, es soll uns mit Stolz erfüllen. Wir brauchen uns für unseren Glauben nicht zu schämen. Jesus formt unseren Charakter. Er kann unsere Angst um uns selbst verwandeln in Mut und Entschlossenheit, für ihn einzutreten. Er kann unsere Selbstüberschätzung, das Leben mit eigenen Mitteln zu managen, verändern durch Gebet. Er kann unsere Unverbindlichkeit ihm gegenüber zu Verlässlichkeit formen. Auch wenn keiner mit dem Schwert vor unserer Haustür steht, gibt es die kleinen subtilen Spitzen durchaus. Dass ein Jugendlicher im Religionsunterricht ausgelacht wird, wenn er bekennt, die Bibel ernst zu nehmen, ist eine Form der Infragestellung des Glaubens. Dass jemand Schwierigkeiten bekommt, weil er an einem Abend in der Woche früher von der Arbeit nach Hause muss, weil er um 20 Uhr seinen Hauskreis besuchen will, kann ihn in eine bedrängte Situation bringen. Dass jemand eine Freundschaft beendet, weil der Freund ihm seinen Glauben austreiben will, kann an die Nieren gehen. Diese kleinen Stacheln unseres Alltags sind noch keine Christenverfolgung, aber durchaus sind es Prüfungen, ob es uns mit Jesus wirklich ernst ist.

Gewissheit durch den Heiligen Geist

Wenn wir unseren Glauben verteidigen müssen, erfahren wir Gottes Geist stärker, als wenn unser Alltag unangefochten dahin dümpelt. Wir merken, dass Gott uns die richtigen Worte schenkt, dass wir eine innere Freude spüren, die uns über die Durststrecke hinweg trägt, und dass wir hoffen können auf Gottes Eingreifen, auch wenn alles verloren erscheint. Dieser Heilige Geist wirkt auch schon in den ruhigen Zeiten. Wir können ihm Raum geben und ihn einladen in unser Leben durch Singen, Gott Loben, Beten, in der Stille. So werden wir widerstandsfähiger für die härteren Zeiten.

Verfolgung als Bußruf

Nicht erst eine Geheimpolizei an der Kirchentür kann zu Besinnung und Umkehr führen. Auch in Friedenszeiten ist die Herausforderung aktuell. Jesus lädt uns ein, unser Leben auf den Prüfstand zu stellen. Was ist mir wirklich wichtig? Geht es immer nur um mich, oder sehe ich weg von mir zu anderen? Sehen wir als Gemeinde unsere Aufgabe, oder drehen wir uns um uns selbst? Üben wir uns in der Fürbitte für verfolgte Christen, für ihre Verfolger, für Heilung dieser Länder und ihrer Menschen?

Das Ziel nennt der Apostel. Es geht darum, aus vollem Herzen und egal in welcher Lage, Gott zu vertrauen und Gutes zu tun. Wenn Petrus diesen Hinweis Verfolgten gibt, wie viel mehr gilt es, ihn hier und jetzt zu befolgen.

"Gott wird euch Kraft geben, sodass euer Glaube stark und fest bleibt und ihr nicht fallen werdet. Ihm gehört die Macht für alle Zeiten. Amen." (1. Petrus 5,10-11)

Cornelia Trick


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