Konflikte bringen voran (Apostelgeschichte 15,35-41)
Gottesdienst am 9.7.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
in der Zeitung lag wieder einmal ein Werbezettel für eine Kreuzfahrt. Versprochen wurde Urlaub auf höchstem Niveau. Wunderbare Ziele wurden angepriesen, exotische Landgänge, phantastisches Essen im Überfluss, traumhafte Kabinen mit Blick aufs Meer und ein abwechslungsreiches Bordprogramm für alle Generationen. Manche kennen die langjährige ZDF-Serie „Traumschiff“. Da wird diese heile Werbe-Welt auch gezeigt, aber hinter den Kulissen werden Schicksale erzählt, Abgründe und Verwicklungen menschlichen Lebens, die dieser Werbeprospekt-Idylle widersprechen. 

Die Bibel beschreibt die Anfänge der Gemeinden Jesu. Erste Schilderungen scheinen wie ein Hochglanz-Prospekt. Alle waren täglich beieinander, sie hatten ihre Besitztümer geteilt, täglich kamen Neue dazu und ließen sich taufen. Aber bald schon wird ein Blick hinter die Kulissen gewährt. In den Gemeinden waren Menschen wie du und ich. Zwar an die Kraftquelle des Heiligen Geistes angeschlossen, waren sie dennoch nicht völlig verändert. Ihr Glaube verband sie miteinander, aber ihr Friede war nicht konfliktfrei.

Mitten in der Apostelgeschichte wird ein tiefgreifendes Zerwürfnis der jungen Gemeinden kurz erwähnt. Es entfachte sich an einer Mitarbeiterfrage, der aber ein tieferliegendes Problem zugrundelag. 

Paulus und Barnabas – ein Team

Paulus war von Gott vom Christenverfolger zum Missionar unter Nicht-Juden berufen worden. Barnabas war in der Jerusalemer Urgemeinde ein Mann der ersten Stunde. Er hatte sogar seinen Acker für die Gemeinde verkauft. Er wurde von Jerusalem aus nach Antiochien geschickt, um die Gemeindegründung in Antiochien zu begutachten. Schließlich waren in Antiochien zum ersten Mal Judenchristen und Heidenchristen beieinander. Dort traf Barnabas Paulus. Von der antiochenischen Gemeinde wurden die beiden als Team in die Mission ausgesandt. Mit dabei war auch Johannes Markus, der ebenfalls der Jerusalemer Gemeinde entstammte.

Auf dieser ersten Missionsreise gründeten sie Gemeinden, in denen zunehmend Leute ohne jüdischen Hintergrund lebten. Paulus verfocht die Ansicht, dass allein der Glaube an Jesus Christus zählte und mit Jesus das Halten der jüdischen Gebote nicht mehr Voraussetzung war, um zu Gott zu gehören. Johannes Markus sah das wohl anders. Er war von Jerusalem geprägt und hielt wohl daran fest, dass auch Nicht-Juden an jüdischer Lebensweise festhalten mussten. Er verließ das Team.

Nach der ersten Missionsreise kamen Paulus und Barnabas wieder zurück nach Antiochien. Hier wurde ihre Freundschaft auf die Probe gestellt. Eine Delegation aus Jerusalem war angereist, um die Rechtgläubigkeit der jungen Gemeinde zu prüfen. Man aß miteinander, sonst in Antiochien kein Problem, alle saßen miteinander am Tisch und teilten das Brot. Doch nun sah die Sache anders aus. Die Jerusalemer legten Wert darauf, dass Juden nicht mit Nicht-Juden, die sich nicht nach dem jüdischen Gesetz richteten, essen konnten. Paulus blieb bei den Nicht-Juden demonstrativ sitzen, Barnabas dagegen erhob sich um des lieben Friedens willen und setzte sich zu der Jerusalemer Abordnung. Paulus wertete das, als ob seine Heidenmission verraten worden war.

So kam es zu einer klärenden Konferenz in Jerusalem. Minimalanforderungen wurden an die Heiden gestellt, um das Zusammenleben in Zukunft zu ermöglichen. Die Heidenchristen sollten sich von Fleisch fernhalten, das bei Kultfeiern geopfert worden war, sie sollten keine Blutwurst essen – nach jüdischem Verständnis war im Blut das Leben, es zu essen, widersprach dem Tötungsverbot – und sich von sexuellen Ausschweifungen, die häufig in Zusammenhang mit Tempelkulten standen, fernhalten.
Der Konflikt schien erst einmal beigelegt.

Apostelgeschichte 15,35-41

Paulus und Barnabas blieben in Antiochia. Zusammen mit vielen anderen unterwiesen sie die Gemeinde und verkündeten den Menschen in der Stadt die Botschaft Gottes. Nach einiger Zeit sagte Paulus zu Barnabas: »Lass uns noch einmal alle die Orte besuchen, in denen wir die Botschaft Gottes verkündet haben! Wir wollen sehen, wie es den Brüdern und SchwesternF geht!« Barnabas wollte Johannes Markus mitnehmen, aber Paulus lehnte es ab, noch einmal mit ihm zusammenzuarbeiten; denn er hatte sie auf der vorhergehenden Reise in Pamphylien im Stich gelassen und die Zusammenarbeit abgebrochen. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, und Paulus und Barnabas trennten sich. Barnabas fuhr mit Markus nach Zypern, Paulus aber wählte sich Silas als Begleiter. Die Brüder und Schwestern beteten für Paulus, dass Gottes Gnade ihn begleite, und er machte sich auf den Weg. Er zog durch Syrien und Zilizien und stärkte die Gemeinden im Glauben.

Irritationen im Team

Der Konflikt brach neu auf, als es um die Person Johannes Markus ging. Paulus und Barnabas hatten eine unterschiedliche Sicht auf ihn und werteten sein Verhalten theologisch unterschiedlich. Für Paulus war klar, dass außer Jesus Christus nichts wichtig war, und es außer Vertrauen keine Vorbedingung brauchte, um Kind Gottes zu sein. Barnabas suchte den Kompromiss, er wollte Johannes Markus nicht verlieren. Harmonie war ihm wichtiger, als Recht zu behalten. 
Wahrheit und Liebe ließen sich nicht vereinbaren, es kam zum Bruch.

Trennung und neue Teams

In den Erzählungen von den ersten Gemeinden lesen wir immer wieder von heftigem Einschreiten Gottes gegen Lüge, Verrat und Gefährdung seiner Gemeinden. Doch hier bei den streitenden Missionaren geschah kein Gottesgericht. Stattdessen gingen die beiden nun mit anderen Begleitern getrennte Wege. Barnabas zog mit Johannes Markus nach Zypern und knüpfte dort an die vorige Missionstätigkeit an. Die Gemeinden dort sind dadurch nicht untergegangen. Doch hört man in der Bibel auch nichts mehr von Barnabas. Seine Kompromisslinie hatte sich nicht durchgesetzt. 

Paulus nahm Silas mit und erschloss mit ihm neue Missionsgebiete. Er gründete neue Gemeinden, statt wie ursprünglich mit Barnabas geplant die alten zu besuchen.

Durch ihre Trennung wurde eine neue Entwicklung möglich, die so wohl mit Kompromissen und Festhalten am Alten nicht geschehen wäre. 

Noch oft wiederholten sich diese Vorgänge in der Geschichte. Auch Martin Luther blieb an diesem Punkt kompromisslos. „Jesus Christus allein“ war seine Überzeugung, weswegen sich die katholische Kirche von ihm trennte. Und auch in unserer 150-jährigen Gemeindegeschichte gibt es solche Zäsuren, wo man sich trennte wegen Lehraussagen, Schriftverständnis und Konflikten, die damit einhergingen. 

Brechen wir diese Geschichte aus Antiochien auf unser Leben herunter, kommen wir zu Entscheidungen, wo es darum geht: Folgen wir unserer Überzeugung und unserem Verständnis von dem, was Gott will? Oder suchen wir den Kompromiss, auch wenn es Lähmung auf Dauer bedeutet?

Ich möchte aus dem Konflikt damals lernen:

  • Was ist im Konflikt Wahrheit? Welche Überzeugung habe ich aufgrund meines Glaubens? Was bedeutet Liebe? Dass ich einlenke, die Verständigung und den Ausgleich suche, oder dass ich zu meiner Überzeugung stehe und in Kauf nehme, dass wir in verschiedene Richtungen davon gehen?
  • Glaube an Jesus genügt. Wie Paulus und Martin Luther will ich keine zusätzlichen Mauern aufrichten, um Menschen von diesem einfachen Vertrauen zu Jesus abzuhalten. Es gibt für das Reich Gottes nur eine Einlassbedingung: Vertrauen zu Jesus und Bereitschaft, mit ihm durchs Leben zu gehen. Diese Verbindung zu Jesus  gilt es zu stärken. Von Jesus gehen Impulse zum Vorwärtsgehen aus. Er ist für diese Welt offener als wir. Das sehen wir an seiner Geschichte. Die Pharisäer schlugen über seiner Lebensweise die Hände zusammen, die Gestrauchelten sahen den Himmel offen.
  • Veränderung hat Zukunft. Wenn wir auf dem Alten beharren, werden wir aussterben. Wer Anfang des 20.Jahrhunderts daran festhielt, dass Kutschen immer das Transportmittel der Wahl bleiben würden, ging bald bankrott. Er wurde buchstäblich von den Autos überfahren. Wir sind heute sehr nahe an der Thematik dran. Migranten und Migrantinnen aus ganz anderen kulturellen Hintergründen leben bei uns. Sie haben verschiedenste Erlebnisse und Traumata hinter sich. Einige von ihnen sind suchend. Sie sind enttäuscht von ihrer Religion. Sie sind neugierig auf das Leben hier. Wie können wir sie zu Jesus einladen? Was gehört zu einem richtigen Christen dazu? Wie reden wir von unserem Glauben mit Menschen, die keinen christlichen Hintergrund haben? Und wie geht das, wenn uns buchstäblich die Worte in deren Sprache fehlen?
  • Die Sprache von heute zu sprechen, ist wichtig. Paulus hat es uns vorgelebt. Er sprach die Sprache der Heiden und erreichte sie so. Um die Sprache von heute zu sprechen, müssen wir mit den Menschen von heute leben, Interesse an ihnen haben, den Weg mit ihnen schon lange vor der Kirchentür beginnen. Leider geht es bei uns nicht so schnell wie bei Paulus, der schon in wenigen Wochen Menschen zu einer Gemeinde zusammengeführt hatte. Aber vielleicht haben wir ja auch einfach länger Zeit für diese Prozesse, müssen nicht 20 Gemeinden gründen, sondern eine am Leben halten. Aber das sollten wir nicht vermasseln. 
  • Wir brauchen die Gemeinde, um dorthin Menschen, mit denen wir auf dem Weg sind, einzuladen. Einer allein wird schnell überfordert sein, wenn er jemand zu Jesus hin begleiten soll. Selbst Paulus arbeitete selten ohne Team. Sind wir füreinander verlässlich? Haben wir den Blick dafür, dass unsere Anwesenheit, unser Mittun wichtig für jemand sein könnte, der erste Schritte des Glaubens tut?
In unserem Leben wird es immer wieder solche Weggabelungen geben, wo wir den gemeinsamen Weg nicht fortsetzen können und uns loslassen müssen. Wir sollten auf Allmachtsansprüche und -fantasien verzichten. Oft wird erst die Zukunft weisen, wer auf dem besseren Weg gegangen ist. Wir sollten auch den Weg wieder aufeinander zu nicht unnötig verbauen. Von Johannes Markus heißt es in einem späteren Brief, dass er wieder zu Paulus gestoßen ist. Versöhnung war möglich. Heute würde sich Martin Luther wundern, wie selbstverständlich wir vor Ort Ökumene leben, ohne Streit und Todesdrohungen. 

Gott ließ es damals und lässt es heute zu, dass aus einer unterschiedlichen Sichtweise getrennte Teams werden. Er stärkt den Aufbruch und gibt Stopp-Zeichen, wenn wir umkehren müssen. Er baut Brücken, die wir uns nicht so vorstellen können. 

Sie kennen wahrscheinlich die wunderschönen Tiffany-Lampen. Aus bunten Scherben entstehen Muster. Scheint das Licht hindurch, fangen sie an zu leuchten. Aus Bruchstücken entsteht Neues und oft Schöneres und Besseres. Haben wir offene Augen und Herzen für Neuanfänge, für neue Aufgaben, für Frieden auch in schmerzhaften Situationen, den nur Gott schenken kann.

Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollenden.“ Philipper 1,6

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_konflikte_bringen_voran.htm