Gottesdienst am 9.7.2017
in Brombach
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
in der Zeitung lag wieder
einmal ein Werbezettel für eine Kreuzfahrt. Versprochen wurde Urlaub
auf höchstem Niveau. Wunderbare Ziele wurden angepriesen, exotische
Landgänge, phantastisches Essen im Überfluss, traumhafte Kabinen
mit Blick aufs Meer und ein abwechslungsreiches Bordprogramm für alle
Generationen. Manche kennen die langjährige ZDF-Serie „Traumschiff“.
Da wird diese heile Werbe-Welt auch gezeigt, aber hinter den Kulissen werden
Schicksale erzählt, Abgründe und Verwicklungen menschlichen Lebens,
die dieser Werbeprospekt-Idylle widersprechen.
Die Bibel beschreibt die
Anfänge der Gemeinden Jesu. Erste Schilderungen scheinen wie ein Hochglanz-Prospekt.
Alle waren täglich beieinander, sie hatten ihre Besitztümer geteilt,
täglich kamen Neue dazu und ließen sich taufen. Aber bald schon
wird ein Blick hinter die Kulissen gewährt. In den Gemeinden waren
Menschen wie du und ich. Zwar an die Kraftquelle des Heiligen Geistes angeschlossen,
waren sie dennoch nicht völlig verändert. Ihr Glaube verband
sie miteinander, aber ihr Friede war nicht konfliktfrei.
Mitten in der Apostelgeschichte
wird ein tiefgreifendes Zerwürfnis der jungen Gemeinden kurz erwähnt.
Es entfachte sich an einer Mitarbeiterfrage, der aber ein tieferliegendes
Problem zugrundelag.
Paulus und Barnabas – ein
Team
Paulus war von Gott vom Christenverfolger
zum Missionar unter Nicht-Juden berufen worden. Barnabas war in der Jerusalemer
Urgemeinde ein Mann der ersten Stunde. Er hatte sogar seinen Acker für
die Gemeinde verkauft. Er wurde von Jerusalem aus nach Antiochien geschickt,
um die Gemeindegründung in Antiochien zu begutachten. Schließlich
waren in Antiochien zum ersten Mal Judenchristen und Heidenchristen beieinander.
Dort traf Barnabas Paulus. Von der antiochenischen Gemeinde wurden die
beiden als Team in die Mission ausgesandt. Mit dabei war auch Johannes
Markus, der ebenfalls der Jerusalemer Gemeinde entstammte.
Auf dieser ersten Missionsreise
gründeten sie Gemeinden, in denen zunehmend Leute ohne jüdischen
Hintergrund lebten. Paulus verfocht die Ansicht, dass allein der Glaube
an Jesus Christus zählte und mit Jesus das Halten der jüdischen
Gebote nicht mehr Voraussetzung war, um zu Gott zu gehören. Johannes
Markus sah das wohl anders. Er war von Jerusalem geprägt und hielt
wohl daran fest, dass auch Nicht-Juden an jüdischer Lebensweise festhalten
mussten. Er verließ das Team.
Nach der ersten Missionsreise
kamen Paulus und Barnabas wieder zurück nach Antiochien. Hier wurde
ihre Freundschaft auf die Probe gestellt. Eine Delegation aus Jerusalem
war angereist, um die Rechtgläubigkeit der jungen Gemeinde zu prüfen.
Man aß miteinander, sonst in Antiochien kein Problem, alle saßen
miteinander am Tisch und teilten das Brot. Doch nun sah die Sache anders
aus. Die Jerusalemer legten Wert darauf, dass Juden nicht mit Nicht-Juden,
die sich nicht nach dem jüdischen Gesetz richteten, essen konnten.
Paulus blieb bei den Nicht-Juden demonstrativ sitzen, Barnabas dagegen
erhob sich um des lieben Friedens willen und setzte sich zu der Jerusalemer
Abordnung. Paulus wertete das, als ob seine Heidenmission verraten worden
war.
So kam es zu einer klärenden
Konferenz in Jerusalem. Minimalanforderungen wurden an die Heiden gestellt,
um das Zusammenleben in Zukunft zu ermöglichen. Die Heidenchristen
sollten sich von Fleisch fernhalten, das bei Kultfeiern geopfert worden
war, sie sollten keine Blutwurst essen – nach jüdischem Verständnis
war im Blut das Leben, es zu essen, widersprach dem Tötungsverbot
– und sich von sexuellen Ausschweifungen, die häufig in Zusammenhang
mit Tempelkulten standen, fernhalten.
Der Konflikt schien erst
einmal beigelegt.
Apostelgeschichte 15,35-41
Paulus und Barnabas blieben
in Antiochia. Zusammen mit vielen anderen unterwiesen sie die Gemeinde
und verkündeten den Menschen in der Stadt die Botschaft Gottes. Nach
einiger Zeit sagte Paulus zu Barnabas: »Lass uns noch einmal alle
die Orte besuchen, in denen wir die Botschaft Gottes verkündet haben!
Wir wollen sehen, wie es den Brüdern und SchwesternF geht!«
Barnabas wollte Johannes Markus mitnehmen, aber Paulus lehnte es ab, noch
einmal mit ihm zusammenzuarbeiten; denn er hatte sie auf der vorhergehenden
Reise in Pamphylien im Stich gelassen und die Zusammenarbeit abgebrochen.
Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, und Paulus und Barnabas trennten
sich. Barnabas fuhr mit Markus nach Zypern, Paulus aber wählte sich
Silas als Begleiter. Die Brüder und Schwestern beteten für Paulus,
dass Gottes Gnade ihn begleite, und er machte sich auf den Weg. Er zog
durch Syrien und Zilizien und stärkte die Gemeinden im Glauben.
Irritationen im Team
Der Konflikt brach neu auf,
als es um die Person Johannes Markus ging. Paulus und Barnabas hatten eine
unterschiedliche Sicht auf ihn und werteten sein Verhalten theologisch
unterschiedlich. Für Paulus war klar, dass außer Jesus Christus
nichts wichtig war, und es außer Vertrauen keine Vorbedingung brauchte,
um Kind Gottes zu sein. Barnabas suchte den Kompromiss, er wollte Johannes
Markus nicht verlieren. Harmonie war ihm wichtiger, als Recht zu behalten.
Wahrheit und Liebe ließen
sich nicht vereinbaren, es kam zum Bruch.
Trennung und neue Teams
In den Erzählungen von
den ersten Gemeinden lesen wir immer wieder von heftigem Einschreiten Gottes
gegen Lüge, Verrat und Gefährdung seiner Gemeinden. Doch hier
bei den streitenden Missionaren geschah kein Gottesgericht. Stattdessen
gingen die beiden nun mit anderen Begleitern getrennte Wege. Barnabas zog
mit Johannes Markus nach Zypern und knüpfte dort an die vorige Missionstätigkeit
an. Die Gemeinden dort sind dadurch nicht untergegangen. Doch hört
man in der Bibel auch nichts mehr von Barnabas. Seine Kompromisslinie hatte
sich nicht durchgesetzt.
Paulus nahm Silas mit und
erschloss mit ihm neue Missionsgebiete. Er gründete neue Gemeinden,
statt wie ursprünglich mit Barnabas geplant die alten zu besuchen.
Durch ihre Trennung wurde
eine neue Entwicklung möglich, die so wohl mit Kompromissen und Festhalten
am Alten nicht geschehen wäre.
Noch oft wiederholten sich
diese Vorgänge in der Geschichte. Auch Martin Luther blieb an diesem
Punkt kompromisslos. „Jesus Christus allein“ war seine Überzeugung,
weswegen sich die katholische Kirche von ihm trennte. Und auch in unserer
150-jährigen Gemeindegeschichte gibt es solche Zäsuren, wo man
sich trennte wegen Lehraussagen, Schriftverständnis und Konflikten,
die damit einhergingen.
Brechen wir diese Geschichte
aus Antiochien auf unser Leben herunter, kommen wir zu Entscheidungen,
wo es darum geht: Folgen wir unserer Überzeugung und unserem Verständnis
von dem, was Gott will? Oder suchen wir den Kompromiss, auch wenn es Lähmung
auf Dauer bedeutet?
Ich möchte aus dem
Konflikt damals lernen:
-
Was ist im Konflikt Wahrheit?
Welche Überzeugung habe ich aufgrund meines Glaubens? Was bedeutet
Liebe? Dass ich einlenke, die Verständigung und den Ausgleich suche,
oder dass ich zu meiner Überzeugung stehe und in Kauf nehme, dass
wir in verschiedene Richtungen davon gehen?
-
Glaube an Jesus genügt.
Wie Paulus und Martin Luther will ich keine zusätzlichen Mauern aufrichten,
um Menschen von diesem einfachen Vertrauen zu Jesus abzuhalten. Es gibt
für das Reich Gottes nur eine Einlassbedingung: Vertrauen zu Jesus
und Bereitschaft, mit ihm durchs Leben zu gehen. Diese Verbindung zu Jesus
gilt es zu stärken. Von Jesus gehen Impulse zum Vorwärtsgehen
aus. Er ist für diese Welt offener als wir. Das sehen wir an seiner
Geschichte. Die Pharisäer schlugen über seiner Lebensweise die
Hände zusammen, die Gestrauchelten sahen den Himmel offen.
-
Veränderung hat Zukunft.
Wenn wir auf dem Alten beharren, werden wir aussterben. Wer Anfang des
20.Jahrhunderts daran festhielt, dass Kutschen immer das Transportmittel
der Wahl bleiben würden, ging bald bankrott. Er wurde buchstäblich
von den Autos überfahren. Wir sind heute sehr nahe an der Thematik
dran. Migranten und Migrantinnen aus ganz anderen kulturellen Hintergründen
leben bei uns. Sie haben verschiedenste Erlebnisse und Traumata hinter
sich. Einige von ihnen sind suchend. Sie sind enttäuscht von ihrer
Religion. Sie sind neugierig auf das Leben hier. Wie können wir sie
zu Jesus einladen? Was gehört zu einem richtigen Christen dazu? Wie
reden wir von unserem Glauben mit Menschen, die keinen christlichen Hintergrund
haben? Und wie geht das, wenn uns buchstäblich die Worte in deren
Sprache fehlen?
-
Die Sprache von heute zu sprechen,
ist wichtig. Paulus hat es uns vorgelebt. Er sprach die Sprache der Heiden
und erreichte sie so. Um die Sprache von heute zu sprechen, müssen
wir mit den Menschen von heute leben, Interesse an ihnen haben, den Weg
mit ihnen schon lange vor der Kirchentür beginnen. Leider geht es
bei uns nicht so schnell wie bei Paulus, der schon in wenigen Wochen Menschen
zu einer Gemeinde zusammengeführt hatte. Aber vielleicht haben wir
ja auch einfach länger Zeit für diese Prozesse, müssen nicht
20 Gemeinden gründen, sondern eine am Leben halten. Aber das sollten
wir nicht vermasseln.
-
Wir brauchen die Gemeinde,
um dorthin Menschen, mit denen wir auf dem Weg sind, einzuladen. Einer
allein wird schnell überfordert sein, wenn er jemand zu Jesus hin
begleiten soll. Selbst Paulus arbeitete selten ohne Team. Sind wir füreinander
verlässlich? Haben wir den Blick dafür, dass unsere Anwesenheit,
unser Mittun wichtig für jemand sein könnte, der erste Schritte
des Glaubens tut?
In unserem Leben wird es immer
wieder solche Weggabelungen geben, wo wir den gemeinsamen Weg nicht fortsetzen
können und uns loslassen müssen. Wir sollten auf Allmachtsansprüche
und -fantasien verzichten. Oft wird erst die Zukunft weisen, wer auf dem
besseren Weg gegangen ist. Wir sollten auch den Weg wieder aufeinander
zu nicht unnötig verbauen. Von Johannes Markus heißt es in einem
späteren Brief, dass er wieder zu Paulus gestoßen ist. Versöhnung
war möglich. Heute würde sich Martin Luther wundern, wie selbstverständlich
wir vor Ort Ökumene leben, ohne Streit und Todesdrohungen.
Gott ließ es damals
und lässt es heute zu, dass aus einer unterschiedlichen Sichtweise
getrennte Teams werden. Er stärkt den Aufbruch und gibt Stopp-Zeichen,
wenn wir umkehren müssen. Er baut Brücken, die wir uns nicht
so vorstellen können.
Sie kennen wahrscheinlich
die wunderschönen Tiffany-Lampen. Aus bunten Scherben entstehen Muster.
Scheint das Licht hindurch, fangen sie an zu leuchten. Aus Bruchstücken
entsteht Neues und oft Schöneres und Besseres. Haben wir offene Augen
und Herzen für Neuanfänge, für neue Aufgaben, für Frieden
auch in schmerzhaften Situationen, den nur Gott schenken kann.
„Der
in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollenden.“
Philipper
1,6
Cornelia
Trick
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