|
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
Die Szene am Bahnhof ist nur ein kleines Beispiel für den Abschiedsschmerz, von dem Jesus mit seinen Jüngern am Abend vor Karfreitag redete. Das Johannesevangelium hält diese letzten Sätze „auf dem Bahnsteig“ fest, die Jesus am Gründonnerstag beim Passamahl sagte. Ich möchte heute mit Ihnen einen Ausschnitt aus seiner Rede betrachten, ja, eigentlich das Herzstück seiner Abschiedsworte. Jesus wird seine Freunde, zu denen die Jünger geworden sind, nach seinem Tod wieder sehen. Diese Begegnung mit dem Auferstandenen wird die Jünger unendlich froh machen. Von dem Tag an haben sie Zugang zur Schaltzentrale des Universums, dem Raum, den ihnen Jesus aufschließt und in dem Gott wohnt. Wenn sie diesen Raum betreten haben werden, bleiben keine Fragen mehr offen, sie finden die Antworten bei Gott, mit dem sie direkt sprechen können. Was sie wollen, wird im Einklang mit Gottes Willen sein, denn Gott wird ihnen sein Wollen ins Herz geben. Diese Schaltzentrale ist für die Jünger jederzeit offen, auch wenn es im täglichen Leben Druck und Anfeindung geben wird. Und wenn sie den Raum betreten, werden sie wieder erinnert werden, dass Jesus siegt und alle mit ihm auch siegen werden. Johannes 16,22-24+33 Diese Schaltzentrale des Universums, von der Jesus spricht, ist das Gebet. Die Initiative zu beten geht von Jesus selbst aus. Er sagt seinen Jüngern, dass er ihnen begegnen wird und sie dadurch froh werden. Nichts anderes geschieht auch heute. Jesus begegnet auf dem Lebensweg. Vielleicht ist es ein Freund oder Partner, der auf Jesus hinweist. Vielleicht ist es eine Lebenskrise, die den Blick auf Jesus lenkt. Vielleicht ist es eine Erfahrung in der Kindheit, die wach wird. Hinter diesen ganz verschiedenen Hinweisgebern steckt Jesus selbst, der die Sehnsucht nach Nähe in uns weckt. Diese Sehnsucht führt zu Christen in die Gemeinde, zum Lesen in der Bibel und in das direkte Gespräch mit Jesus. Für das direkte Gespräch
braucht es den Schlüssel, um in diesen Schaltraum zu gelangen. Den
Schlüssel Doch allein mit der Schlüsselübergabe wissen wir ja noch nicht, wie wir uns in diesem Schaltraum bewegen können. Zwei Missverständnisse können dabei auftreten. Das eine ist, ich bewege mich in der Schaltzentrale wie in einer Apotheke. Da ist ein Ladentisch, vor dem Ladentisch stehen die meistens kranken oder bedürftigen Kunden, hinter dem Ladentisch die fachkundigen Pharmazeuten mit vielen Regalen hilfreicher Medizin. Ich gehe also ins Gebet und spreche Gott an als Apotheker: „Herr, ich habe diese und jene Bedürfnisse, Fragen, Probleme, Sorgen. Ich bitte dich um die geeignete Medizin. Sie soll möglichst billig sein und wenig Nebenwirkungen haben. Und ich möchte auch ganz schnell wieder gesund werden. Denn eigentlich möchte ich nicht allzu oft zu dir in die Apotheke kommen müssen.“ Ich erwarte, dass Gott aus seinen Zauberregalen das geeignete Mittel zieht, ich es einpacke, eine Woche nach Rezept anwende, und dann alles wieder gut ist. Das andere Missverständnis läuft genau anders herum. Da sehe ich in Gottes Schaltzentrale eine Dienstleistungsfirma. Jeden Morgen habe ich mich pünktlich zu melden, um meinen Job für den Tag zu erfahren. Gott sagt mir, was ich zu tun habe, und ich muss gehorchen. Ich gehe also in die Schaltzentrale und sage: “Herr, hier bin ich. Du hast wieder ganz viele Aufträge für mich. Eigentlich ist mir das zu viel, aber ich mache es trotzdem, weil du es sagst. Denn wenn ich nichts für dich tun kann, wirst du mich entlassen und nicht mehr lieben.“ Die beiden extremen Missverständnisse verhindern, das Gebet als einen Raum anzunehmen, in dem Gott mit uns Gemeinschaft haben will, uns näher an sich ziehen will und uns mit genau dem ausstatten will, was wir an jedem Tag brauchen. Jesus sagt das in seinen Abschiedsreden so: "Ich nenne euch nicht mehr Diener; denn ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr nenne ich euch Freunde; denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe" (Johannes 15,15). Im Freund-Gespräch ist Jesus als Freund bei mir. Absolute Offenheit ist möglich, denn der Freund wird mich nicht ausnutzen oder in die Pfanne hauen. Und einem echten Freund will ich zuhören, es interessiert mich, was er denkt und will. In der Schaltzentrale Gottes zu beten, vergleiche ich mit einem PC, der ans Internet angeschlossen ist. Natürlich kann der PC auch ohne Internetanschluss arbeiten. Aber er bleibt bei dem, was er schon immer in sich hat. Erst durch den Anschluss ans Internet bekommt er ständig neue Daten, wird mit neuen Informationen gefüttert und kann mit der Welt kommunizieren. Wenn wir ohne den Schlüssel des Heiligen Geistes beten, bleiben wir bei uns. Wir bewegen das, was sowieso schon immer in uns war. Wir bekommen durch das Gebet vielleicht neue Gesichtspunkte, aber wirklich neu sind sie nicht. Nur in anderer Zusammensetzung oder zu einem anderen Zeitpunkt kommen sie uns in den Sinn. Beten wir im Heiligen Geist, sind wir an Gottes Kraft angeschlossen. Seine Informationen kommen zu uns, wir können mit ihm kommunizieren, und er verändert uns. Er stellt uns durch das Gebet in einen größeren Zusammenhang der Christen, wir sind untereinander durch das Gebet verbunden. Der Heilige Geist verändert unser Beten. Er lässt Jesus Einfluss auf unser Wollen und Denken nehmen. Er weiß, was Gott für uns richtig findet und formt unser Beten in diese Richtung. Ein Bekannter erzählte mir, wie er für seinen Sohn, der 6 Jahre alt ist, ein Fahrrad günstig gekauft hatte. Der Geburtstag stand an, und er meinte, ein Fahrrad wäre genau das Richtige für den Jungen. Er deponierte das Fahrrad in der Garage des Nachbarn und musste nun den Sohn dazu bringen, sich genau dieses blaue Fahrrad zu wünschen. Der 6-Jährige war noch nicht so gewieft, dass er die Manipulation des Vaters bemerkt hätte, der ihn ständig darauf aufmerksam machte, wie ein blaues Fahrrad der Inbegriff eines Jungentraums sein müsste. Jedenfalls, so erzählte der Bekannte, pünktlich zum Geburtstag wünschte sich sein Sohn das Fahrrad, das schon lange in der Garage auf ihn gewartet hatte. So formt der Heilige Geist unser Gebet. Er weiß längst, was Gott in der Garage für uns bereithält. Aber er will es uns nicht vor die Haustür stellen. Wer weiß, vielleicht würden wir es zum Fundbüro oder zum Sperrmüll bringen. Er will, dass wir es uns richtig wünschen und als Geschenk begreifen, was Gott uns gibt. Dafür braucht es Gebet und den Einfluss Gottes. Dafür braucht es aber auch meine Bereitschaft, meinen eigenen Willen zurückzustellen, meine Hände und meine Wunschliste leer zu machen und darauf zu vertrauen, dass sie von Gott beschrieben wird. Jesus, der Freund, der im Gebet auf mich wartet, weiß, was ich will. Er kennt meine ganzen Wünsche, die ich mit mir herumtrage. Er weiß doch, dass ich gesund sein will, um die Gesundheit meiner Lieben bitte, dass ich ein Leben mit Sinn suche, und er kennt auch meine Ängste. Er wird darauf reagieren, wie er es für richtig hält. Weil er mein Freund ist, wird er es zu meinem Besten tun. Doch seine Antworten fallen oft anders aus als erwartet. Wenn wir ihn als Apotheker hinter dem Tresen sehen, würden wir längst aus der Apotheke hinausgelaufen sein, wenn der Apotheker uns statt der erbetenen Hustentropfen ein Herzmittel gegeben hätte. Bei Gott ist das aber gar nicht so ungewöhnlich. Bei ihm bleiben werden wir dann nur, wenn wir daran festhalten, dass Jesus unser bester, liebster und selbstlosester Freund ist. Ich erkenne diese Zusammenhänge in zwei unterschiedlichen biblischen Geschichten:
In der Schaltzentrale Gottes können wir ehrlich reden ohne Floskeln. Wie oft ertappe ich mich bei solchen Floskeln. Ich bete: „Herr, sei bei mir, ihr, ihm“, dabei weiß ich doch, dass der Herr seine Gegenwart sicher zugesagt hat. Ich bete: „Herr, hilf mir, dass…“, dabei weiß ich, dass er mir seine Hilfe fest zugesagt hat. Viel schwerer fällt es mir zu beten: „Herr, du bist schon da, ich möchte dich sehen und mich nach dir richten:“ oder „Herr, du hilfst mir, ich tue mich schwer, deine Hilfe anzunehmen, weil ich eigentlich selbst gerne stark bin“. Aber nur so wird Gebet ehrlich und ernsthaft. Nur so nehme ich Jesus als Gesprächspartner wirklich ernst. Gebetserhörung wird greifbar und ist nicht nur ein unbestimmtes Gefühl, dass Jesus schon irgendwie da war und geholfen hat – oder auch nicht? Besonders schätze ich an diesem Ort am Herzen Gottes, dass ich eigentlich gar nichts sagen muss. Es geht nicht um Abarbeiten von Listen, sondern um Gegenwart und Spüren des anderen. Wenn ich mit meinem Mann im Urlaub am Strand sitze und den Wellen zuschaue, dann brauchen wir nicht dauernd zu reden, so etwa: „Bitte bleib bei mir, bitte hilf mir, bitte mach dies und das“, sondern wir lassen die Seelen baumeln und warten, was sich von selbst ereignet zwischen uns. Und wenn wir gar nicht reden, ist das besonders Ausdruck der Nähe und des Verstehens. So möchte Jesus uns wohl auch in dem Gebetsraum Gottes empfangen. Wir dürfen die Seele baumeln lassen und warten, was geschieht. Es wird Stunden voller Fürbitte geben, aber eben auch Stunden des Lobens und Dankens, Stunden des Schweigens und Stunden des Getröstet-Werdens. Vers 33
fasst die Bedeutung des Gebets am Herzen Gottes zusammen:
Die Schaltzentrale ist jederzeit offen, der Druck von außen kann kommen, Ängste aller Art gehören zu unserem Leben hier und heute. Die einzige Rettung ist der Blick auf Jesus. Er ist Sieger, mit ihm können wir siegen. Das gilt auch über das Leben hinaus bis in Ewigkeit, wie die Siegeskränze auf den Gräbern symbolisieren. Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles, und das Gute behaltet. Meidet das Böse in jeder Gestalt. Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun. 1.Thessalonicher 5,16-24 Cornelia
Trick
|