Der Herr ist auferstanden!
Gottesdienst am 23.04.2000
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
im Kirchlichen Unterricht haben wir vor einigen Wochen das Thema "Ostern" durchgenommen. Ostern lag noch fern und deshalb haben wir uns zum Einstieg einen einfachen Holzschnitt angeschaut, der die biblische Botschaft von der Auferstehung Jesu von den Toten sehr anschaulich wiedergibt. Noch lange nach dieser Unterrichtsstunde ist das Bild in meinem Herzen lebendig geblieben. Vielleicht geht es Ihnen heute Morgen auch so, dass Sie sich von diesem Bild eine Predigt halten lassen, die viel tiefere Schichten Ihres Lebens berührt als ein gesprochenes Wort es je tun kann.

Willi Torger gab dem Holzschnitt die Überschrift: "Der Engel am Grabe".Die Frauen am leeren Grab Tatsächlich ist er auch die alles bestimmende Figur auf dem Bild. Doch ich möchte mit Ihnen dieses Bild von unten nach oben betrachten. Es ist die Bewegung, die wir in diesen Tagen nachvollziehen - aus der Dunkelheit des Karfreitags in die helle Osterfreude und den Jubel heute. Da sehen wir zwei dunkle Gestalten auf dem Boden. Ihre Umhänge lassen sie uns als Frauen erkennen. Die eine ist in sich verkrümmt. Der Schmerz lässt sie nicht los. In Hoffnungslosigkeit und Trauer ist sie verstrickt. Durchaus ein Bild, in dem sich heute so manch einer und eine wiedererkennen können. Alles wächst einem über den Kopf, die Angst vor morgen hält fest im Griff, die Trauer lässt die Augen blind werden für einen Hoffnungsanker, der in die Höhe - aus dem eigenen Gefängnis - ziehen will. Die Frau auf dem Bild, die Frau, der Mann mitten unter uns, sie sind gefangen in ihrer Not, haben die Antenne für Hilfe eingezogen, können den Blick nur noch auf das eigene Elend richten. Daneben die zweite Frau, sie hat sich aus der gekrümmten Erstarrung gelöst. Dunkel ist sie wie ihre Nachbarin, die Trauer hängt ihr nach, wir können es ahnen, dass sie eben noch wie ihre Begleiterin dasaß. Doch mit ihr ist gerade etwas geschehen. Sie ist von Licht berührt worden, von Licht, das aus der Höhe kam. Ihr Gesicht spiegelt dieses Licht schon wieder und ihre Haltung bezeugt, dass das Licht sie verändert. Der Blick geht nach oben - weg von ihrer Trauer und Not. Und ihre linke Hand hält nicht länger ihre eigenen Tränen zurück, bedeckt nicht länger die Augen, die nur das Elend eines toten Jesus sehen können. Ihre linke Hand sucht ihre Begleiterin, stößt sie sachte an und macht sie aufmerksam auf das Licht, das zur Rettung über ihnen erschienen ist. Diese Frau ist an der Schnittstelle zwischen Tod und Leben, zwischen alter Zeit und neuer Zeit, zwischen Karfreitag und Ostern. Das Licht, das sie aufweckt, kommt von einer Lichtgestalt, einem Engel. Gesichtslos ist er, denn er ist nur Bote, nur Überbringer der sehr persönlichen Nachricht Gottes. Seine linke Hand weist auf Gott, auf Jesus, den die Frauen nun nicht mehr im leeren dunklen Grab suchen sollen, sondern bei Gott. Seine rechte Hand weist zu dem leeren Grab, zu der Finsternis, die die Frauen noch umfängt. Für diese Finsternis ist es Licht geworden. Genau in diese Finsternis will Jesus mit der Auferstehungsfreude eindringen.

Genau an dieser Schnittstelle zwischen Tod und Leben stehen wir heute Morgen. Dunkelheit umfängt uns noch, Elend in unserem eigenen Leben, Not im Leben unserer Nächsten, Tod als Bedrohung für uns und andere. Doch das Licht der Osterfreude strahlt in diese Dunkelheiten und verändert sie. So wie wir sind, begegnet uns heute der Auferstandene. Die Boschaft vom ersten Ostern ist nicht allein historische Erinnerung, sondern will sich ganz konkret auch in unserem Leben zeigen. So ist es von großer Bedeutung, dass das Osterlicht von Gott angezündet wird und wir uns die Osterfreude nicht durch eine noch so gelungene Festvorbereitung selber schaffen können.
Zu der Bildpredigt des Holzschnittes gehören Worte der Bibel nach Matthäus 28,1-10:

Am Abend, als der Sabbat vorüber und der Sonntag eben angebrochen war, kamen Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Da bebte plötzlich die Erde, denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, rollte den Stein weg und setzte sich darauf. Er leuchtete wie ein Blitz, und sein Gewand war schneeweiß.
Als die Wächter ihn sahen, zitterten sie vor Angst und fielen wie tot zu Boden.
Der Engel sagte zu den Frauen: "Ihr braucht keine Angst zu haben! Ich weiß, ihr sucht Jesus, der ans Kreuz genagelt wurde. Er ist nicht hier, er ist auferweckt worden, so wie er es angekündigt hat. Kommt her und seht die Stelle, wo er gelegen hat! Und jetzt geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: 'Gott hat ihn vom Tod auferweckt! Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen.' Ihr könnt euch auf mein Wort verlassen." 
Erschrocken und doch voller Freude liefen die Frauen vom Grab weg. Sie gingen schnell zu den Jüngern, um ihnen die Botschaft des Engels zu überbringen. Da stand plötzlich Jesus selbst vor ihnen und sagte: "Seid gegrüßt!" Die Frauen warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße. "Habt keine Angst!" sagte Jesus zu ihnen. "Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen. Dort werden sie mich sehen."

Matthäus berichtet, dass die beiden Frauen Maria aus Magdala und die andere Maria das Osterwunder zumindest äußerlich miterleben. Himmel und Erde sind in Aufruhr, ein Engel kommt im Licht, Wächter fallen ohnmächtig um. Und das alles geschieht in einer Situation, in der die Frauen nur still Abschied nehmen wollen, sich dem Schmerz hingeben, den Erinnerungen nachhängen. Überhaupt keine Stimmung für so ein mächtiges Getöse, das alles aus den Fugen reißt. Wen wundert es, dass der Engel sie zuerst einmal beruhigt: Ihr braucht keine Angst zu haben! Eine große Furcht wird die Frauen ergriffen haben, zu den Naturgewalten sind sie in Berührung mit Gott gekommen, sein Licht durchbricht von jenseits der Todesgrenze ihr Dunkel. Der Engel ist Übersetzer dieses kosmischen Geschehens. Er deutet das Osterwunder in knappen Worten: Die Frauen brauchen keine Angst zu haben, der gekreuzigte Jesus ist auferweckt worden von Gott, die Frauen werden als erste Missionarinnen zu den Jüngern geschickt um das Wunder zu erzählen, die Zukunft liegt in Galiläa, wo Jesus den Jüngern erscheinen wird.
Die Botschaft des Engels ist revolutionär. Sie berichtet von der anderen Seite des Todes, von der wir alle nichts wissen können, weil wir es nicht erlebt haben. Und die Botschaft enthält eine Deutung von Jesus. Jesus ist unseren Weg konsequent bis zu Ende gegangen. Der Tod, der eigentlich unser Ende ist, diesen Tod hat er durchlitten. Aber er ist nicht tot geblieben. Gott hat ihn ins Leben gerufen, er hat ihm Recht gegeben. Mit ihm wird jeder und jede leben können, die sich Jesus anvertraut. Offensichtlich ist das kein göttliches Geheimnis. Jesu Auferweckung sollen wir wissen, von ihr sollen wir Mut und Hoffnung nehmen, sie soll unser Leben hier und heute revolutionieren. Licht bricht von der Auferweckung Jesu in unsere Dunkelheiten. Jesus, der Auferstandene, begegnet uns verkrümmten Menschen und sagt: Ich habe dich lieb. Jesus steht auf der anderen Seite unseres Lebens. Er streckt die Hand nach uns aus und hilft uns über den garstigen Graben des Todes - der Trennung von Gott. So kommen wir in die Gemeinschaft mit Jesus, der uns jetzt Brüder und Schwestern nennt, und in die Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater.
Jedes Jahr wieder neu wird an dieser Stelle die Frage gestellt, ob denn Ostern wirklich wahr und historisch ist oder doch nur eine Einbildung oder Projektion von hoffnungslos enttäuschten Anhängerinnen und Anhängern Jesu. Weil Ostern von der Ewigkeit einbricht in unsere Zeit, hat es keine Vergleiche in unserem Erleben. Wir können Ostern nicht beweisen, indem wir auf andere Auferstehungen hinweisen, die wir schon erlebt haben. Der einzige Beweis von Ostern ist dessen Auswirkung bei den Frauen, bei den Jüngern, bei unzähligen Menschen bis heute. Dieser Beweis muss uns genügen, Gott lässt sich von uns nicht festnageln auf wissenschaftliche Methoden. Er handelt frei und souverän. Doch die Auswirkungen sind es schließlich, die Ostern bis heute aktuell sein lassen. Diese Auswirkungen gründen auf einem wirklichen Ereignis. Jesus ist auferstanden, das bezeugen Menschen der Bibel, das bezeugen Erfahrungen, die wir in sehr unterschiedlicher Weise mit dem Auferstandenen gemacht haben. Der Osterbericht des Matthäus will genau das unterstreichen. Trotz Wächter und Sicherheitsvorkehrungen gab es ein leeres Grab. Wäre es nicht leer gewesen, hätte sich das Gerücht vom Diebstahl des Leichnams nie verbreiten können. Die Engelbotschaft erklärt das Unfassliche. Jesus ist von Gott auferweckt worden. Er ist der, der gewirkt, gepredigt, geheilt, geliebt hat. Gott hat ihm Recht gegeben. Die Frauen als erste Osterzeugen begegnen dem Auferstandenen, sie umfassen seine von den Nägeln gezeichneten Füße. Jesus ist wirklich auferstanden, nicht nur seine unsterbliche Seele oder eine Jesusidee. Mit seinem Gruß macht er sich erkennbar als der, der mit ihnen gelebt hat. 
Der Bericht des Matthäus ermutigt uns, dieser Auferstehung zu trauen. Er macht uns deutlich, dass Gott hier jenseits unsere irdischen Erfahrungswelt gehandelt hat. Und Matthäus lädt uns ein, Ostern als für uns ernst und lebensentscheidend zu verstehen.
Welche Impulse reichen bis in unseren Alltag?

  • Mit Jesus können wir auch in der dunkelsten Nacht rechnen - in sämtlichen Lebensproblemen und Todesängsten. So wird es ja auch auf unserem Holzschnitt in wenigen Linien angedeutet. Das Licht des auferstandenen Jesus ergreift die Frau und ihre Hand berührt die gekrümmte Frau. Sie wird aus ihrer Not herausgerissen und auf die Zukunft mit dem Auferstandenen hingewiesen. 
  • Jesus selbst ist auferweckt worden. Sein Leben auf dieser Erde ist dadurch nicht ausgelöscht oder nebensächlich. Jesu Nähe zu den Armen, Ausgegrenzten, Kranken und Schuldnern ist für uns bleibendes Beispiel und Orientierung.
  • Das Kreuz Jesu erhält Sinn. Wirklich alle zum Tode führenden Dunkelheiten sind dort vergeben worden. Aber etwas Neues ist daraus entstanden. Das Leben mit Gott ist im Reinen. Jesus redet hier zum ersten Mal die Jünger mit Brüder an - Jesus ist unser Bruder geworden in der Gemeinschaft mit Gott.
  • Wir sind aufgefordert, nach Galiläa zu gehen. Galiläa ist damit Programm. Denn hier fand  Mission statt. So erging in Galiläa auch Jesu Missionsbefehl an die Jünger. Im Weitersagen erfuhren sie erst, dass Jesus bei ihnen war und heute noch bei uns ist bis an das Ende der Welt. Galiläa weist uns schon hin auf die Zeit nach Ostern. Es ist Zeit, um unsere nächsten Bekannten, Freunde und Freundinnen mit dem Osterlicht in Berührung zu bringen, unsere Hand auf ihre Schulter zu legen. Die Osterfreude gilt auch ihnen.
Wir feiern heute die Gliederaufnahme von Michael Zöllner. Michael Zöllner hat es am eigenen Leib erfahren, an der Schnittstelle zwischen Licht und Dunkelheit zu stehen. Er wurde von Gottes Licht erfasst, als von der Krankheit her alles am Ende erschien. So ist es heute unsere besondere Freude und Ostererfahrung, ihn in unsere Kirche aufnehmen zu können als einen, der sein Leben neu geschenkt bekommen hat. Und mit ihm zusammen sind wir aufgefordert, mit Jesus in die Zukunft zu gehen und andere anzurühren, die in ihren Dunkelheiten das Licht Gottes, die Freude des auferweckten Jesus brauchen.
Was dürfen wir glauben und bekennen?
Seit Ostern ist eine neue Hoffnung in der Welt.
Diese Hoffnung hat Jesus gebracht.
Denn Gott war bei Jesus, als Jesus leiden und sterben musste.
Doch der Tod hat nicht das letzte Wort.
Das letzte Wort hat Gott.
Gott hat Jesus auferweckt zu einem neuen Leben.
Der Tod spricht auch für uns nicht das letzte Wort.
Das letzte Wort für uns spricht Gott.
Gott will uns neues Leben schenken.
Cornelia Trick


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