Gottes Willen erkennen
Gottesdienst am 02.11.2008

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
Montag hörten wir im Posaunenchor eine interessante Geschichte als Andacht. Es ging um Gebet und Gottvertrauen. Ein amerikanischer Pastor unternahm eine Reise nach Osteuropa, um dort Gemeinden zu besuchen. Seine Freunde rieten ihm, ausreichend Proviant mitzunehmen, da er dort ziemlich auf sich allein gestellt sein würde und nicht überall Geschäfte zu erwarten wären. Da er keine Ahnung hatte, welche Nahrungsmittel er mitnehmen sollte, die auch noch am Zoll vorbei eingeführt werden durften, betete er vor der Einkauftstour um Weisheit für die richtigen Produkte. Seltsamerweise blieb sein Blick zuallererst an Nuss-Karamell-Tofifees hängen. Da er ja um Gottes Weisheit gebetet hatte, wollte er seiner inneren Stimme gehorchen und kaufte eine Familienpackung. Als nächstes zogen ihn die Obstdosen an, und er kaufte Mandarinen und Tutti-Frutti. Nachdem er noch Bonbontüten in den Einkaufswagen geschmissen hatte, blieb sein Blick an Fertig-Pudding hängen. Regal mit PuddingNicht gerade das reisefreundlichste Produkt. Aber auch da ließ er sich von der inneren Stimme leiten und kaufte die Puddingpackung.

Als er schließlich in Rumänien gelandet war, suchte er eine Familie auf, die seit einem halben Jahr als Missionare tätig waren. Sie hatten während dieses halben Jahres kaum Kontakt zur Heimat gehabt. Umso mehr freuten sie sich über den Besucher. Zwar hatte der gar nicht vor, seine Nahrungsmittel gleich zu verteilen, aber ihm kam die Idee, doch die Familie zu fragen, was sie am meisten vermissten. Die Kinder sagten, Süßigkeiten, und genau nachgefragt, hieß es Nuss-Karamell-Tofifees. Die Mutter vermisste Obst und – kaum zu glauben, der Vater sehnte sich nach Fertig-Pudding im Becher. So hatte der amerikanische Pastor, ohne dass er es ahnte, die perfekten Gastgeschenke mitgebracht. Und das alles, weil sein Draht zu Gott intakt war und er online war, um Gottes Impuls wahrzunehmen.

Gottes Willen zu erkennen, ist nicht nur ein Thema für amerikanische Pastoren, die Missionare besuchen. Es ist ein wichtiges Thema für jeden Christen. Denn wenn wir Gottes Willen nicht wahrnehmen, führt das oft zu Irrfahrten, Geisterfahrten, Verbitterung vor Betonwänden und einem allmählichen Ausbrennen.

Der Kolosserbrief, der dem Apostel Paulus zugeschrieben ist, handelt von diesem wichtigen Thema. Gleich in der Einleitung betont der Apostel wie in einer knappen Inhaltsangabe, wofür er betet, wenn er an die Gemeinde denkt:

Kolosser 1,9-11

Wir hören nicht auf, für euch zu beten, seit wir von euch gehört haben. Wir bitten Gott, dass er euch durch seinen Geist mit aller Weisheit und Einsicht erfüllt und euch erkennen lässt, was sein Wille ist. Denn ihr sollt ja so leben, wie es dem Herrn Ehre macht, und stets tun, was ihm gefällt. Euer Leben soll als Frucht gute Taten aller Art hervorbringen, und ihr sollt immer besser verstehen, was Gott von euch will. 
Gott möge euch stärken mit seiner ganzen Kraft und göttlichen Macht, damit ihr alles geduldig und standhaft ertragen könnt.

Die Fürbitte des Apostels

Das innige Verhältnis des Apostels zur Gemeinde kommt in diesen knappen Worten zum Ausdruck. Er hat von der Liebe der Gemeinde zu ihm erfahren und antwortet darauf mit Beten für diese Gemeinde. Seine Liebe zeigt er nicht durch viele blumige Worte, sondern durch Gebet. Für die Gemeinde und das Wachstum der Gemeinde ist das Gebet lebensnotwendig. Der Apostel sagt nicht: Tut dies oder das, damit ihr wachst, sondern er betet, wendet sich an Gott, um ihn zu bitten, den Kolossern das Herz aufzuschließen und den Blick zu schärfen auf Gott.
Ich höre die Worte des Apostels als Anregung für uns als Gemeinde. Gibt es jemand außerhalb dieser Gemeinde, der für sie betet? Gibt es vielleicht sogar eine Gemeinde, die uns als Gebetspartner unterstützt? Und andersherum, nehmen wir den Dienst für andere wahr? Beten wir für die Gemeinden unserer Region regelmäßig? Für die Gemeinde in Höchst, in Brombach und Friedrichsdorf? Aber nicht nur das Gemeindegebet wird hier angesprochen. Auch das persönliche Gebet erhält durch die kurze Notiz des Kolosserbriefes neue Inhalte. Wer von uns kann Gottes Willen aus sich selbst heraus erkennen? Brauchen wir da nicht immer Gottes Aufschließen des Herzens für sein Reden? Und brauchen wir nicht Unterstützung im Gebet, dass wir die wesentlichen Worte Gottes nicht verpassen? So regt uns dieser Brief an, über unsere Gebetsbeziehungen nachzudenken und gerade die mit unserem Gebet regelmäßig zu unterstützen, die ein solches Netzwerk nicht durch ihre Familie sowieso schon haben. 

Gottes Willen erkennen

Das Anliegen des Apostels kommt zu Beginn des Kolosserbriefes schon deutlich zum Ausdruck. Er bittet Gott, der Gemeinde seinen Willen zu zeigen, und er wirbt dafür, diesen Willen dann auch umzusetzen. Offenbar ist die Erkenntnis von Gottes Willen ein Glaubensvorgang. Wenn es ein Lehrinhalt wäre, hätte Paulus schreiben können: Tut dies und tut das, so werden ihr Gottes Willen gehorchen. Gott zeigt seinen Willen direkt und persönlich, oft auch überraschend anders, als Menschen ihn sich vorstellen. 

Das Erkennen wächst hauptsächlich durch zwei Quellen, durch Bibel und Gebet. Immer wieder wird Gott auch durch Gespräche oder Geschehnisse klar machen, was er von uns will. Aber das bleibt diffus, ist es nicht rückgebunden an biblische Maßstäbe und die persönliche Kommunikation im Gebet. Bibel und Gebet schärfen alle Sinne, Gefühl und Verstand, um Gottes Reden zu verstehen. Es ist ähnlich wie bei einer neuen Sprache, die man lernt. Bestimmte Worte kann man sich durch die eigene Sprache ableiten, aber sie bleiben sehr unbestimmt. Ich bekomme mit, wenn es im Italienischen im weitesten Sinne um Brot geht, aber ich kann die Feinheiten nicht unterscheiden: Ist der Bäcker gemeint, die Bäckerei oder die Backwaren? So schult Gott unser Gehör durch die Bibel und das Gebet. Wir werden immer feiner die Unterscheidungen wahrnehmen und uns immer besser auf die Schliche kommen, ob wir wirklich Gott reden lassen oder ihm unsere Worte in den Mund legen.

Nehmen wir die Erkenntnis durch die Bibel. Wenn Gott Menschen der Bibel gesagt hat, was er für sie wollte, kam er nicht gleich mit der Forderung, sondern zuerst sagte er immer etwas über sich selbst aus.

Abraham sagte er (1.Mose 17,1), dass er der Allmächtige ist und die Welt regiert. Erst im zweiten Satz brachte er seinen Willen zum Ausdruck: Führe dein Leben in enger Verbindung mit mir und halte dich ganz an mich! So zeigte Gott Abraham, dass er absolut vertrauenswürdig ist, alles voll im Griff hat, und Abraham sich wirklich auf ihn verlassen konnte.

Den Propheten Maleachi lässt Gott sagen: Ich stehe zu meinem Wort. Deshalb könnt ihr noch mal neu anfangen. (Maleachi 3,6f) Gott ließ sein Volk Israel wissen, dass er es immer noch liebte und die Gemeinschaft suchte. 

Jesus sagte von sich: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben. (Johannes 6,51) Jesus lädt ein, an ihn zu glauben und ihm zu vertrauen, denn wer sich an ihn bindet, wird über den Tod hinaus leben können. 

Gott sagt zuerst etwas über sich selbst aus, bevor er seine Erwartungen an uns formuliert. Seine Liebe ist die Motivation, die uns dazu bringen wird, in seinem Sinne zu leben. Und wir werden nur in seinem Sinne leben können, wenn wir uns auf diese Liebe einlassen.

Wenn Gott uns zeigt, was er will, so geht es zuerst um seinen Willen, nicht um unseren. Er kam nicht zu Noah (1.Mose 6-8) und fragte ihn, wie er Gottes Eingreifen angesichts der Flut plante, sondern legte Noah seine Baupläne vor. So formuliert der Apostel auch im Kolosserbrief Gottes Absichten klar und deutlich. Gott erwartet Wachstum und Frucht. Wachstum im Gottvertrauen, dass Gelassenheit und Geduld wachsen, aber auch das Eingeständnis von Schuld und Annehmen von Vergebung. Wachstum im immer besseren Verstehen von Gottes Reden. Wachstum auch in der Hoffnung, dass Gottes Weg nie in Sackgassen führt, sondern dem Himmel näher bringt, bis wir einmal dort sein werden.

Gott erwartet Frucht, die sich in Liebe zu ihm, zu sich selbst und zueinander äußert. Er erwartet, dass das Evangelium durch seine Gemeinde weitergeht und weiter getragen wird.

Wir müssen uns kein Trainingsprogramm zurechtlegen, mit dem wir möglichst viel Wachstum und Frucht bekommen. Gottes Wege mit uns führen zuallererst ins Gebet, dem persönlichen Reden mit Gott. Nicht immer fällt Gottes Reden so aus, dass wir es gleich verstehen. Besonders das Warten fällt uns oft sehr schwer. Doch warum wir warten müssen, dafür kann nur jeder und jede für sich selbst eine Antwort bekommen. Manchmal ist die Zeit noch nicht reif für eine Antwort, manchmal will Gott uns durch das Warten auf eine viel größere Antwort vorbereiten, als wir sie erwartet haben. Die beiden Schwestern Maria und Martha mussten mehrere Tage auf Jesus warten. Inzwischen ist ihr Bruder gestorben. Mit heftigen Vorwürfen empfangen sie den zu spät gekommenen Jesus. Doch der zeigte sich ihnen nun nicht bloß als einer, der Kranke gesund macht, sondern als die Auferstehung und das Leben. Er weckte Lazarus vom Tod auf und gab dadurch Maria und Martha eine viel umfassendere Sicht auf ihn und seine Erlösung sogar vom Tod (Johannes 11).

Jesus führt auch in das Schweigen und die Brachzeit. Er bereitet unser inneres Ackerland vor, lässt es brach liegen, damit es umso besser seine neuen Samenkörner aufnehmen kann. Denn wer ist schon bereit für neue Wege Gottes, wenn sein Acker völlig bewachsen ist und kein Samenkorn mehr Platz hat zur Entfaltung. Wege, um Gottes Willen zu erfüllen, können auch über Müllentsorgungsstationen führen. Vielleicht muss erst mancher Müll aus meinem Leben verschwinden, vergeben werden, damit etwas Neues Platz hat und der Kopf wieder nach vorne gewandt ist. Vielleicht ist dieser Weg der Altlastenentsorgung schmerzvoll, wir meiden ihn und wundern uns, dass bei uns nichts voran geht, wir geistlich nicht wachsen. Dann ist es an der Zeit nicht auszuweichen, sondern mutig die alten Geschichten anzupacken und vor Gott und Menschen um Vergebung zu bitten.

Der Apostel betet für die Gemeinde. Er bittet Gott, dass er diese Gemeinde in sein Herz schließt und ihr Vertrauen stärkt. Die Gemeinde rüttelt er wach. Es geht darum zu wachsen und Frucht zu bringen. Was ist Gottes Wille für uns heute? Nuss-Schoko-Toffees oder Puddingpackungen zu kaufen? Oder auf andere Art Gottes Liebe zu leben und weiterzugeben? Ich bin gespannt, wie er uns die Augen öffnen wird und wir mit offenen Ohren hören, was als Nächstes bei uns dran ist.

Cornelia Trick


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