Gnade - vom Tod zum Leben
Gottesdienst am 10.04.2005

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Ostern hat den Weg in die Zukunft eröffnet. Jesus ist auferweckt worden, um uns Menschen den Weg zu Gott frei zu machen. Er ist damit der Heiland, der den tiefen Riss zwischen Gott und Mensch heilt. Wer Ostern erlebt hat, macht sich mit dem Auferstandenen auf den Weg. Dieser Weg ist kein kurzer Sprint, sondern eher eine längere Wanderung. Es braucht Kondition, Ausdauer und Orientierung, um auf dem Weg zu bleiben. Für uns bedeutet es, uns auf diese Wanderung durch das Leben möglichst gut vorzubereiten. Die nächsten Wochen werden wir Grundaussagen des christlichen Glaubens miteinander bedenken. Diese Aussagen sind wie Stationen an der Strecke, wo wir kurz auftanken können, Orientierung bekommen und vorbereitet werden auf den nächsten Wegabschnitt. 
Heute wird uns ein Begriff leiten, der das ganze Evangelium und Gottes Zuwendung zu uns Menschen in einem Wort zusammenfasst: Gnade. Im Epheserbrief wird diese Gnade sehr prägnant beschrieben. 

Epheser 2,1-10

Auch ihr habt an diesem Leben teil. In der Vergangenheit wart ihr tot; denn ihr wart Gott ungehorsam und habt gesündigt. Ihr habt nach der Art dieser Welt gelebt und euch jener Geistesmacht unterworfen, die ihr Reich zwischen Himmel und Erde hat und von dort her ihre Herrschaft über diese Welt ausübt. Sie wirkt noch jetzt als Geist der Verführung in den Menschen, die sich Gott nicht unterstellen. So wie sie haben wir alle früher gelebt. Wir haben uns von unseren selbstsüchtigen Wünschen leiten lassen und getan, was unsere Triebe und Sinne verlangten. Darum waren wir wie alle anderen Menschen nach unserer ganzen Wesensart dem Strafgericht Gottes verfallen. 
Aber Gott ist reich an Erbarmen. Er hat uns seine ganze Liebe geschenkt. Durch unseren Ungehorsam waren wir tot; aber er hat uns mit Christus zusammen lebendig gemacht. - Bedenkt: Aus reiner Gnade hat er euch gerettet! -  Er hat uns mit Jesus Christus vom Tod auferweckt und zusammen mit ihm in die himmlische Herrschaft eingesetzt. In den kommenden Zeiten soll das enthüllt werden. Dann soll der unendliche Reichtum seiner Gnade sichtbar werden: die Liebe, die Gott uns durch Jesus Christus erwiesen hat.
Eure Rettung ist wirklich reine Gnade, und ihr empfangt sie allein durch den Glauben. Ihr selbst habt nichts dazu getan, sie ist Gottes Geschenk. Ihr habt sie nicht durch irgendein Tun verdient; denn niemand soll sich mit irgend etwas rühmen können. Wir sind ganz und gar Gottes Werk. Durch Jesus Christus hat er uns so geschaffen, dass wir nun Gutes tun können. Er hat sogar unsere guten Taten im voraus geschaffen, damit sie nun in unserem Leben Wirklichkeit werden.

GNADE heißt Geschenk

Es klingelt, ein Paketbote steht vor der Tür. Er überreicht uns ein unförmiges Paket, auf dem groß steht: "Geschenk für dich!" Natürlich sind wir skeptisch. Wer schenkt schon etwas, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Als Absender ist Gott vermerkt. Auch das lässt stutzig werden. Was will Gott uns schenken? Vielleicht eine Wunschmaschine, in der oben der Wunsch hinein fällt und unten das Gewünschte herauskommt. Vielleicht ein neues Buch zur christlichen Ethik, wie ein Mensch nach Gottes Willen leben sollte. Jedenfalls öffnen wir das Paket und finden darin einen Stuhl. Er sieht eigentlich ganz normal aus bis auf die Tatsache, dass er eigentümlich leuchtet. Auf dem Sitzpolster ist ein Zettel befestigt: Reserviert für dich!Stuhl - reserviert für Dich!

Was bedeutet dieser Stuhl? Er ist das Geschenk, das Gott uns mit seinem Sohn Jesus Christus macht. Er schenkt uns einen Sitzplatz im Himmel. Er eröffnet uns damit eine Perspektive über das Klein-Klein unseres Alltags hinaus. Wir leben noch mit beiden Beinen in unserer Welt, doch es gibt eine Wirklichkeit, zu der wir jetzt schon gehören dürfen, sie bedeutet, mit Jesus in unmittelbarer Gemeinschaft zu leben, in seinem Frieden und seiner Liebe geborgen zu sein. Das Leuchten dieses Stuhles reicht bis hinein in die Gegenwart. Im Gebet, im Singen und in der Musik, in der Gemeinschaft miteinander bekommen wir eine Ahnung davon, was Nähe zu Gott bedeutet – geborgen und geliebt zu sein ohne Bedingungen.

Dieses Geschenk können wir nirgends bestellen und mit Kreditkarte bezahlen. Es kommt frei Haus, unverdient, oft unerwartet, in Zeiten, wo wir am wenigsten damit rechnen, beschenkt zu werden.

Was bedeutet uns dieser Stuhl, die Osterbotschaft? Stellen wir ihn achtlos in die Ecke, weil wir uns in unserem Alltagssessel viel zu wohl fühlen, um den Stuhl zu beachten? Haben wir Angst, den Stuhl anzunehmen, weil wir fürchten, damit in eine Falle zu geraten? Oder stellen wir den Stuhl in die Vorratskammer für schlechte Zeiten – falls unsere Sessel zu Schleudersitzen werden oder es uns an Hoffnung und Zukunftsperspektive mangelt? Ist Jesus Lebensretter oder Wochenendbeziehung? Um diese Frage geht es, wenn wir Gnade geschenkt bekommen.

GNADE heißt Neue Schöpfung

In drastischen Worten beschreibt der Apostel das alte und das neue Leben. War das Leben ohne Gottes Gnade bestimmt vom Bösen, so ist es nun befreit davon und bestimmt von Gott. Sein Weltbild ist einem Haus vergleichbar, das 3 Etagen hat. Im Erdgeschoss spielt sich das Leben und der Alltag ab. Im ersten Stock wohnen die Mächte und Gewalten, die vom Bösen ihre Macht bekommen und auf das Leben im Erdgeschoss Einfluss nehmen. Ja, diese Mächte und Gewalten wollen das Erdgeschoss zu ihrem Wohnbereich machen. Das schaffen sie am effektivsten, indem sie den Zugang zum 2. Stock abriegeln. Von unten ist der Weg zu Gott versperrt. Doch Gott hat diese Barriere durchbrochen. Jesus hat mit seinem Tod die Tür zu Gott aufgestoßen. Die Mächte im Erdgeschoss haben keine Alleinherrschaft mehr. Sie sind hinter der Wohnungstür verschlossen, das Treppenhaus ist frei.

Wir hören den Jubel aus den Worten des Epheserbriefes. Die Macht des Bösen ist gebrochen. Die Gegenwart Gottes ist schon jetzt erfahrbar, der Stuhl in Gottes Nähe wartet auf uns. Im Rückblick kann der Apostel sagen, dass ihm etwas ganz Entscheidendes ohne Jesus gefehlt hatte. Er kannte keine Gnade und Vergebung. Er war nicht im Himmel verankert.

Für uns hören sich seine Worte sehr radikal an. Wer von uns kann schon sagen, dass er oder sie mit Gott nur noch Gutes tut und die Macht des Bösen endgültig besiegt ist. Das Böse greift doch immer noch nach uns. Die Wohnungstür im 1. Stock ist keineswegs verriegelt. Sie ist höchstens angelehnt. Doch redet der Apostel nicht von statistischen Werten, wie viel Einfluss das Böse auf Christen hat und wie viel Einfluss auf Nichtchristen. Er redet von einer persönlichen Erfahrung. Und die ist nicht zu widerlegen. Als er ohne Gottes Gnade lebte, konnte er dem Druck des Bösen nicht ausweichen. Seit er mit Jesus, dem Auferstandenen, lebt, weiß er um seine Heimat und seine Kraftquelle zum Guten. Er erlebt es wie eine neue Geburt, eine neue Schöpfung. Der Bewohner des 2. Stocks, der unendlich fern schien, ist zu ihm ins Erdgeschoss gekommen und hat sich mit ihm zusammen getan. Der Terror aus dem 1. Stock hat keine Macht mehr über ihn.

GNADE heißt Annehmen

Das Geschenk der neuen Schöpfung kann ich eingepackt stehen lassen, gar zurück senden oder annehmen. Wenn ich es annehme, verändert es mein Leben. Dieser Stuhl, der für mich reserviert ist, gibt mir eine neue Perspektive. Ich wechsele die Seiten. War es bis jetzt wichtig, dass ich zu meinen Zielen komme, dass es mir gut geht und sich alles für mich gut fügt, so sehe ich auf mein Leben mit Gottes Augen. Ich entdecke, wo ich Mitarbeiterin des Bösen wurde. Ich hatte das Ich größer geschrieben als das Du. Ich hatte an Verletzungen festgehalten und war nicht bereit zur Versöhnung. Ich hatte andere benutzt, um selbst voranzukommen, meine Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Doch auch gegenüber Gott bin ich schuldig geworden. Ich hatte nur mit meinen Möglichkeiten gerechnet und bin daran oft genug verzweifelt. Ich hatte aufgegeben, statt auf Gottes Kraft zu vertrauen. Ich hatte Gott mir untergeordnet als Werkzeug, das ich nach Lust und Laune einsetzen konnte. Ich hatte mich an materiellen Werten orientiert und viel Kraft investiert, um meinen Wohlstand zu mehren. Ein gepolstertes Bankkonto schien mir sicherer als eine Verheißung der Bibel. Dieser Blick auf mein Leben macht mir klar, wie nötig ich Gottes Gnade brauche. Ich kann mich selbst nicht von der Kraft des Bösen befreien. Das kann nur Jesus und er will es tun.

Doch wie geschieht es heute ganz konkret? Vielleicht kann eine Liste helfen, auf der alle Punkte aufgeschrieben werden, die mich von Gott trennen. Diese Liste kann ich zerreißen, um mir ganz bildhaft vor Augen zu führen, Gott hat ein neues Kapitel aufgeschlagen. Er kramt nicht mehr in den alten Sündenregistern herum. Eine neue Schöpfung ist angebrochen. Vielleicht hilft es auch, mit jemand darüber zu reden und zu bekennen, was Gott wegnehmen soll, um Neues zu schaffen. Vielleicht sind aber auch die geschlagenen Wunden das Problem. Dann hilft vielleicht Singen, Beten, Musik, um die Seele in Jesu Gegenwart heilen zu lassen. Zeichen, dass die Gnade Gottes wirklich angenommen ist, sind ein brennendes Herz, wie die Emmausjünger es hatten, oder Freude, mit der der Kämmerer aus Äthiopien fröhlich seine Straße zog, oder der Jubel der Erlösten, wie er in der Offenbarung mitten im Weltgericht ertönt.

GNADE heißt Dranbleiben

Der Epheserbrief spricht von der Gnade, mit der Jesus Christus unser Leben mit Gott verbindet. Doch seine Gnade reicht noch weiter. Wir brauchen sie nicht nur am Anfang unseres Weges, sondern auch, um auf der Bergwanderung nicht müde zu werden. Es ist Gottes Gnade, dass wir Glaubende bleiben, auch wenn die Gewalt des Bösen, die im 1.Stock wohnt, immer wieder in unseren Lebensbereich vorstößt. Er verheißt uns, dass er treu bleibt, Kraft gibt und unsere Anfechtungen ansieht.

Der Evangelist Lukas beschreibt Jesu Gebet im Garten Gethsemane so: "Da erschien Jesus ein Engel vom Himmel und gab ihm Kraft." (Lukas 22,43) Diesen Engel gibt Jesus auch uns zur Seite - er selbst ist dieser Engel, wenn wir nicht mehr weiter können, sich uns die Zukunft verschließt und die Kraft schwindet. Es ist seine Gnade, dass wir in diesen Situationen nicht alles aufgeben, sondern durchhalten.

Wie wichtig ist es, ihm das aber auch zuzutrauen. Denn Jesus zwingt uns nicht, seine Gegenwart wahrzunehmen. Im Gegenteil, manchmal möchte er sogar genötigt werden, bei uns zu bleiben, um uns zu helfen. Die Emmausjünger mussten Jesus nötigen, mit ihnen einzukehren, zu essen und sich damit ihnen zu erkennen zu geben, er wollte weitergehen. Deshalb ist es für mich wichtig, dieser Gnade, uns durchzutragen, Raum zu geben. Ich meine, dass wir dafür die Gemeinde brauchen. Sie ist der Ort, wo Jesus sich zu erkennen gibt und uns seine Gegenwart zugesagt hat. Hier finden wir "Engel", die uns Gottes Kraft vergewissern und für sie beten. Gemeinde ist der Ort, wo wir Gottes Gnade preisen können, sie uns zusprechen können und uns immer wieder daran erinnern können, wie sehr wir sie brauchen, auch gerade, wenn die anfängliche Euphorie des Glaubens verschwunden ist.

GNADE heißt Entwicklung

Der Apostel führt aus, dass Leute, die aus Gottes Gnade leben, eine Menge Gutes tun können. Ihr Leben verändert sich. Sie leben nicht mehr für sich, sondern für andere, sehen die Umgebung durch die Augen Jesu. Doch Gott ist nicht angewiesen auf unsere Guttaten. Wir sind nicht die Ausführungsorgane einer göttlichen Idee, die ohne uns nicht zur Entfaltung käme. Der Epheserbrief hält fest, dass jede gute Tat von Gott ermöglicht ist, er praktisch das Material dazu zur Verfügung stellt. Wenn wir die Möglichkeiten ergreifen, werden wir unseren Lebenssinn finden. Es wird uns glücklich machen, im Einklang mit Gottes Willen zu leben, seine Liebe in die Umgebung zu tragen, zur Heilung beizutragen und Menschen zu Jesus einzuladen.

Wir werden damit nicht zu willenlosen Marionetten von Gottes Plänen, sondern berufen, unsere wahre menschliche Bestimmung zu leben, mit unserem Leben Gott die Ehre zu geben und auf ihn hinzuweisen. Ein Schritt kann sein, dass wir selbst gnädiger werden. Im Zusammenleben mit den nächsten Menschen ihre Schuhe anziehen, in sie investieren, nach ihrer Befindlichkeit fragen, statt selbst laut zu sein. Die Freude der Erlösten in unsere Familien und an unseren Arbeitsplatz tragen. In Fürbitte einstehen für Situationen, die wir nicht beeinflussen können und wo unsere kleine Kraft nichts bewirkt.

Gnade ist Gottes Geschenk an uns. Wir haben schon einen reservierten Platz im Himmel. Der erste Stock ist entmachtet. Neues ist geworden. Das dürfen wir im Glauben annehmen und alles von uns nehmen lassen, was zwischen Gott und uns steht. So können wir in dieser Gnade unseren Weg gehen in den Aufs und Abs des Lebens, gehalten von Gott, ermutigt von ihm, uns weiter zu entwickeln und selbst die Gnade durch unser Handeln zum Ausdruck zu bringen.

Cornelia Trick


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