Gemeinde Jesu - ein Traum
Gottesdienst am 4.11.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
der Jugendkreis der Gemeinde bekam vom Redaktionsteam unserer Kirchenzeitschrift "Unterwegs" den Auftrag, von einer Gemeinde zu träumen, die Jugendliche anzieht. Verschiedene Aspekte von Gemeinde wurden an einem Abend zusammengetragen. Einig waren sich die jungen Leute, dass sie diese Gemeinde als einen Ort erträumen, an dem sie Gott erleben können. Die Bibel gibt vier Stichworte vor: Gemeinde kann Gott erleben in der Lehre, in der Gemeinschaft untereinander, im Brot Brechen und im Gebet (Apostelgeschichte 2,42). Aber diese großen Überschriften müssen ja mit Leben gefüllt sein. Die Jugendlichen haben ihre Version niedergeschrieben und dabei festgestellt, dass ein Satz von mehreren wortwörtlich genannt wurde: "Ich träume von einer Gemeinde, in der ich ich selbst sein kann".Ich träume von einer Gemeinde

Für mich selbst habe ich den Traum weitergesponnen. Der Traum von einer Gemeinde ist doch, wie Jesus sie gemeint hat.

  • Menschen finden sich zusammen, die dem lebendigen Gott in Jesus begegnet sind und ihm ihr Leben anvertrauen.
  • Sie hören zusammen aufmerksam auf Gottes Wort und Wegweisung.
  • Sie lassen ihre Gaben zur Entfaltung kommen.
  • Sie wissen, wozu sie als Einzelne und als Gemeinde berufen sind.
  • Sie haben große Liebe untereinander und praktizieren Vergebung 7-mal 70-mal (Matthäus 18,22).
  • Sie erfahren, dass Korrekturen weiterhelfen.
  • Sie lieben Menschen, die Jesus noch nicht kennen.
  • Ihre Tür steht immer offen, und einladende Düfte von leckerem Essen ziehen durch die Kirche.
  • Wer Sorgen und Kummer hat, findet jemand, der tröstet.
  • Heilungen geschehen und werden gefeiert.
  • Der Gottesdienst ist inspirierend und befreit von den Alltagslasten.
  • Niemand fühlt sich überfordert, ausgenutzt, missachtet, weil Gottes Wertschätzung gelebt wird.
Der Traum von Gemeinde mag ein Traum bleiben. Wir sind noch nicht vollkommen und unsere Gemeinde wird es deshalb auch nicht sein. Doch ein Traum motiviert und gibt Ansporn. Er öffnet das Fenster und schenkt den Weitblick in die Ferne. Er weckt Appetit, an einer Entwicklung teilzunehmen, und lässt spüren, dass Jesus in seiner Gemeinde den Himmel aufbrechen lässt. Was hindert uns also daran, den Traum ins wirkliche Leben einzulassen und ihm bei uns auf die Sprünge zu helfen?

Ephesus war eine Gemeinde, von Paulus gegründet. In sie investierte der Apostel viel Liebe und Fleiß. Er wirkte mit am Wirken des Heiligen Geistes, der eine versöhnte Gemeinschaft aus Juden und Nichtjuden entstehen ließ. Doch diese Gemeinschaft war nach der Abreise des Paulus zunehmend bedroht. Einige meinten, dass Nichtjuden unbedingt erst Juden werden mussten, bevor sie echte Christen waren. Andere fanden es wichtig, dass die Seele ganz bei Jesus war, egal wie ihr Alltagsleben aussah. Die war nämlich ihrer Meinung nach schon im Himmel, auch wenn der Körper noch auf der Erde in Alltäglichem verstrickt blieb. Der Apostel schrieb der Gemeinde in dieser zerrissenen Situation einen Brief, um sie zu werben. Sie sollten das Fenster zum Himmel nicht schließen, den Traum von Gemeinde nicht aufgeben, sondern ihn wach halten. Aus Juden und Griechen konnte eine Gemeinde werden, die Jesus als ihr Haupt hatte. Nach den inhaltlichen Ausführungen dieses Traums schloss Paulus mit einem Gebet. Er ging für diese Gemeinde auf die Knie, um sich ganz Gott zu unterstellen, ihn anzubeten, ihm zu Danken und ihn zu bitten. Er rief Gott als seinen und der Welt Schöpfer an, denn der Schöpfer kennt seine Geschöpfe und weiß, was sie brauchen. Der Schöpfer ging im Paradies durch den Garten, um am Abend mit seinen Menschen zu reden, um sie einzuladen zum Gebet. Daran knüpfte Paulus auf den Knien an.

Epheser 3,14-21

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. 
Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Zwei Bitten formuliert Paulus. Er bittet Gott um die Stärkung des geistlichen Lebens und um Erkenntnis der Liebe Jesu.

Bitte um Stärkung des geistlichen Lebens

Mir kommt ein Bild in den Sinn. Zwei Bäume jetzt im Herbst, die ohne Blätter dastehen. Sie unterscheiden sich äußerlich kaum. Beide sind groß und weit verzweigt. Beide lassen ahnen, dass im Frühjahr neue Blätter wachsen werden. Doch macht man die Probe und versucht einen Zweig abzubrechen, stellt man fest, der eine Baum ist trotz Winterruhe voller Lebenssaft. Der Ast lässt sich nicht einfach abbrechen, er ist dehnbar durch seinen Lebenssaft, der in den Zellen gespeichert ist. Der andere Baum hingegen lässt leicht die Zweige brechen. Er ist innerlich abgestorben. Er hatte wohl auch im Sommer keine Blätter mehr und wird sie auch nicht im nächsten Frühjahr hervorbringen. Äußerlich ähnlich, doch innerlich sind die beiden Bäume Zeugnis von Leben und Tod.

Dieses Bild weist uns auf eine grundlegende Wahrheit hin. Auch wenn es bei uns äußerlich prima läuft, wir kraftvoll und gesund aussehen, sagt das noch nichts über unser Innenleben aus. Und auf dieses Innenleben kommt es an, ob Gottes Kraftstrom des Heiligen Geistes fließt oder nicht. Denn dieser Kraftstrom, den Gott in uns hineinlegt, wenn wir ihn lassen, wird sich spätestens im Frühjahr, bildlich gesprochen, auf unseren Alltag, unsere Außenansicht, auswirken. Ich gehe davon aus, dass niemand ein toter Baum sein möchte, sondern viele sich sehnen nach dieser Kraft Gottes, die Blätter, Blüten und Früchte des Lebens hervorbringt. Wie stärkt Gott unser Innenleben, entfacht den Strom, beschleunigt ihn, lässt ihn wieder durch tot geglaubte Zweige fließen?

Er lädt uns ein zu einer Gebetszeit. Diese Gebetszeit kann vielfältig und phantasievoll variiert werden. Sich still an einen ruhigen Ort zurückzuziehen und die Hände zu falten, ist die bekannteste Variante, die Jesus selbst praktizierte und seinen Jüngern ans Herz legte. Gott legt Neues in unser Herz auch durch Musik, Singen, Spielen und Hören, durch Lesen der Bibel oder geistlicher Bücher, durch freie Zeit, in der wir absichtslos die Seele baumeln lassen, Löcher in die Luft starren oder die Natur genießen, durch intensive tiefgehende Gespräche und Gebete, die andere für uns formulieren oder schriftlich formuliert haben.

Gebetszeit verstehen wir vielleicht so, dass wir unsere Themen und Anliegen in einen dicken Ordner füllen und ihn Gott abgeben. Er soll sich um diesen Ordner kümmern und die Aufträge ausführen. Diese Art von Gebetszeit kann sich schnell totlaufen. Sie verändert nichts im Leben, bringt keinen neuen Saft ins Innere. Denn Gebetszeit wird ja verstanden als Verwaltungsakt: Aufträge geben, die auszuführen sind. Gott möchte aber in unserem Inneren wirken, uns etwas hineinlegen und nicht Aufträge ausführen. Er möchte, dass wir mit leerem Ordner zu ihm kommen, erwarten, dass er Neues hineinsortiert, unseren begrenzten Horizont aufbricht. Gebetszeit braucht deshalb mehr Zeit, als ein Stoßgebet dauert. Sie ist Kreativzeit, ein Seminar mit Jesus, bei dem wir eifrig mitschreiben sollten.

Wir wissen nicht, wie diese Gebetszeit von den Ephesern gestaltet wurde, aber für uns bedeutet Paulus Bitte, dass wir mit leeren Ordnern zu Gott kommen, die er uns füllen will, dass wir seine Sprache ernst nehmen und seine Impulse aufnehmen.

Eine Gemeinde, die ein starkes Innenleben hat, wird widerstandsfähig wie ein gesunder Baum im Sturm. Sie hat Kraft für andere, Früchte des Geistes und gibt mit ihrem Wachstum nach oben Hinweis, woher die Kraft kommt.

Bitte um Erkenntnis der Liebe Jesu

Auch hier steht mir ein Bild vor Augen. Wenn Paulus von der Breite, der Länge, der Höhe und Tiefe der Liebe Jesu schreibt, sehe ich einen Raum vor Augen, der zum Eintreten einlädt. Dieser Raum ist übertragen die Gemeinde Jesu, in der wir Gottes Liebe erkennen können.

Bewohnt ist der Raum von Jesus, er gestaltet die Gemeinde, und nach ihm sollen wir uns richten.

Ist nicht dieser Raum ergänzend zur Gebetszeit der Gebetsraum der Gemeinde, in dem innigste Verbundenheit mit Jesus gelebt wird? Im gemeinsamen Gebet der Gemeinde bringen wir nicht unsere Aktenordner von Sitzungen und Beschlüssen mit, die wir Jesus übergeben, dass er die Handwerker beauftragt. Wir kommen statt dessen auch in den Gebetsraum mit leeren Ordnern und fragen Jesus: Wie können wir näher zu dir rücken? Was willst du an uns fördern, verändern, korrigieren? Wo brauchst du uns? Für wen sind wir da? Zu wem sendest du uns? 

Dieses Fragen geschieht gemeinsam in der Gebetsgemeinschaft und ist ein gemeinsames Hören und Warten auf Antwort. Mag sein, jemand hat den Impuls, dass Jesus eine bestimmte Aktion anregen möchte. Die Beterin, der dieser Impuls geschenkt wurde, muss nun nicht erst ihren Gedanken verteidigen, gute Argumente suchen, in vielen Absprachen Unterstützer finden. Sie kann mit anderen darüber beten und wird im Gebetsraum erfahren, ob es Gottes Anliegen für die Gemeinde ist oder ihr eigener Gedanke. Sie braucht sich um Werbung für ihre Idee kaum noch Gedanken machen, denn da es viele von Jesus gehört haben, wird die Gemeinde das Anliegen als ihr eigenes ansehen. 

Der Gebetsraum scheint besonders attraktiv, wenn die Gemeinde vor einer wichtigen Entscheidung steht, etwa ob das Gemeindezentrum für viel Geld umgebaut werden soll oder nicht. Dann finden sich die Betenden ein und warten auf klare Antworten. Nur leider funktionieren Gebetsräume meistens nicht so spontan. Sie wollen dauerhaft bewohnt werden, die Sprache Jesu muss erlernt sein. Die Betenden müssen eingeübt sein, aufeinander im Gebet zu achten und voneinander Worte Jesu anzunehmen. 

Erkenntnis der Liebe Jesu geschieht in Gebetsräumen auf wunderbare Weise. Heute ist es mir ein besonderes Anliegen, diesem Traum von Gemeinde ein Fenster zu öffnen. Wir haben im Gemeindezentrum Platz für Gebetsräume. Wir hören die Fürbitte des Paulus, die nicht nur den Ephesern, sondern auch uns gilt. Wir möchten ja neue Kraft und innere Stärke gewinnen, persönlich und als Gemeinde. Ist es nicht eine Herausforderung, jetzt auch mutig die Tat folgen zu lassen und uns für z.B. nächsten Mittwoch um 6.00 Uhr vor dem Frühstück im Gebetsraum zu verabreden? Schieben wir diese Chance doch nicht hinaus wie notwendige, aber lästige Sportaktivitäten. Hier geht es ums Herz der Gemeinde, um innere Stärke, Liebe und Erkenntnis. Hier geht es um die Fülle Gottes, mit der wir erfüllt werden.
Und auch wenn uns das nun doch ein bisschen zu traumhaft scheint und manche zweifeln mögen, ob in diesem Gebetsraum um sechs Uhr morgens außer Jesus noch jemand sein wird, hören wir die Schlussworte des Paulus zu seinem Gebet und vertrauen darauf, dass er zu unserem Wollen auch das Vollbringen schenken kann.

Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Cornelia Trick


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