Gemeinde als Ort der Heilung
Gottesdienst am 10.08.2008

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
am 9.7. stand in der Herrnhuter Losung des Tages: „Jesus sprach: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht; gehe hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage.“

Dieser Satz hat mich angesprochen, und da ich ihn beim Mittwoch-Frühgebet lesen wollte, schaute ich mir den Vers im Zusammenhang genauer an. Die dazu gehörende Jesus-Begegnung hat mich seither nicht mehr losgelassen, auch nicht während der vergangenen Urlaubswochen. Immer wieder stellte ich mir die Situation damals vor und sah sie als eine Anfrage an die Gemeinde Jesu heute. 

  • Was hat uns Jesus, der Auferstandene, zu Beginn eines neuen Arbeitshalbjahres zu sagen?
  • Worauf legt er den Finger?
  • Was ist unsere Aufgabe als Leitungsteam, um der Gemeinde bestmöglich zu dienen?
  • Was ist dran für jeden Einzelnen?
Bevor die anderen Top-Themen der Gemeinde in den Mittelpunkt rücken, sehe ich, dass wir uns dem Thema widmen müssen, das Jesus uns mit einer Frau am See Genezareth vor Augen führt. Eine Gemeinde kann für andere da sein, wenn sie von Jesus Heilung erfahren hat. Als Ort der erfahrenen Heilung kann sie mit großer Kraft die Programmpunkte für ihre Mission stemmen. Sie kann mit freiem Herzen auf andere zugehen, sie kann in ihrem Glauben wachsen und die Aufgaben tun, zu denen Gott sie ruft.

Aber umgekehrt gilt das nicht. Eine Gemeinde, die unter chronischen Schmerzen, Blutverlust und krankheitsbedingter Isolation leidet, hat keine freien Hände für andere, kann keine Lasten mittragen und keine Gastfreundschaft üben. Sie bleibt mit sich selbst beschäftigt. So sind sicher sehr persönliche Gründe ausschlaggebend, warum Heilung ein so wichtiges Thema ist, aber genauso auch der Blick auf den Auftrag der Gemeinde fordert dieses Thema geradezu heraus.

Markus 5,24-34

Eine große Menschenmenge folgte Jesus und umdrängte ihn. Es war auch eine Frau dabei, die seit zwölf Jahren an Blutungen litt. Sie war schon bei den verschiedensten Ärzten gewesen und hatte viele Behandlungen über sich ergehen lassen. Ihr ganzes Vermögen hatte sie dabei ausgegeben, aber es hatte nichts genützt; im Gegenteil, ihr Leiden war nur schlimmer geworden. Diese Frau hatte von Jesus gehört; sie drängte sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: »Wenn ich nur sein Gewand anfasse, werde ich gesund.« Im selben Augenblick hörte die Blutung auf, und sie spürte, dass sie ihre Plage los war. Jesus bemerkte, dass heilende Kraft von ihm ausgegangen war, und sofort drehte er sich in der Menge um und fragte: »Wer hat mein Gewand berührt?« Die Jünger sagten: »Du siehst, wie die Leute sich um dich drängen, da fragst du noch: 'Wer hat mich berührt?'« Aber Jesus blickte umher, um zu sehen, wer es gewesen war. Die Frau zitterte vor Angst; sie wusste ja, was mit ihr vorgegangen war. Darum trat sie vor, warf sich vor Jesus nieder und erzählte ihm alles. Jesus sagte zu ihr: »Meine Tochter, dein Vertrauen hat dir geholfen. Geh in Frieden und sei frei von deinem Leiden!«

Die Jesus-Begegnung

Jesus war mit seinen Jüngern in der Gegend um den See Genezareth unterwegs. Ein Vater, der Jairus hieß und Vorsteher der Synagoge war, trat aus der Menge Jesus entgegen und bat ihn flehend, seine todkranke 12-jährige Tochter zu heilen. Währenddessen löste sich aus der Menschenmenge eine Frau und näherte sich Jesus von hinten, um seine Kutte zu berühren. Sie litt 12 Jahre an unstillbarer Blutung. Wie das 12-jährige Mädchen fühlte sie sich offensichtlich am Ende ihrer Kraft. Die Darstellung der Szene lässt erkennen, mit wie viel Scham und Verzweiflung sich diese Frau Jesus näherte. Sie war durch die Behandlungen arm geworden, durch ihre rituelle Unreinheit führte sie ein einsames, isoliertes Leben. der Blutfluss war für manche Zeitgenossen ein Synonym für Sünde in ihrem Leben und stigmatisierte sie zusätzlich als Außenseiterin Gottes und der Menschen. So ergriff sie den letzten Strohhalm Jesus und suchte die Verbindung zum Retter in der Anonymität.

Jesus spürte Kraft von sich ausgehen. Bei Dutzenden von Berührungen suchte er die eine Person, die an den heilenden Strom der Liebe Gottes angeschlossen werden wollte. Dieser einen Person wandte sich Jesus zu, nicht den Dutzenden im Gartenschlauchverfahren. Das zeigt uns deutlich, dass Heilung und Gesundwerden immer das Wunder ist, nie der Normalfall. Normal ist, dass eine Krankheit irgendwann zum Tod führt. Das Wunder Gottes ist, dass es einen neuen Anfang gibt, ein neues Ja Gottes zum Leben und eine neue Chance, das eigene Leben nun ganz radikal auf Jesus auszurichten.

Sofort stoppte die Blutung. Die Berührung schloss die Frau an Jesu heilende Kraft an. Aber dieser Stopp war noch nicht die Heilung. So ließ Jesus die Frau nicht in die Anonymität der Masse zurückkehren. Er suchte den Kontakt zu ihr. Er wollte ihr ins Herz und in die Augen schauen, ihr das vermitteln, was wirklich lebensverändernd war. Denn er zog sie weg aus ihrem Gebundensein an die Krankheit hin zu ihm. Ganz radikal schnitt er die Verbindung zu ihrer kranken Vergangenheit ab, um sie an die Hand zu nehmen und mit ihr in die Zukunft zu gehen. Jetzt erst war sie in vollem Umfang gesund, weil sie zu Jesus gehörte, zur neuen Familie der Kinder Gottes.

Geheilt sein bedeutet, mit Jesus zusammen gebunden zu sein. Diese Bindung kann sich im körperlichen Gesundwerden ausdrücken. Und wir können uns ernsthaft fragen, warum wir das Gesundwerden so selten erleben, aber viel vom Heilwerden reden. Fehlt uns der Mut, es zu erwarten? Haben wir Angst vor Enttäuschung? Ist unser Glaube doch zu beschränkt auf das, was wir in dieser Welt für möglich halten? Bilden wir uns ein, Gesundwerden nicht mehr zu brauchen? Fürchten wir Gottes Auswahl, wen er gesund werden lässt und wen nicht? Wenn nicht alle, dann keiner? In anderen Bezügen denken wir nicht so. Wir hören zum Beispiel nicht auf, um Arbeitsstellen zu beten, auch wenn wir wissen, dass es noch andere Bewerber gibt.

Gemeinde als Ort der Heilung

Nicht alle, die heute Morgen diesen Gottesdienst besuchen, sind in der Situation der kranken Frau. Viele von uns sind putzmunter, noch nicht mal ein Schnupfen plagt sie mitten im Sommer. Doch sie tragen vielleicht die Sorge um jemand anderen im Herzen, sie haben großen Kummer, weil der Freund sie verlassen hat. Sie haben sich selbst in eine Ecke manövriert, aus der sie nicht mehr rauskommen, sind schuldig geworden und finden nicht den Pfad der Vergebung. Sie kommen in die Gemeinde und erwarten hoffentlich die heilende Gegenwart des Herrn. Sie erwarten einen Ort, an dem Jesus seine Hand ausstreckt nach ihnen, um sie zu sich zu ziehen. Sie wollen an diesem Ort als schon Geheilte ein neues Leben voller Kraft beginnen und für andere heilend zur Verfügung stehen. Sie hören durch ihre Heilung einen neuen Dienstauftrag. 

Wie kann Gemeinde zu einem Ort der Heilung werden?

Zunächst einmal, indem sie Platz schafft, dass die Bedürftigen, die Kranken sich Jesus nähern können – auch von hinten aus der Anonymität heraus. Das hat augenscheinlich banale Konsequenzen. Die hinteren Plätze im Gottesdienstraum haben frei zu bleiben für die, die sich nicht trauen, Jesus von vorn zu begegnen wie der Vater Jairus als einflussreicher Synagogenvorsteher vor Ort. Und wer einmal zum Gottesdienst mit einem schweren Herzen kam, weiß, wie wichtig es ist, auch ungesehen und unkommentiert weinen zu dürfen, die Hände buchstäblich auszustrecken nach dem, der herausreißen kann und will.

Zu den Weinenden gesellen sich die unter uns, die von Herzen und mit Vollmacht trösten können. Die ein Gespür für Leid haben, es vielleicht selbst erlebt haben. Die von Jesus erwarten, dass er heilt und gesund macht und diese Erwartungshaltung mit den Weinenden teilen können. 

Zur Gemeinde als Ort der Heilung gehört eine klare Ansage. Der Weg in die Ewigkeit führt durch Wüsten. Wir dürfen keine falschen Hoffnungen wecken, als wäre Glaube an Jesus die Checkkarte für unbegrenztes Leben auf Erden. Glaube kann nicht egoistische Ziele verfolgen, sondern bedeutet, sich ganz fest an Jesus binden zu lassen. Das kann mit körperlichem Gesundwerden einhergehen, muss aber nicht. Erst in der Ewigkeit wird das Leid überwunden sein.

Die heilende Gemeinde hat Hoffnung zu verkünden. Wir sind unterwegs zu Gottes Ewigkeit. Keine Krankheit kann uns von diesem Ziel abbringen, wenn wir an Jesu Hand sind. Der Trost, den wir uns zusprechen, heißt nicht: Alles wird wie vorher, sondern alles wird zu Gottes Ziel führen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Die Gemeinde bekommt durch die Bibel ein Instrument in die Hand, mit dem sie nach Heilung Suchenden helfen kann. Nach Jakobus 5,13-16 sind es die Ältesten, die bei dem Kranken zusammenkommen, Krankenhausbettihm die Hände auflegen, ihn mit Öl salben und im Namen Jesu für seine Gesundung beten. Sie halten fest, dass Jesus den oder die Kranke retten will, wieder aufrichtet und vergibt, wo Schuld den Genesungsprozess lähmt. Wer sind die Ältesten bei uns? Ist es ein gewähltes Gremium oder die, die den Auftrag Jesu hören, sich von ihm rufen lassen, den Dienst für die Kranken zu tun? Und ist es nötig, nach dem Erfolg zu fragen? Dafür ist das Gebetsteam nicht zuständig, das ist allein Gottes Sache. So geht es bei diesem Gebet für die Kranken nicht um einen magischen, esoterischen Ritus, sondern um die Verbindung der Betenden zu ihrem Herrn und den Krafterweis Gottes, der durch seine Kinder dem Kranken zukommen kann, wenn es Gottes Wille ist.

Die ureigenste Bestimmung der Gemeinde ist, ein Ort der Heilung zu sein. Gottes Liebe heilt Sünden und ihre Folgen, auch die körperlichen. Wenn nicht anbruchsweise in der Gemeinde, wo dann?

Die Gemeinde als heilender Ort wird Ausstrahlung haben. Sie wird Kapazität haben, neue Menschen, die unter Krankheiten aller Art leiden, aufzunehmen und sie zu Jesus zu begleiten. Sie wird aus Mitarbeitenden bestehen, die durch ihre eigenen Heilungserfahrungen belastbar sind. Sie wird ein geistliches Leben führen, das durch die enge Beziehung jedes Einzelnen zu Jesus wächst. Sie wird ein wahrhaftiges Zeugnis in ihrer Umgebung sein, kein Interessenverein, sondern eine Quelle, die Jesu Liebe weitergibt.

Als Gemeinde müssen wir uns diesem Thema sofort öffnen, denn die nächsten Top-Themen wollen nicht endlos in der Warteschleife bleiben. So lade ich Sie ein, die die Heilung erfahren haben, die, die krank und kaputt hierher gekommen sind, die die die Liebe zu den Kaputten in sich spüren, Jesu Liebe zu erflehen und ihm jetzt in einer Zeit der Stille Raum zu geben. Abschließen werden wir diese Stille mit Gebet und dem Lied „O Glück der Gnade! Gottes Hand und Augen suchten mich. Ich war verlorn, bis er mich fand, war blind, jetzt sehe ich.“

Cornelia Trick


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