Gefreit von Jesus
Gottesdienst am 19.06.2011

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
eine junge Frau erzählt ihrer Freundin völlig begeistert, dass ihr Freund ihr einen Heiratsantrag gemacht hat. Sie hat sofort Ja gesagt. Die Freundin freut sich mit ihr, ist aber auch sichtlich besorgt. Sie fragt nach, ob die junge Frau denn wirklich schon bereit sei zu einem solchen verbindlichen Ja-Wort. Will sie sich so früh binden? Kann sie sich ein Lebenslänglich schon vorstellen? Wie die junge Frau erzählt auch ihr Freund von der bevorstehenden Hochzeit. Seine Kumpels trauen ihren Ohren nicht. Der Freund will sich freiwillig ins Ehe-Gefängnis begeben? Sie planen sogleich den ausschweifenden Junggesellenabschied. Nochmal richtig einen draufzumachen, bevor der Freund für immer in die Ehe abtaucht, das scheint ihnen dran zu sein. 

Die Ehe wirkt auf manche Zeitgenossen wie eine lebenslängliche Haftstrafe. Das war nicht immer so. Früher sprach man davon, dass der Bräutigam seine Liebste freite, frei machte aus den Verpflichtungen ihrer Herkunftsfamilie, einem Leben als einsame Frau am immer gleichen Ort. Mit dem Bräutigam konnte sie in eine neue Freiheit aufbrechen, ein neues Lebenskapitel schreiben, war frei, selbst eine Familie zu gründen, frei, eigene Spuren in die Zukunft zu legen.

Der gesellschaftliche Bedeutungswandel betrifft bei Weitem nicht nur die Ehe, sondern auch andere Formen der Verbindlichkeit. Er betrifft aber auf jeden Fall auch das Verständnis von Glauben. Nicht selten begegne ich bei Mitmenschen, für die Glaube an Gott kein Thema ist, verwunderten Reaktionen. Sie setzen Glaube mit lebenslänglicher Haft in Gottes Gesetzesgefängnis gleich, sehen mich an Normen gebunden, bedauern mich, dass ich sonntags nicht ausschlafen und lange gemütlich frühstücken kann. Sehen mich immer bewacht von Gottes Augen, die mich viel argwöhnischer verfolgen als alle Suchdienste dieser Welt. Sie meinen, dass Glaube unfrei macht und sie als Nicht-Glaubende die wahrhaft Freien sind.

Wie kommen Christen dazu, ihr Leben als frei zu bezeichnen, wo sie doch offensichtlich gebunden sind an Gott? Sie antworten auf diese Frage wohl ähnlich wie die junge Frau und der junge Mann ihren Freunden. Sie werden erzählen, wie Jesus sie gefreit hat, wie Jesus ihnen einen Antrag gemacht hat und sie nichts lieber tun, als Ja zu sagen – lebenslänglich.

2.Korinther 3,17-18

Der Herr aber, von dem dieses Wort spricht, nämlich Jesus Christus, wirkt durch seinen Geist. Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Wir alle sehen mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel. Dabei werden wir selbst in sein Bild verwandelt und bekommen mehr und mehr Anteil an seiner Herrlichkeit. Das bewirkt der Herr durch seinen Geist. 

An diesem Sonntag zu Trinitatis werden wir an die Dreieinigkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist erinnert. Gott begegnet uns in drei verschiedenen Rollen. Im griechischen Schauspiel hatte der Mime verschiedene Masken, die ihn zu unterschiedlichen Personen werden ließen. Solche Masken trägt Gott, um sich uns mitzuteilen. 

Gott ist der Schöpfer, der immer größer ist, als wir uns das als seine Geschöpfe vorstellen können. Wir nehmen nur Teilaspekte von ihm wahr, seine Fürsorge, seine Macht, seine Unergründlichkeit. Wir finden einzelne Puzzleteile, doch nie erkennen wir das gesamte Bild.

Gott ist gegenwärtig in seinem Sohn Jesus Christus, der für den Vater steht. Nur an Jesus erkennen wir Gottes uns zugewandtes Gesicht. Wir können von diesem Gesicht auf den ganzen Menschen schließen, auch wenn der Körper verborgen ist. Dieses Gesicht Gottes ist eindeutig. Jesus zeigt uns Gottes Liebe zu uns, seine Sehnsucht nach uns, seinen Willen, alles auszuräumen, was zwischen Gott und uns steht. Jesus freit uns, um uns wieder neu in die Gottesgemeinschaft zu holen.

Gott und Jesus sprechen durch den Heiligen Geist, der wie ihre Stimme und Sprache ist. Durch diese Stimme Gottes kommt Jesus in unsere Herzen, berührt uns, wohnt in uns. Durch diese Stimme löst er uns aus Bindungen aller Art und ermöglicht die Beziehung zu Gott. Diese Sprache sagt uns Gottes Kraft zu und transportiert sie zu uns.

Jesus spricht heute in der Sprache seines Geistes, und er macht uns durch seinen Heiligen Geist den Antrag: Willst du mit mir leben – sogar über den Tod hinaus? Denn: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

Jesus befreit von der Vergangenheit

In unserem Lebensrucksack sammeln sich nicht nur die schönen Erinnerungsfotos aus glücklichen Zeiten an, sondern auch belastende Steine, eigene Schuld und Verletzungen, die uns andere zugefügt haben. Sie können so schwer werden, dass wir keinen Schritt mehr vorankommen. Jesus will uns von dieser Last befreien. Dabei ist es für ihn kein Thema, dass wir schuldig waren und immer wieder schuldig werden. Schuld an sich ist für Jesus kein Problem. Er verlangt von uns kein schuldfreies Leben, aber er kritisiert, dass wir Schuld festhalten. In seinen Gleichnissen hält er uns oft einen Spiegel vor: So bist du, hart, unversöhnlich, überheblich. Wir sollen endlich damit aufhören, unsere Schuldgefühle zu konservieren, uns festzuhalten an längst vergangenen Verfehlungen, oder unsere Schuld zu ignorieren, über Leichen zu gehen und die Folgen unseres Tuns nicht zu sehen. Jesus ermöglicht es uns, in den Spiegel zu sehen, und uns ehrlich anzuschauen mit allen Macken und Wunden. Die Schuld anzuerkennen, sie vergeben zu lassen, die Verletzungen, die andere mir zugefügt haben, zu vergeben und mich in Jesu Arme fallen zu lassen, das ist Befreiung. Ohne diese Steine der Vergangenheit können wir frei und unbeschwert unseren Weg gehen.

Jesus befreit von Zwängen, die mich von außen bedrängen

Eine Braut wurde im Mittelalter durch Heirat aus den Zwängen ihrer Großfamilie gelöst. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, aber Zwänge umgeben uns heute mindestens genauso hartnäckig wie damals. Wir sind eingezwängt in unsere Arbeit, ins Geldverdienen, in unsere gesellschaftlichen Verpflichtungen, in unsere Verpflichtungen als Kinder, als Eltern, ja sogar als Großeltern. Wer sind wir, wenn diese Zwänge uns nicht mehr wie ein Korsett aufrecht halten?

Pfingstmontag traf ich einen Bekannten mit seinen Kindern auf der Straße. Er sah etwas lustlos aus, und ich fragte ihn nach seinem Befinden. Er meinte, es wäre einfach schrecklich langweilig an solch einem Feiertag. Die Kinder bestätigten es. Das Korsett des Alltags ist weggefallen, und schon war es ihnen langweilig. Sie wussten nichts mit der geschenkten Zeit anzufangen.

Vielleicht denken Sie jetzt, mir kann das nicht passieren. Aber meine Erfahrung sagt etwas Anderes. Wer einmal ganz abrupt aus einer stressigen persönlichen Phase herausgenommen wurde, weiß um dieses Gefühl der inneren Leere, dass man nicht weiß, wohin mit sich. Die Zwänge beklagen wir gerne, aber eigentlich haben wir nichts mehr entgegen zu setzen, unser Leben besteht nur noch aus Hülle, der Kern ist leblos geworden.

Jesus will uns aus diesen Zwängen von außen lösen. Nicht, indem er sie abschafft. Wir werden weiter arbeiten, Geld verdienen, in unseren Familienverpflichtungen leben. Aber er macht uns innerlich stark und lebensfroh. Die Zwänge können uns nicht mehr die Luft zum Atmen nehmen, weil wir selbst wissen, was wir wollen, weil Gottes Geist in uns wohnt und die Richtung angibt. 

Jesus befreit von Zwängen, die mich innerlich bedrängen

Vielleicht gehören Sie auch zu der Sorte Mensch, die gar keinen Druck von außen braucht, weil innerlich schon soviel Druck ist, dass wir ständig unter Strom und Anspannung stehen. Der eigene Antrieb ist stärker als jeder Zwang von außen. Ich muss das, jenes verwirklichen, um meinen eigenen Ansprüchen zu genügen. Ich muss mein eigenes Bild von mir aufrecht erhalten. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich nachlassen würde. Diese inneren Zwänge sind viel unbarmherziger als äußerer Druck. Vor mir selbst kann ich nicht fliehen. Nur Gottes Geist kann mich befreien. Er gibt mir die Gewissheit, bei Gott Wert zu haben, egal, ob ich mir selbst Wert beimesse oder nicht. Er lässt mich Gottes Barmherzigkeit spüren, wenn ich selbst an meinen Ansprüchen gescheitert bin. Er sagt mir zu, dass nur ein Antrieb wirklich nach vorne bringt – er selbst. Mein Antrieb lässt mich nur im Kreis fahren. 

Jesus freit durch seinen Geist, seine Sprache der Liebe. Er ruft in eine neue Freiheit. Er hält uns den Spiegel vor, in dem wir unsere ganz persönliche Unfreiheit entdecken. Aber in diesem Spiegel sehen wir noch mehr: Die Herrlichkeit des Herrn, den Bräutigam, der um unser Ja-Wort ringt. Ihn zu sehen, ihm zu vertrauen, verändert uns. Wir wachsen in sein Bild hinein wie ein altes Ehepaar, das sich in vielen Jahren aneinander angeglichen hat.

Wir werden befreit, und fallen nicht in ein luftleeres Loch, als wären wir aus einem Hubschrauber ohne Fallschirm abgesprungen und in freiem Fall in die Tiefe geflogen. Wir werden frei von unseren Steinen und frei, für neue Bindungen. Wir bekommen:

  • Freiheit für Gott. Wir können mit ihm unmittelbar reden, der Geist ist die Sprache, die Telefonleitung zu Gott. Wir haben Verbindung zu ihm, hören ihn, können antworten, uns freuen, uns beschweren, mit unseren Fragen kommen, aber auch mit unseren Vorschlägen, wie es weitergehen soll. Wenn er unsere Planungen über den Haufen wirft – und das tut er durchaus oft, können wir sicher sein, dass es zu unserem Besten dient. Wenn wir Angst vor der ungewissen Zukunft haben, gibt er uns Sicherheit, denn er geht mit.
  • Freiheit für uns selbst. Gott spricht uns zu, dass er uns liebt. Wenn wir uns anschauen, müssen wir nicht krampfhaft auf unsere Flecken starren oder krampfhaft unsere Flecken ignorieren. Wir können uns anschauen wie wir sind und dahinter den sehen, der uns liebt und unser Bestes will. Wir können gut zu uns sein, uns selbst nicht zur Zitrone degradieren, die wir mehr und mehr auspressen. Wir müssen uns nicht in Kartons der Erwartungen anderer stecken lassen, die meinen zu wissen, wie wir zu sein haben. Wir sind Originale, und nur Gott weiß, wie wir uns verändern sollen. Auf seine Vorgaben kommt es allein an.
  • Freiheit für andere. Die Mitmenschen sind nicht mehr die Jury, die über uns Gericht hält wie bei den Casting-Shows dieser Tage. Die anderen sind auch nicht unsere Trittstufen, um selbst immer höher zu kommen. Sie sind Menschen, die Sehnsucht nach dem Du haben wie wir, die uns brauchen, um ihren Weg zu gehen, die durch uns Gottes Liebe spüren sollen und gleichzeitig für uns zum Christus werden können. Indem wir ihnen frei begegnen mit der Liebe Gottes im Herzen, werden wir ihre Seelen finden, Freundschaften schließen und über menschliche Spannungen hinweg kommen. Wir geben das Signal: Du bist es mir wert, dass ich dich kennen lerne, wie du bist. Das wird Echo finden.
Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit
Jesus erlöst uns aus der Vergangenheit, von Zwängen, die äußerlich auf uns treffen, von inneren Zwängen. Er sagt verbindlich zu: Du gehörst zu mir. Wir können uns durch seinen Geist von ihm freien lassen, befreien lassen und uns Freiheit für die Zukunft schenken lassen.
  • Frei werden wir, mit ihm zu leben, auf ihn zu hören, uns von ihm verändern zu lassen.
  • Frei werden wir, uns selbst lieben zu lernen, auf uns zu achten, weil wir ihm wichtig sind.
  • Frei werden wir, einander anzunehmen trotz Ecken und Kanten.
  • Frei werden wir, die anzunehmen, die meinen frei zu sein, aber die Freiheit des Geistes noch nicht erfahren haben.
Wie ist es mit Ihrer Freiheit bestellt? Vielleicht hilft ein ehrliches Gespräch mit einer Person Ihres Vertrauens:
Wie erlebst du mich? Bin ich in deinen Augen frei? Wo sollte ich mich von Jesus freien lassen?

Christus hat uns befreit; er will, dass wir jetzt auch frei bleiben. Steht also fest und lasst euch nicht wieder ins Sklavenjoch einspannen! (Galater 5,1)

Cornelia Trick


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