Fruchtbare Gemeinden (1.Petrus 2,2-5)
Gottesdienst am 28.7.2019 in Brombach

Liebe Gemeinde,
vor knapp zehn Jahren hat die Gemeinde gemeinsam das Buch von Robert Schnase, „Fruchtbare Gemeinden und was sie auszeichnet“ gelesen. Generationenübergreifend wurden Arbeitsgruppen gegründet, die Initiativen starteten. Eine methodistische Unruhe erfasste die Gemeinde. Man wollte sich nicht damit zufriedengeben, dass alles immer so weiterlief. Man spürte Impulse zum Aufwachen, zur Neuorientierung und zur Veränderung.

Heute schließe ich eine Gottesdienstreihe zum Gesamtthema „Methodistische Identität“ ab. Schauten wir die vergangenen vier Sonntage auf Dokumente John Wesleys aus dem 18.Jahrhundert, nehmen wir heute dieses Buch von Robert Schnase aus unserer Zeit, um dem nachzuspüren, was Methodisten ausmacht.

Ein Schwerpunkt, den das Buch nennt, ist zielgerichtete Glaubensentwicklung. Sie ist der entscheidende Motor im Leben jedes Christen. Eine fruchtbare Gemeinde braucht Glauben, also Vertrauen zu Jesus Christus. Jeder und jede Einzelne ist verantwortlich für die eigene Glaubensentwicklung, das kann nicht an ein Gremium, also zum Beispiel einen Gemeindevorstand delegiert werden. Dass die Beziehung zu Jesus Christus immer stärker wird, meint Entwicklung des Glaubens. Die Organisation, also die Gemeinde, soll das ermöglichen. Sie macht Angebote, um Glauben zu erleben und im Glauben wachsen zu können. Sie stellt die Gefäße zur Verfügung, durch die der Heilige Geist wirken kann.

Als ich im Mai mit einer Referentin, die im Nachmittagskreis über ihr Leben erzählte, und ihrer Begleiterin zusammensaß, fragte mich die Begleiterin: „Angenommen, ich würde neu zu ihrer Gemeinde stoßen. Welche Angebote hätten Sie für mich?“ Diese Frage fand ich spannend. Ich zählte ihr manches auf, und wir stellten fest, dass Angebote das eine sind, aber sich darauf einzulassen, das andere. Es wäre schön, wenn viele uns diese Frage stellen und dann auch Angebote annehmen würden, um selbst die Beziehung zu Jesus zu stärken.

Zu diesem Thema nimmt der 1.Petrusbrief Stellung.

1.Petrus 2,2-5
Wie neugeborene Kinder nach Milch schreien, sollt ihr nach der unverfälschten Nahrung von Gottes Wort verlangen. Durch sie wachst ihr im Glauben heran, sodass ihr gerettet werdet. Denn ihr habt ja bereits schmecken dürfen, wie gut der Herr ist. Kommt her zu ihm! Er ist der lebendige Stein, der von den Menschen verworfen wurde. Aber bei Gott ist er auserwählt und kostbar. Lasst euch auch selbst als lebendige Steine zur Gemeinde aufbauen. Sie ist das Haus, in dem Gottes Geist gegenwärtig ist. So werdet ihr zu einer heiligen Priesterschaft und bringt Opfer dar, in denen sein Geist wirkt. Das sind Opfer, die Gott gefallen – weil sie durch Jesus Christus vermittelt sind.

Ernährung
Petrus vergleicht Christen mit Säuglingen. Säuglinge sind hier keine Vorstufe zu reifen Christen, so wie die Kinderkirche die Vorstufe des Erwachsenengottesdienstes ist. Säuglinge, so der Petrusbrief, bleiben wir lebenslang in unserer Beziehung zu Gott. Wir sind abhängig von seiner Fürsorge, wir haben stündlich seinen Input nötig. Wenn wir von ihm genährt werden, besteht ein inniger Kontakt zu ihm. Muttermilch ist kein Minimalprogramm, kein Nahrungsergänzungsmittel, sondern Vollkost, die bestens für uns geeignet ist. Milch von Gott ist Himmelsspeise, die ans gelobte Land erinnert, wo Milch und Honig fließt. Christen schreien nach Paradiesnahrung, weil sie mit dem Himmel verbindet, ein Vorgeschmack auf die ewige Heimat bei Gott ist.

Petrus stellt nun fest, dass das Wort Gottes Muttermilch ist. Was ist aber in diesem Zusammenhang das Wort Gottes? Damals hatte noch nicht jeder Christ eine Bibel in der Hand wie heute. Es gab die neutestamentlichen Schriften nur als Lose-Blatt-Sammlungen. Abschriften des Alten Testaments gab es in den Gemeinden praktisch gar nicht, sie wären viel zu teuer gewesen. Wort Gottes meint deshalb nicht eine Sammlung von Texten, die in Bücherregalen verstauben können. Worte Gottes wurden persönlich zugesprochen. Jemand erzählte eine Begebenheit mit Jesus und verband sie mit dem eigenen Leben und dem des anderen. Eine gebundene Bibel, die wir heute Wort Gottes nennen, ist sozusagen die Milch in der Flasche. Sie muss sich mit dem eigenen Leben und dem Leben des Gegenübers verbinden.

Dass Flaschenmilch aus der Packung zu Muttermilch wird, dafür kann ich Voraussetzungen schaffen.

  • Ich lasse mich ein auf das, was Gott mit mir reden will. Dazu ein Beispiel. Jeden Morgen bete ich das Vaterunser und eben auch „Dein Wille geschehe“. Letzten Montag hatte ich mir für den Abend ein nettes Programm überlegt. Doch es kam anders. Statt ein leckeres Essen zu kochen und Zeit mit meinem Mann zu verbringen, stand ich an einem S-Bahnhof mitten in der Landschaft und wartete auf den ADAC, weil unser Fahrzeug aufgebrochen wurde und nicht mehr fahrtüchtig war. Wir warteten bis zum Dunkelwerden, als endlich der Gelbe Engel kam und uns rettete. Die ganze Wartezeit hindurch, einige Stunden, dachte ich an „Dein Wille geschehe“. Eigentlich hätte ich lieber meinen Willen gehabt. Aber Gott verordnete uns eine komplette Auszeit ohne Essen, ohne Buch, nur mit Gesprächen, die aber auch nicht so flossen, weil wir uns ja Sorgen um unser Gefährt und unser Nachhausekommen machten. Doch im Nachhinein war es ein ganz wertvoller Abend, der mich innerlich leer werden ließ und bereit machte für alles, was die Woche so mit sich brachte.
  • Ich finde heraus, wo ich am leichtesten höre. An einem stillen Ort? Beim Singen und in der Musik? Im Gespräch mit anderen? Beim Gebet? Wenn viele Christen beieinander sind und miteinander Gott loben? Wann treibt es mir Tränen in die Augen über die Liebe des Vaters? Wann passiert es mir, dass ich einen Gedanken aufschreibe, um ihn festzuhalten? Wo bekomme ich lebensverändernde Impulse?
  • „Kommt her zu ihm!“ Wenn ich mich bereit gemacht habe zu hören und die Voraussetzungen dazu stimmen, dann kann ich zu Jesus kommen und wie ein Baby an der Mutterbrust bei ihm alles empfangen, was ich zum Leben brauche.
Zeit, um Gottes Gegenwart zu erleben, ist vielleicht in Urlaubszeiten jetzt im Sommer. Ich bin aus dem Korsett des Alltags gelöst, habe meinen Kopf frei für Neues und Zeit, mich von Jesus in die Zukunft locken zu lassen.

Wachstum
Gut ernährte Säuglinge werden laut Petrus zu Bausteinen. Das ist die Bildersprache, in der Petrus hier spricht. Schauen wir uns die Bausteine genauer an.

  • Bausteine werden zurechtgehauen. Damit sie in ein Gebäude passen, müssen sie geformt werden. Das ist kein sanftes Streicheln, sondern geschieht oft auch schmerzhaft. Eine Lebensveränderung kann dazu führen, dass wir geformt werden, eine Krise oder auch Auseinandersetzungen. Sie stellen uns in Frage und bringen uns weg von Heiligen Kühen, die wir eigentlich nicht drangeben wollen. Sie sind Lehrzeiten für Geduld und Gelassenheit und Gottes Willen.
  • Bausteine müssen stabil sein. Ein Baustein aus Schaumgummi trägt keine anderen Steine und stützt nicht die Steine neben sich. Er fällt in sich zusammen und mit ihm die ganze Mauer. Gottes Liebe, die uns erfüllt, macht uns stabil. Mit ihr randvoll zu sein, gibt uns Sicherheit, auch andere zu halten.
  • Bausteine sind lebendig. Es gibt eine Kakteensorte, die „Lebendige Steine“ heißt. Die Kakteen sehen aus wie Steine, was sie von echten Steinen unterscheidet, sie können wachsen. Sie entwickeln sich dem Licht entgegen. So sind wir lebendige Bausteine, die Gott entgegenwachsen, die immer mehr von Gottes Liebe aufnehmen und weitergeben können und andere integrieren, stützen und tragen. 
Gemeinschaft
Ein Baustein allein reicht nicht, um ein Haus zu bauen. Es braucht viele Steine, die sich ineinanderfügen.
  • Glaubensentwicklung braucht Gemeinschaft. Mehr Menschen stehen auch für mehr Glaubenserfahrungen. Sie sind ansteckend, befruchten sich und lassen das eigene Leben vielleicht auch transparenter für Gottes Wirken werden.
  • Gemeinschaft fördert Verantwortung. Wenn es nach mir ginge, würde ich mindestens jede zweite Woche den Sport ausfallen lassen. Eigentlich bin ich immer viel zu kaputt, um mich noch zum Sport aufzuraffen. Aber die Gruppe wartet auf mich. Ich möchte sie nicht im Stich lassen. So ist es mit der Gemeinschaft des Glaubens. Nicht jede hat immer Lust auf Gotteserlebnisse. Manchmal ist der Alltag so ermüdend, dass sie gar keine Erwartung hat, dass Gott heute zu ihr sprechen könnte. Doch die Gemeinschaft ruft. Sie weiß, da sind Menschen, die ihr wichtig sind, die auf sie warten. Sie macht sich auf und erlebt oft, dass Gott da ist und ihr neue Kraft schenkt.
  • Gemeinschaft hilft in Brachzeiten. Wenn meine Speisekammer leer ist und die Geschäfte zu, ist es gut, eine Freundin zu haben, die mir aushelfen kann. Brachzeiten gibt es nicht nur in der Speisekammer, sondern auch in unserem Seelenleben. Da ist das Herz so ausgedörrt, dass selbst ein Gebet schwerfällt. Aber meine Seelenschwester merkt das und betet für mich. Sie bringt mich zu Jesus und bittet ihn, mir die Speisekammern wieder zu füllen. Und es passiert. Das nächste Mal bin ich wieder dran und reagiere auf die Not anderer.
  • Gemeinschaft hat mehr Hände, die andere packen können. Wenn jemand neu zum Glauben kommt, sucht er oder sie sich häufig Menschen, die ihr oder ihm Vorbilder des Glaubens werden können. Doch wir alle haben Fehler und Macken. Nur ein Vorbild reicht nicht, und oft wechseln unser aller Vorbilder oder Anleitende. Da war es eine Zeit lang der Jugendleiter, später ist es eine gute Freundin in ähnlicher Lebenssituation und gleichzeitig ein altes Ehepaar, das mit seiner Zufriedenheit und Dankbarkeit das Herz tief berührt und Sehnsucht weckt.
Gemeinde ist kein Eierkarton, wo die Einzelnen gut separiert in gemütlichen Fächern stecken, sondern im besten Fall ein chaotischer Obstsalat, wo alle Früchte zu finden sind.

Ich habe mich bei der Lektüre des Buches 10 Jahre später selbst gefragt, wie zielgerichtete Glaubensentwicklung bei mir aussieht, und ich kann mich im Petrusbrief wiedererkennen:

  • Ich bin Jesus nahe und spüre, was er von mir will, wie ein Säugling bei der Mutter.
  • Ich werde immer wieder zurechtgestutzt, um meine Aufgabe als Baustein in Gottes Bauwerk besser nachkommen zu können. Leider kann das weh tun, aber im Nachhinein erkenne ich Jesu Handschrift.
  • Ich brauche für meinen Glauben Gemeinschaft, weil ich allein nicht genug Motivation aufbringen kann, dauerhaft mich nach Gott auszustrecken. Ich brauche die anderen und die anderen brauchen mich.
Zielgerichtete Glaubensentwicklung führt zum Gebet der Hingabe, wie John Wesley es für den Gottesdienst zur Bundeserneuerung formulierte:

Ich gehöre nicht mehr mir, sondern dir. 
Stelle mich, wohin du willst. Geselle mich, zu wem du willst. 
Lass mich wirken, lass mich dulden. 
Brauche mich für dich, oder stelle mich für dich beiseite. 
Erhöhe mich für dich, erniedrige mich für dich. 
Lass mich erfüllt sein, lass mich leer sein. 
Lass mich alles haben, lass mich nichts haben. 
In freier Entscheidung und von ganzem Herzen überlasse ich alles deinem Willen und Wohlgefallen.
Herrlicher und erhabener Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist: 
Du bist mein, und ich bin dein. So soll es sein. 
Bestätige im Himmel den Bund, den ich jetzt auf Erden erneuert habe. Amen.

Cornelia Trick


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