Ein Freund fürs Leben (Johannes 15,12-17)
Gottesdienst am 19.02.2012

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
schon viele Jahre lang kommt Dienstagabend um 21.00 Uhr „In aller Freundschaft“. In meiner Tageszeitung kann ich die Einschaltquoten der vergangenen Tage verfolgen, „In aller Freundschaft“ hat jede Woche mindestens die zweitbeste Quote, allein letzten Dienstag fast 6 Millionen Zuschauer. Was bringt so viele Menschen Woche für Woche dazu, einem Krankenhausalltag zuzusehen, in dem das Aufregendste unbekannte Krankheiten sind, die meistens innerhalb von 45 Minuten geheilt werden? Das Interessante steckt wohl im Titel. Es geht eigentlich um Freundschaft, um ein Krankenhaus-Team, das gemeinsam all die Jahre durch dick und dünn geht, einander hilft, einander korrigiert und in Lebenskrisen unterstützt. Wahrscheinlich ist man beim Zuschauen irgendwie Teil des Teams, fühlt sich diesen Freunden zugehörig, hat praktisch selbst einen weißen Kittel an. „In aller Freundschaft“ spielt auf der Klaviatur unserer Ursehnsüchte, Freunde wollen wir haben und Freund und Freundin sein, angenommen und wichtig für andere wollen wir sein, vertrauen können, egal, welcher Abgrund sich gerade auftut.

Die Realität sieht oft anders aus. Freunde sind ein rares und kostbares Gut, wenn wir sie nach diesen Kriterien suchen. Freundschaft wird oftmals bedroht:

  • Um Freunde zu bekommen, werden sie mit Geschenken und Gefälligkeiten angelockt. Wir glauben nicht daran, dass uns Freunde so annehmen wie wir sind – auch ohne Geschenke.
  • Freunde können verraten und hinten herum schlecht reden.
  • Freunde können aus dem Blickfeld verschwinden durch mangelndes Interesse aneinander.
  • Freunde können neidisch sein oder wir auf die Freunde, Neid zerstört Vertrauen.
Jesus kennt die Sehnsucht nach einem Freund, der durch das Leben begleitet. Er weiß um unsere Schwierigkeiten, Freunde zu finden und selbst ein Freund, eine Freundin für andere zu sein. Deshalb sagt er von sich: „Ich bin dein Freund!“ Er ergreift die Initiative und schickt eine Freundschaftsanfrage zu uns: Willst du, dass ich dein Freund bin?

Dazu sagt Jesus etwas in seinen Abschiedsreden kurz vor seiner Gefangennahme und Kreuzigung. Seine Worte sind wie eine Zusammenfassung, was ihm am wichtigsten ist, ein Vermächtnis an die nachösterliche Gemeinde.

Johannes 15,12-17

Dies ist mein Gebot: Ihr sollt einander so lieben, wie ich euch geliebt habe. Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde opfert. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr mein Gebot befolgt. Ich nenne euch nicht mehr Diener; denn ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr nenne ich euch Freunde; denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. Ich habe euch dazu bestimmt, reiche Frucht zu bringen, Frucht, die Bestand hat. Darum gilt auch: Alles, was ihr vom Vater in meinem Namen, unter Berufung auf mich, erbittet, wird er euch geben. 
Dieses eine Gebot gebe ich euch: Ihr sollt einander lieben! (Gute Nachricht-Bibel)

Zweimal wiederholt Jesus seine Weisung an die Jünger: „Ihr sollt einander lieben!“ Doch dieses Gebot wächst aus einer großen Zusage. Jesus ist Freund. Seine Freundschaft geht bis zum Äußersten, seinem Tod für seine Freunde. Jesus erwartet keine Bezahlung für seine Freundschaft, sondern geht selbst in Vorleistung. Er hat höchstes Interesse am Gegenüber und nimmt die Todesstrafe auf sich. Seinen Freunden drückt Jesus Wertschätzung aus: Ihr könnt lieben und in Vorleistung für andere gehen, macht es genauso wie ich.

Jesus, der Freund, ist der Kern des Gebots. Diese bedingungslose Radikalität, einander Freund zu sein, setzt voraus, dass wir einen verlässlichen Freund haben. Diese Freundschaft mit Jesus gilt es zu entdecken und zu entwickeln. Wir kommen in unserem geistlichen Leben nicht weiter, wenn wir den Kern aller Aufträge vernachlässigen, die Freundschaft zu Jesus. Wir werden bald kraftlos, perspektivlos, hoffnungslos, wenn wir nicht aus dieser unendlichen Quelle der innigen Freundschaft mit Jesus zehren. Verschiedene Aspekte dieser Freundschaft sind mir wichtig geworden, und ich möchte sie mit Ihnen teilen:

Ich rede mit Jesus – ständig und anhaltend

Mit meiner neuen Kollegin führe ich wöchentlich Dienstgespräche. Dafür habe ich einen kleinen Zettel in meinem Notizbuch und notiere mir alle Stichworte, die ich mit ihr besprechen muss. Weil wir uns gut verstehen, teilen wir uns Vieles auch unter der Woche mit – wie es uns geht, was uns beschäftigt. Wir pflegen unsere Beziehung, das Dienstgespräch hat andere Inhalte.

Manchmal gleicht unser Gebetsleben einer Dienstbesprechung. Wir notieren uns den Tag über Stichpunkte, worum wir bitten wollen, wofür wir danken können, und abends oder morgens ziehen wir den Zettel heraus und arbeiten die Punkte im Gebet ab. Das ist wunderbar, nichts geht verloren. Aber eine Freundschaftsbeziehung ist das nicht. Um mit Jesus zu reden, brauchen wir nicht bis zur Gebetszeit zu warten, das geschieht überall und zu allen Zeiten. Er ist ja immer dabei, ob im Auto, an der Ampel, in der Schlange an der Kasse, in der Besprechung. Und er will, dass wir mit ihm Kontakt halten. Er will uns die Hand beim Arzt drücken, er will, dass wir ihm sagen, was uns gerade so ärgerlich macht, er will mit uns über ein gutes Resultat jubeln. Er will nicht bis zur Dienstbesprechung warten, er ist Freund und kein Arbeitskollege.

Vor einigen Jahren machte ich öfter Hausbesuche in einer alten Wohnsiedlung in Frankfurt. Dort gab es noch Teppichstangen, über die Leute ihre Teppiche legten, um sie auszuklopfen. Reden mit Jesus ist, wie wenn wir unser Innerstes auf die Teppichstange vor dem Haus hängen und Jesus beauftragen, den Staub rauszuklopfen. Behalten wir die „inneren Teppiche“ für uns, bleibt all der Staub in uns, kein neuer Geist kann einziehen.

Jesus redet mit mir – durch sein Wort und andere Menschen

Eine Kollegin erzählte mir von einer Gemeinde im Rhein-Main-Gebiet. Sie machte Gebetsspaziergänge in den Wohnstraßen um die Kirche herum. Etwa zur gleichen Zeit saß ein Mann dort in seinem Sessel und war abgrundtief verzweifelt. Er hatte eine Erinnerung an die Bibel, besorgte sich eine über das Internet, und als er sie in den Händen hatte, klebte ein Post-it auf dem Johannesevangelium, das sollte er zuerst lesen. Er las und Jesus begegnete ihm, er suchte die nächstgelegene Gemeinde auf, dort warteten die Beter auf ihn.

Der Mann fand seine Lebenshilfe in der Bibel. Er las sie mit einer großen Erwartungshaltung: Er wollte eine Lösung seiner Probleme. Mit welcher Haltung nehmen Sie die Bibel in die Hand? Wollen Sie, dass Jesus durch die Bibel zu Ihnen redet? Es hilft sicher, die „inneren Teppiche“ rauszuhängen und die eigenen Lebensfragen Jesus zu offenbaren. Erst so werden wir sensibel für Jesu Reden durch die Bibel oder auch durch andere Menschen, die er uns schenkt. Machen wir eine kleine Pause: „Du bist mein Freund, meine Freundin!“ Diesen Satz können wir zu uns sprechen lassen. Vielleicht ist er Antwort auf unsere „inneren Teppiche“, unsere Lebensfragen und -krisen.

Ich bin ehrlich

Jesus wurde Freund der Zöllner und Sünder genannt, gedacht als Schimpfwort enthüllt diese Aussage doch tiefste Wahrheit. Jesus schickt seine Freundschaftsanfrage zu denen, die Fehler gemacht haben und wussten, dass sie Hilfe brauchten. Den Pharisäern, die Jesus in ihrem Eifer, Gott zu gefallen, sehr viel näher standen, schickt er keine Freundschaftsanfrage. Freundschaft mit Jesus heißt also, zu seinen Fehlern zu stehen, und das Kostüm, das uns unsere Rolle im Alltag spielen lässt, abzulegen.

Manche ist mit ihrem Kostüm nahezu verwachsen, sie kann nicht mehr aus ihrer Rolle aussteigen. Jesus gibt ihr die Chance: Sei endlich ehrlich und nicht so, wie du willst, dass die anderen dich sehen:

  • Nicht angepasst, sondern auch aufbegehrend und wütend.
  • Nicht Chef, sondern auch bedürftig wie ein Kind.
  • Nicht selbstbewusst, sondern hadernd und zweifelnd.
  • Nicht dauerlächelnd, sondern auch tieftraurig.
In der Freundschaft mit Jesus gibt es Platz zu ringen, zu kämpfen, zu trotzen wie Abraham, Mose, David und Hiob.

Ich vertraue und bin gehorsam

Jesus lädt seine Freunde ein, sein Gebot zu befolgen. Ich habe nachgedacht, wann und aus welcher Motivation heraus ich ein Gebot befolge. Einmal wenn ich die Strafe fürchte. Bei Darmstadt fahre ich auf der Autobahn immer 100 km/h, weil ein Blitzer dort installiert ist. Und ich befolge Gebote, wenn ich überzeugt bin, dass sie zum Besten für alle sind. Ich hebe meinen Dreck von der Straße auf, weil ich nicht will, dass die Stadt vermüllt. Ich streue bei Glatteis, weil niemand vor dem Haus ausrutschen soll.

Jesus ist unser Freund, so fällt Gehorchen aus Angst vor Strafe schon weg. Er will nicht, dass wir Angst vor ihm haben, sondern dass wir ihm gehorchen, weil es das Beste für uns ist, und wir vertrauen können, dass er es gelingen lässt. Jesus nennt hier nur ein Gebot, einander zu lieben. Er wiederholt es, weil es sein Startgebot ist. Allein werden wir nicht Frucht bringen können und Menschen in die Gemeinschaft mit Gott einwurzeln können. Wir brauchen einander dazu, zumindest zu zweit oder dritt sollten wir sein wie Jesus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18.20). Jesus weist uns einander zu, weil vernetzte Freundschaften stark sind und andere auffangen können.

Mir ist wichtig, was Jesus wichtig ist

Ein paar Jahre waren wir befreundet, aber wir haben uns immer mehr entfremdet. Ihr waren andere Dinge wichtig als mir. Was mir auf dem Herzen brannte, konnte sie nicht verstehen. Wahrscheinlich konnte ich sie auch nicht verstehen. So wurden wir immer stummer, bis der Kontakt ganz abbrach. Nur manchmal, beim Blättern in alten Fotoalben leuchtet noch eine Erinnerung auf, aber längst wissen wir nichts mehr voneinander.

Die Freundschaft mit Jesus kann auch so enden, wenn wir uns entfremden, ich mich dem verschließe, was Jesus wichtig ist. Jesus hat sein Leben gelassen für Zöllner und Sünder, nicht perfekte Menschen, die mit ihm heil werden konnten. Diese Menschen sind Jesus wichtig. Sind sie mir auch wichtig? Jesus sind heile Beziehungen zu Gott und untereinander wichtig. Trage ich dazu bei, dass meine Beziehungen heil sind, ich im Frieden mit meinen Mitmenschen lebe, ihnen vergebe und ihnen immer wieder eine Chance zum Neubeginn gebe? Jesus ist wichtig, dass Gemeinde sich von ihm senden lässt und nicht selbstgenügsam wird. Unterstütze ich die Gemeinde, in der ich lebe, in diesem Auftrag? Bin ich bereit, auf mein Wohlfühlen zu verzichten zugunsten anderer? Bin ich bereit, mich mit der Gemeinde aufzumachen, um zu den Mitmenschen zu gehen und Kontakte zu knüpfen?

Jesus sagt seinen Freunden zu, wenn sie ihn bitten, wird er erhören. Hier geht es um Jesu Mission, die wir teilen und für die wir seine Kraft brauchen.

Jesus ist ein Freund fürs Leben. Er hielt drei Jahre mit sturköpfigen Jüngern aus, die von unserer Warte aus nichts begriffen hatten. Trotzdem hat er ihnen seine Gemeinde anvertraut. Jesus wartet auf unser OK zu seiner Freundschaftsanfrage. Und dann heißt es (wie bei Facebook) online bleiben, um ja nichts von ihm zu verpassen.

Jesus macht uns zu Freunden untereinander, die mit ihm reden, auf ihn hören, ehrlich zueinander sind, einander vertrauen, die gleiche Mission im Herzen haben und in der Freundschaft mit Jesus dranbleiben.

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_ein_freund_fuers_leben.htm