Dem unbekannten Gott
Gottesdienst am 20.04.2008

Apostelgeschichte 17,16-34
Paulus in Athen

Während Paulus in Athen auf die beiden wartete, war er im Innersten empört, weil die Stadt voll von Götzenbildern war. Er redete in der Synagoge zu den Juden und zu denen, die sich zur jüdischen Gemeinde hielten, und er sprach jeden Tag mit den Leuten, die er auf dem Marktplatz antraf. Darunter waren auch Philosophen der epikureischen und stoischen Richtung, die mit ihm diskutierten. Einige von ihnen meinten: "Was will dieser Schwätzer eigentlich?" Andere sagten: "Er scheint irgendwelche fremden Götter zu verkünden." Paulus hatte ihnen nämlich die Gute Nachricht von Jesus und der Auferstehung verkündet. Sie nahmen ihn mit sich zum Areopag und wollten Näheres erfahren. "Uns interessiert deine Lehre", sagten sie. "Manches klingt sehr fremdartig, und wir würden gerne genauer wissen, was es damit auf sich hat." Denn die Athener und die Fremden in Athen kennen keinen besseren Zeitvertreib, als stets das Allerneueste in Erfahrung zu bringen und es weiterzuerzählen.
Paulus trat in die Mitte des Areopags und sagte: "Ihr Männer von Athen! Akropolis in AthenIch sehe, dass es euch mit der Religion sehr ernst ist. Ich bin durch eure Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angesehen. Dabei habe ich auch einen Altar entdeckt mit der Inschrift: 'Für einen unbekannten Gott'. Was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das mache ich euch bekannt. Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was darin lebt. Als Herr über Himmel und Erde wohnt er nicht in Tempeln, die ihm die Menschen gebaut haben. Er ist auch nicht darauf angewiesen, von den Menschen versorgt zu werden; denn er selbst gibt ihnen das Leben und alles, was sie zum Leben brauchen. Er hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen, damit sie die Erde bewohnt. Für jedes Volk hat er im voraus bestimmt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll. Und er hat gewollt, dass die Menschen ihn suchen, damit sie ihn vielleicht ertasten und finden könnten. Denn er ist ja jedem von uns ganz nahe. Durch ihn leben wir doch, regen wir uns, sind wir! Oder wie es einige eurer Dichter ausgedrückt haben: 'Wir sind sogar von seiner Art.' Wenn wir Menschen aber von Gottes Art sind, dann dürfen wir nicht meinen, die Gottheit gleiche den Bildern aus Gold, Silber und Stein, die von Menschen mit ihrer Erfindungskraft und Kunstfertigkeit geschaffen wurden! Nun, Gott ist bereit, mit Nachsicht über das hinwegzusehen, was ihr bisher aus reiner Unwissenheit getan habt. Jetzt aber fordert er alle Menschen überall auf, umzudenken und einen neuen Anfang zu machen. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er über die ganze Menschheit ein gerechtes Gericht halten will, und zwar durch den Mann, den er dazu bestimmt hat. Ihn hat er vor aller Welt dadurch ausgewiesen, daß er ihn vom Tod auferweckt hat." 
Als sie Paulus von der Auferstehung reden hörten, lachten ihn einige aus; andere sagten: "Darüber musst du uns ein andermal mehr erzählen." Als Paulus darauf die Versammlung verließ, schlossen sich ihm ein paar Männer an und kamen zum Glauben, darunter Dionysius, der dem Areopag angehörte, außerdem eine Frau namens Damaris.

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
in der Andacht zu Beginn des Bezirksvorstands letzte Woche dachten wir über einen Satz aus dem 1.Petrusbrief nach. Darin wurde das Verhalten von Ältesten beschrieben, was ja durchaus auch auf die Mitglieder des Bezirksvorstands zu beziehen ist: "Leitet die Gemeinde, die Herde Gottes, als rechte Hirten! Kümmert euch um sie, nicht weil es eure Pflicht ist, sondern aus innerem Antrieb."

Wir dachten nach über diesen inneren Antrieb, der uns motiviert, unsere Aufgaben in der Gemeinde anzupacken, manchmal über unsere Kräfte zu powern und auch Enttäuschungen wegzustecken. Dieser innere Antrieb ist Gottes Geist, der unabhängig zur äußeren Situation unsere Begeisterung und Freude wach hält. Ich sehe den Antriebsmotor eines Autos vor mir. Wie er unabhängig von Straßenbedingungen und dem Wetter den Reifen den Impuls gibt, sich vorwärts zu drehen. Hat das Auto kein Antiblockiersystem, drehen die Räder munter auf Glatteis weiter. Sie lassen sich vom Eis nicht aus dem Konzept bringen. Der Motor Gottes ist allerdings intelligenter als jedes elektronische Fahrkontrollsystem. Er gibt uns da den kräftigen Impuls, wo unsere Arbeit gebraucht wird, und drosselt das Tempo, wenn es nötig ist. Sein Antrieb lässt uns nicht immer auf 180 km/h laufen, sondern gibt genau die richtige Geschwindigkeit für jede Wegstrecke vor.

Bei den Missionsreisen des Apostel Paulus lässt sich Gottes Antrieb sehr gut beobachten. Paulus wollte in der heutigen Türkei Gemeinden gründen und gegründete Gemeinden besuchen. Doch Gottes Antrieb brachte ihn nicht voran. Im Gegenteil, alle Türen schienen für ihn verschlossen zu sein. In der Nacht sprach Gott zu Paulus, und Paulus verstand Gottes Reden. Er machte sich auf nach Europa. Nun sollte man meinen, Paulus kam, sah und siegte, doch die Realität, die in der Apostelgeschichte beschrieben ist, sah wohl anders aus. An der ersten Station Philippi wanderte Paulus ins Gefängnis. Nachdem er freigekommen war, verließ er schnell die Stadt. In Thessalonich gab es einen Aufruhr, die jungen Christen wurden verhaftet, Paulus floh aus der Stadt. In Beröa, der dritten Station in Europa, schwappte der Aufruhr von Thessalonich über. Paulus wurde schnell aus der Stadt nach Athen gebracht. Wäre nicht schon der Gefängnisaufenthalt in Philippi Grund genug gewesen, Europa wieder zu verlassen oder zumindest sich in Europa ruhig und unauffällig zu verhalten? Dass Paulus immer wieder neuen Mut bekam, weiter zu ziehen, lässt seinen inneren Antrieb erkennen. Der Heilige Geist gab ihm Kraft und Gewissheit für seinen Weg. Er war überzeugt von seiner Mission und seinem Auftrag.

Der innere Antrieb

Betrachten wir nun Paulus in Athen, wird dieser innere Antrieb zur ersten Anfrage an uns. Brauchen wir ihn nicht genauso wie Paulus, auch wenn wir nicht die Welt missionieren werden und uns sicher nicht mit Paulus vergleichen können. Doch nicht nur für die große Weltmission ist innerer Antrieb nötig. Für jede kleine Aufgabe brauchen wir ihn, für jedes Gespräch, das nicht nur an der Oberfläche plätschert, für jeden Dienst und Schritt, den wir im Auftrag Gottes tun. Drei wichtige Bedingungen sind mir klar geworden, die notwendig sind, damit Gottes Geist uns innerlich antreiben kann wie der Motor das Auto. 
 
  • Wir brauchen Gottes Nähe. Das Rad nimmt den Antrieb des Motors nur auf, wenn es fest mit der Karosserie verbunden ist. Ein Rad, das im hintersten Winkel der Werkstatt an die Wand gelehnt steht, wird vom Motor des Autos, das gerade vor der Werkstatttür steht, nicht erreicht. Der Motor funktioniert, das Rad ist intakt, aber beide kommen nicht zusammen, das Rad kann seine Aufgabe nicht erfüllen. Es kann sein, dass wir manchmal hinten in Gottes Werkstatt liegen. Wir wundern uns, dass sich in unserem Leben nichts bewegt, wir keine Lust haben, uns nach Gottes Wegweisern auszustrecken. Wir haben die Gottesnähe verloren. Wie finden wir sie wieder? Indem wir auf die Werkstatt unseres Vertrauens bauen. Indem wir uns der Gemeinde aussetzen, einen lieben Menschen in der Gemeinde bitten, für uns zu beten. Indem wir Gottes Liebe hier tanken und erfahren, dass durch das Singen, Hören und die Gemeinschaft neue Kraft in uns strömt. Nicht weil wir so eifrig nach dem Motor suchen, sondern weil Gott uns aufsucht.
  • Ein zweiter Punkt ist für mich Gelassenheit. Ich ertappe mich, wie ich mir immer wieder selbst Schwung geben will, als ob es gar keinen Motor gäbe. Das ist sehr kraftraubend, die PS des Motors allein zu ersetzen. Ich grübele darüber nach, wie diese oder jene Herausforderung bewältigt werden kann, komme oft zu keinem konkreten Ergebnis und muss hinterher feststellen, dass Gottes Wirken viel viel effektiver war als meine Bemühungen. Ich muss lernen, Gott eine Chance zu geben, und ihm Raum geben, mich zu führen. Paulus ließ sich bei seinen diversen Fluchten von den Brüdern der Gemeinde in den nächsten Ort führen. So möchte ich mich von Gott zu den Aufgaben führen lassen, die ich mit seiner Kraft zu erfüllen habe. Vielleicht sind es dann unter dem Strich viel weniger, als ich mir selbst zugemutet hätte.
  • Für den inneren Antrieb ist es nötig, ein Ziel vor Augen zu haben. Wer kein Ziel vor Augen hat, wird sich nicht antreiben lassen. Warum aus der Garage fahren, wenn es in der Garage viel gemütlicher ist? Paulus hatte ein konkretes Ziel vor Augen. Er wollte nach Rom. So lag Griechenland praktisch auf der Strecke. Rom war nicht sein Hirngespinst, sondern Zielvorgabe Gottes: "Bring das Evangelium bis in die Metropole der heidnischen Welt!" Welches Ziel hat Gott uns gegeben? Worauf richtet sich unser innerer Antrieb? In welche Richtung schlagen wir die Räder ein? Geht es um Ziele, die wir für uns selbst definieren, oder geht es um die Ziele Gottes: Für ihn Botschafter am Arbeitsplatz, in der Familie und Freundschaft zu sein, seiner Gemeinde zu dienen, dass sie wächst und Neuen Heimat gewährt?
Durchschauen von Schein und Sein
Die Athener der damaligen Zeit sonnten sich in dem Glanz der vergangenen Zeiten. Sie konnten auf viele Helden zurückschauen, hatten eindrückliche Philosophen in der Stadt und waren stolz auf prachtvolle Bauten, die mit reichlich Kunst versehen waren. Jeder Blumentopf Athens war wahrscheinlich ein kleines Kunstwerk. Die Prachtbauten beherbergten Theater und Künstlergilden, ganz Athen wird Jahresabos in den Theatern der Stadt gehabt haben. Der Glanz der Stadt hatte den Anschein von Ewigkeit. Dazu passten auch die Ausführungen des Philosophen Plato, der in jedem Menschen einen unsterblichen Seelenfunken vermutete. Wo der Mensch die Unsterblichkeit in sich trug, waren seine Heldentaten, seine Gedanken und seine Taten ebenfalls ewig.

Paulus erzählte den glänzenden Athenern von Jesus, dem Antihelden ohne berühmtes Blut in den Adern, der aus einem unbedeutenden Ort in Galiläa stammte. Paulus erzählte von Jesus, der vor Pilatus sagte: "Ich bin die Wahrheit" und damit alle Philosophie Athens in Frage stellte. Paulus wies hin auf Jesus, den Gottesknecht, von dem es in Jesaja 53 heißt, dass er von allen verachtet und nicht schön anzusehen war. Welch ein Kontrast zu den schönen Männern, die als Skulpturen die Stadt schmückten.

Paulus legte damit offen, dass der Glanz Athens nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Stadt Jesus brauchte, der durch Paulus in die Stadt kam, um sie zu retten, zu erlösen und ihr den Glanz der Ewigkeit zu verleihen. Dieser Glanz der Ewigkeit würde auf Gottes Heldentaten hinweisen, dass er seinen Sohn gab, selbst in ihm Mensch wurde, um seine Menschen zurück zu gewinnen.

Durchschauen wir Schein und Sein? Lassen wir uns blenden von Heldentaten aller Art, von brillianten Denkern und herausragender Kunst? Bauen wir durch unsere Bewunderung und Anbetung an solchen Denkmälern mit, die doch dem Tod geweiht sind? Oder lassen wir Ewigkeitsglanz in unser Leben, stellen wir unsere Taten zur Verfügung, dass Gott seinen Glanz darauf legt, widmen wir unsere Gedanken ihm, lassen wir unsere Kunst unter seiner Überschrift stehen? So wie Johann Sebastian Bach seine Werke mit den drei Buchstaben signierte SDG – Soli deo gloria, allein Gott sei die Ehre!

Kurzpredigt des Paulus

Paulus Predigt war kurz, zumindest nach der Überlieferung der Apostelgeschichte. Drei Punkte zählte er auf:
  • Gott ist Schöpfer: Es gibt nur diesen einen Gott, der sich in Jesus den Menschen gezeigt hat. Er ist der Schöpfer aller Menschen in gleicher Weise. Die Griechen haben keinen Vorzug vor anderen. Menschenleben sind zeitlich begrenzt und nicht unsterblich. Der Schöpfer ist nahe bei seinen Geschöpfen, aber er ist immer größer als die Geschöpfe. Die können ihn nicht einfangen mit Bildern, Skulpturen oder Theorien. Auch lässt er sich nicht bestechen oder in eine bestimmte Richtung zwingen. Der Schöpfer hat den Geschöpfen ihre Herkunftsadresse eingepflanzt. Von Lachsen wissen wir, dass sie in Süßwasserflüssen geboren werden. Wenn sie erwachsen sind, wandern sie ins offene Meer und kommen erst zum Laichen wieder in die Geburtsklinik des Süßwasserflusses zurück. Sie haben ihre Herkunft in ihrem Inneren gespeichert. So ähnlich können wir das auch auf uns übertragen. Gott hat uns ins Leben gerufen. Doch immer wird uns die Sehnsucht begleiten, wieder zu unserem Schöpfer zurückzukehren. Tief in unserem Inneren wissen wir, dass wir uns nicht selbst gehören und das Leben in der großen weiten Welt nicht alles sein kann. Doch sind wir nicht nur triebgesteuert. Wir können diese angeborene Sehnsucht überdecken durch viel Aktivität im Meer. Doch wird die Sehnsucht nicht spätestens am Ende unserer Erdentage durchbrechen?
  • Gott ist Herr: Paulus sagt, dass die Zeit der Unwissenheit vorbei ist. Nicht nur die Sehnsucht deutet auf Gott, sondern Jesus ruft zu Gott. Das bedeutet umzukehren und den Weg in Gottes Richtung einzuschlagen. Nicht mehr die Götter aus Stein sind anzubeten, sondern der nun bekannte "unbekannte" Gott, der die Eigentumsverhältnisse klar macht: "Ich bin der Herr!"
  • Gott ist Richter: Jesus ist auferweckt vom Tod und hat Vollmacht, die Erde zu richten. Auf welcher Seite stehen die Athener, auf welcher Seite wir? Wer den Richter kennt und mit ihm vertraut ist, darf auf seinen Freispruch hoffen. Ist das nicht ein Angebot?
Die Kurzpredigt des Paulus ist ein lauter Ruf zur Entscheidung. Wer die Sehnsucht nach Heimat spürt, darf die Richtung ändern und zu Gott umkehren. Er oder sie kann von falschen Prioritäten lassen und sich in den Glanz der Ewigkeit begeben. Er oder sie kann mit Jesus leben und an seinem Leben teilhaben.

Erfolg oder Misserfolg?

So schön wäre es, wenn wir nur summieren könnten: Die Predigt des Paulus hat zu einer großen Bekehrungswelle in Athen geführt. Alle Tempel wurden Jesus Christus gewidmet, die Gemeinde in Athen wuchs und blühte, Menschen wurden glücklich und der Ewigkeitsglanz schien auf ganz Griechenland.

Doch so war es nicht. Nur einige wenige kamen zum Glauben an Jesus. Die anderen lachten Paulus aus oder hielten ihn auf Distanz "ein andermal mehr ...". Doch war es nun ein großer Reinfall in Athen? Oder will uns der Bericht etwas anderes sagen? Paulus ist seinem inneren Antrieb gefolgt. Er hat den Leuten ehrlich Rechenschaft von seinem Glauben abgelegt und Jesus bezeugt. Er hat gelassen darauf vertraut, dass Gott die Richtigen rufen würde.

Und das hat Gott offensichtlich getan. Denn wir hören von einem Dionysios, der im Parlament der Stadt saß, ein Promi unter den Athenern, und von Damaris, deren Name wohl im Gedächtnis blieb, weil sie zur späteren Athener Gemeinde gehörte. Gottes Erfolg sieht anders aus, als wir ihn uns vorstellen. Doch er scheut den Einsatz nicht, einen Mann wie Paulus wegen einer Hand voll Neubekehrter nach Athen zu schicken. Steht es uns deshalb an, nur das für ihn zu tun, wo wir uns Erfolg ausrechnen? Oder kommt es nicht einzig und allein darauf an, im Gebet die Richtung zu erkennen, in die uns Gottes Antrieb führen will, und dann loszulegen? Ob dabei viele oder wenig zum Glauben kommen, ist letztlich Gottes Sache. Er kann aus zwei, drei Leuten eine Gemeinde wachsen lassen. Nur, sind wir bei den zwei, drei Leuten dabei?

Cornelia Trick


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