Das Kind macht uns zu Kindern Gottes (Johannes 1,1+10-14)
Gottesdienst am 25.12.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
die Nacht im Stall von Bethlehem liegt hinter uns. Die Geburt des Gottessohnes bestaunten wir mir den Hirten. Gott wurde Mensch, ein hilfloses, hundert Prozent auf Hilfe angewiesenes Wesen. Gott begab sich in die Hände von Menschen. Ein so großes Risiko ist er eingegangen. Würden die Menschen gut zu ihm sein, ihn festhalten, statt ihn fallen zu lassen? Würden sie sich einlassen auf ihn oder sich von ihm abwenden? Würden sie ihre Überlegenheit missbrauchen und ihn sogar mundtot machen?

Heute Morgen wird unser Blick geweitet auf das, was Jesus für diese Welt bedeutet. Das Johannesevangelium erzählt eine etwas andere Weihnachtsgeschichte. Da kommt keine Stallidylle vor, dieses Wissen setzt Johannes voraus. Er spannt darüber hinaus einen weiten Bogen von der Schöpfung der Welt bis zu ihrer Erlösung. Und mittendrin ist Jesus.

Johannes 1+10-14
Von Anfang an gab es den, der das Wort ist. Er, das Wort, gehörte zu Gott. Und er, das Wort, war Gott in allem gleich. Er, das Wort, war schon immer in dieser Welt. Diese Welt ist ja durch ihn entstanden. Aber sie erkannte ihn nicht. Er kam in seine eigene Schöpfung. Aber die Menschen, die er geschaffen hatte, nahmen ihn nicht auf. Aber wer sich ihm öffnete, denen verlieh er das Recht, Kinder Gottes zu werden. – Das sind alle, die glauben, dass er im Auftrag Gottes handelt. – Kinder Gottes wurden sie nicht durch ihre natürliche Geburt. Auch nicht, weil ein Mensch es wollte oder weil sie einen Mann zum Vater haben. Kinder Gottes wurden sie allein dadurch, dass Gott ihnen das wahre Leben schenkt. Er, das Wort, wurde ein Mensch. Er lebte bei uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Es war die Herrlichkeit, die ihm der Vater gegeben hat – ihm, seinem einzigen Sohn. Er war ganz erfüllt von Gottes Gnade und Wahrheit.

Gott und Jesus, so beschreibt es der Evangelist, sind wie der Sprechende und sein gesprochenes Wort. Gott sagte am Anfang der Welt: „Es werde Licht“, und so geschah es. Jesus ist dieses Licht, mit dem die Welt entstand. 

Gott wird am Ende der Zeiten sagen: „Ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde“. Jesus ist der Baumeister dieser neuen Welt.

Jesus umschließt das Weltgeschehen von Anfang bis Ende, sichtbar wird er an dem kleinen Punkt auf unserer Welt-Zeitachse, ungefähr zwischen den Jahren 0 und 30 n.Chr. Der Himmel war, wenn wir im Bild bleiben, dreißig Jahre geöffnet, in denen die Menschheit sehen konnte, wie Gott, der Vater, ist. Denn wie der Vater, so der Sohn – zurzeit des Evangelisten eine gültige Gleichung.

Im Bericht des Johannes höre ich zwei Sätze, die mich aufrütteln: „Sie erkannte ihn nicht.“ und „sie nahmen ihn nicht auf.“ Mich interessiert, wer mit „sie“ gemeint ist.

Sie nahmen ihn nicht auf
Ich schaue mir die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Matthäus an. Bei Lukas ist von Herbergen die Rede, deren Wirtsleute die schwangere Maria mit ihrem Mann Josef nicht aufnehmen wollten. Sie waren wohl überfordert von der Menschenmenge, die in Bethlehem anlässlich des Laubhüttenfests und der Volkszählung zusammenkamen. Stress macht blind, die Erfahrung habe ich auch schon gemacht. Da steht buchstäblich Gott selbst vor der Tür, und man schiebt ihn beiseite und fühlt sich nur gestört und behindert. Es muss kein böser Wille gewesen sein, denn was hätten die Hoteliers denn tun sollen? Andere Gäste rauswerfen? Ja, sie hätten ihr eigenes Schlafzimmer räumen können für Maria und Josef. Das würden wir wahrscheinlich nur machen, weil wir den Ausgang der Geschichte kennen, damals wäre das genauso undenkbar gewesen wie heute. 

Bei Matthäus lernen wir Herodes, den judäischen König, kennen. Zu ihm kamen die Weisen aus dem Orient, um nach einem neugeborenen König zu fragen. Als er von einem möglichen neuen Anwärter auf dei Krone hörte, bekam er Angst vor der Konkurrenz. Deshalb verzichtete er auf genaue Prüfung des Sachverhalts, ihm schien es vernünftig, das Problem sofort an der Wurzel zu packen und auszurotten. Er ließ alle Babys in Bethlehem umbringen. Nur mit götttlicher Hilfe konnte die Jesus-Familie nach Ägypten fliehen. Herodes hielt an seiner Macht fest, niemand sollte ihm in die Quere kommen.

Übertragen wir diese beiden Situationen der Weihnachtsgeschichte auf uns. Sind wir nicht auch sehr beschäftigt und in unserem eigenen Kreisen um unsere Listen und Pläne blind für Gottes Retten, blind für Jesus, der sich uns in den Weg stellt? Es ist wohl die einmalige Chance dieses Corona- Weihnachtsfestes, vor der Ruhe nicht davonlaufen zu können. Zwangsläufig ist unsere Aktivität gebremst. Um Jesus aufzunehmen braucht es nur noch offene Arme und Herzen, einen kurzen Satz: „Ja, komm zu mir“. Und wir werden staunen, was Jesus uns in der Ruhe an der Krippe zu sagen hat.

Auch uns kann es passieren, dass wir überzeugt von unserer eigenen Kraft sind. Jesus könnte Einspruch gegen unseren Lebenswandel erheben, mein Selbstbild in Frage stellen. Aber bin ich wirklich in der Lage, alles allein zu regeln? Bin ich mit meiner Kraft nicht ganz schnell am Ende?

Vielleicht sind wir aber auch zu festgelegt in unseren Vorstellungen. Keine und keiner erwartete damals den Messias als neugeborenes Baby in ärmlichen Verhältnissen. So höre ich manchmal auch Sätze wie: „Wenn es Gott wirklich gibt, warum kann er dieses Leid zulassen?“ Die Vorstellung, die dahintersteht, sieht Jesus wohl eher als Zauberfee, denn als Begleiter, der mitgeht in die tiefsten Tiefen. 

Noch eine Haltung begegnet uns während Jesu Erwachsenenzeit, nämlich sein Fähnchen nach dem Wind zu halten. Sind gerade alle für Jesus, bin ich es auch, renne zu Festivals und Gebetstreffen, lasse mich von der Begeisterung mitreißen. Bin ich in einer Gruppe, wo ordentlich über andere gelästert wird, halte ich mich vornehm zurück, mache sogar mit, als ob ich nie etwas von Jesus gehört hätte.

Wer Jesus aufnimmt
In der Weihnachtsgeschichte gibt es eine bunte Mischung von Menschen, die in Jesus Gottes Retter erkennen. 

Da sind die Hirten, also einfache Leute ohne große Bildung, aber mit einem Herz. Sie sorgen für ihre Tiere, schützen sie, eine Grundhaltung, die sie auszeichnet und die sie auch besonders qualifiziert, einem Neugeborenen zu begegnen.

Die Weisen sind intellektuelle Forscher, die sich wohl eher auf ihren Verstand als auf ihr Gefühl verlassen. Bei ihnen zählen Fakten, nicht ein diffuser Glaube. Sie kommen aus dem Ausland, die Geschichte Israels und alle Erwartungen auf einen Messias werden sie nicht kennen. Aber sie sind neugierig, lassen sich durch ihren Forschergeist ein auf die Reise zu Jesus.

Maria und Josef werden direkt von Engeln angesprochen und beeinflusst. Ihnen wird buchstäblich durch Gott selbst Jesus in die Arme gelegt.

Stellvertretend für viele andere Personen in der Bibel möchte ich noch den Kämmerer aus Äthiopien anfügen (Apostelgeschichte 8,26-40). Er wird von einem Dritten, Philippus, angesprochen auf Jesus und zu ihm geführt. 

Alle Aufgezählten sind Jesus begegnet, obwohl sie ganz unterschiedliche Voraussetzungen hatten. Ihnen gemeinsam ist, dass sich ihnen Jesus in den Weg gestellt und gezeigt hat. Gott initiierte die Treffen, sie konnten nichts dafür tun.

Wer bin ich?
Bin ich bei den Hirten? Lasse ich mich von dem hilflosen Baby berühren, in dem mir Gott nahekommen will? Oder zieht es mich zu den Weisen, möchte ich intellektuell begreifen, wer Jesus ist, und nehme ich dafür eine längere Glaubensreise auf mich? Sehe ich mich in Maria und Josef? Mir wurde Jesus schon früh sozusagen in die Arme gelegt und ich staune, wie er einen immer größeren Raum in meinem Herzen einnimmt? Oder sehe ich mich beim Kämmerer, hat mich erst ein Freund auf Jesus aufmerksam gemacht?

Wie immer Jesus sich mir in den Weg gestellt hat, wenn ich ihn aufnehme, dann darf ich mich Kind Gottes nennen. Wie im idealen Eltern-Kind-Verhältnis bedeutet das, ich darf Geborgenheit erleben, habe eine Heimat, weiß, wo ich hingehöre. Gott gibt mir Rückhalt. Was auch passiert, er ist für mich da. Er lehrt mich Wesentliches, etwa das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, und trägt mir Verantwortung auf. Wie die Jünger beim Seesturm das Wasser aus dem Boot schöpfen mussten, weil Jesus es ihnen zutraute und deshalb schlief (Markus 4,35-41 - Video, Text), so werde auch ich herausgefordert, meinen Teil dazu beizutragen, dass mein Leben gelingt und ich nicht untergehe.

Die Herrlichkeit Gottes sehen
Die Weihnachtsgeschichte nach Johannes schließt mit einem Lobpreis. Der Heiland geht mit uns. Von Anbeginn der Welt bis zum neuen Himmel und der neuen Erde sind wir nicht allein, Jesus, der Sohn Gottes, unser großer Bruder, ist bei uns, und das ist Grund, Weihnachten zu feiern, auch dieses Jahr mitten in Corona-Zeiten.

Cornelia Trick


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