Chorprojekt
Gottesdienst am 02.05.2010

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
den Sonntag Kantate verbinden wir mit Singen zur Ehre Gottes. Wir erheben unsere Stimmen und lassen uns in Gottes Gegenwart hineinziehen. Letzte Woche hatte ich ein kurzes Gespräch mit unserem Chorleiter. Er meinte, es wäre schön, wir würden dieses Jahr wieder ein Chorprojekt auf die Beine stellen. ChorprojektDas hat mich inspiriert gerade auch im Blick auf ein Lied, das ich in der Offenbarung gefunden hatte. Denn ein Chorprojekt ist sehr vergleichbar mit diesem Lied aus zukünftigen Zeiten, das uns die Offenbarung bekannt macht. Beim Chorprojekt steht der Termin in der Zukunft, die Lieder sind meistens schon lang im Voraus festgelegt. Aber bis die Aufführung ist, muss hart geübt werden. Der Chor wächst allmählich in das Liedgut hinein. Auch der Chor verändert sich. Man lernt aufeinander zu hören, tauscht Plätze, damit die Stimmen besser zueinander passen. Man merkt, wenn der Nachbar oder die Nachbarin fehlt. Während der Übungszeit wachsen hier und da Zweifel. Werden wir es bis zur Aufführung schaffen? Doch immer wieder werden auch Stimmen der Ermutigung laut, andere haben es auch geschafft. Nur Mut, mit Gottes Hilfe!

Die Offenbarung des Sehers Johannes zeichnet in vielen Bildern Geschehnisse der letzten Zeit auf. Es sind bedrängende Bilder von Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen, die uns vor Augen gestellt werden. Doch wie durch einen Filmschnitt hervorgerufen gibt die Offenbarung auch Szenen wieder, die aus der Zukunft auf die Bedrängnisse leuchten. Die vollendete Gemeinde steht vor Gottes Thron, ist mit Gott und seinem Sohn Jesus zusammen und lobt und preist ihn. Sie hat das Grauen durchstanden und steht einst auf der Seite des Siegers. Sie ist erlöst, befreit und singt.

Ein solches Lied steht jetzt im Mittelpunkt. Noch üben wir an diesem Lied, den es liegt in der Zukunft. Aber dass es einmal angestimmt wird, ist gewiss. Wir sind eingeladen, an diesem Chorprojekt mitzuwirken, dessen Aufführungstermin allein Gott weiß.

Offenbarung 15,2-4

Ich sah etwas wie ein gläsernes Meer, das mit Feuer vermischt war. Auf diesem Meer sah ich alle die stehen, die den Sieg über das Tier erlangt hatten und über sein Standbild und die Zahl seines Namens. Sie hielten Harfen in den Händen, die Gott ihnen gegeben hatte. Sie sangen das Lied, das Mose, der Diener Gottes, verfasst hatte, und das Lied des Lammes:
»Herr, unser Gott, du Herrscher der ganzen Welt,
wie groß und wunderbar sind deine Taten!
In allem, was du planst und ausführst,
bist du vollkommen und gerecht,
du König über alle Völker! 
Wer wollte dich, Herr, nicht fürchten
und deinem Namen keine Ehre erweisen?
Alle Völker werden kommen
und sich vor dir niederwerfen;
denn deine gerechten Taten
sind nun für alle offenbar geworden.« 

Der Seher Johannes sieht die zukünftige Welt. Er sieht den Himmel als Wohnstatt Gottes, Gottes Thron mittendrin und drumherum ein gläsernes, durchsichtiges Meer. Am Rand dieses Meeres steht die Gemeinde der Erlösten. Sie halten Harfen in den Händen, mit denen sie ihren Lobgesang begleiten. Es sind göttliche Harfen. Offenbar muss man Harfe nicht gelernt haben oder seine eigene Harfe zum gläsernen Meer mitbringen. Gott stellt Instrumente und Können zur Verfügung. Er initiiert die Musik. Die Gemeinde singt das Lied der Vollendeten. Sie sind, so wörtlich, „aus“ dem Tier gerettet worden. Das Tier steht für die widergöttliche Macht. Kaiser Nero wurde mit dem Tier identifiziert und als er gestorben war, erwartete man einen noch schlimmeren Nero, ein noch gefährlicheres Tier, das gegen Gott kämpfen würde. Aus den Fängen dieses Tieres haben sich die Christen dort am gläseren Meer nicht selbst befreit. Sie wurden von Gott herausgehoben wie ein Scheit aus dem Feuer. Jesus hat sie gerettet. Er hat sich an ihrer Stelle dem Tier zum Fraß vor die Füße geworfen. 

Die Offenbarung des Johannes ist in einer Zeit entstanden, als Christenverfolgungen begannen und zunehmend systematischer durchgeführt wurden. Die Gläubigen mussten das Standbild von Kaiser Domitian verehren und dem Glauben an Jesus schriftlich absagen. Sie hatten als Christen keinen Zutritt zu Handwerksgilden, da die eng verbunden waren mit Kaiserkult und kultisch- religiösen Zeremonien. Der Glaube an Jesus Christus entzog den Christen zunehmend die wirtschaftliche und soziale Grundlage. Kein Wunder, dass es für viele Leute so aussah, als ob sie mit ihrem Glauben gescheitert wären und die widergöttlichen Mächte den Sieg davon getragen hätten. 

Die Offenbarung spricht in diese Situation hinein. Sie verdeutlicht, dass trotz aller Schrecken und dem scheinbar letzten Sieg des Tieres Gott am Ende doch das Tier besiegen wird. Und wer zu Jesus gehört, der steht auf der Seite Gottes, der oder die darf das Siegeslied singen. Er oder sie darf jetzt schon mitten in Verfolgung und Not am Chorprojekt teilnehmen und ganz zaghaft beginnen, die Siegesmelodie zu lernen, die erst in Ewigkeit vollmächtig erschallen wird.

Wir sind nicht die Gemeinde zurzeit des Kaisers Domitian. Zwar erleben Christen in anderen Teilen der Welt, ganz besonders krass gerade in Nordkorea, das Tier, das sie wie ein Tiger verfolgt. Christenverfolgung wie damals und noch schlimmer lässt diese Worte des Sehers Johannes ganz besonders tröstlich und ermutigend wirken. Aber auch wenn wir hier Religionsfreiheit genießen und keine und keiner seinem Glauben abschwören muss, gibt es doch auch hier Tiere, die uns von Gott trennen wollen. Es sind keine brüllenden Raubtiere, sondern eher die kleinen, getarnten Lebewesen, die sich verstecken, bis sie den giftigen Stachel ausfahren. Wir spüren die Macht des Tieres vielfältig. Sie verführt uns zu einer Lebenshaltung, die uns abstumpft für Gottes Liebe und sein Werben um uns. Die Lebenshaltung ist geprägt von der Überzeugung, kein Leben nach dem Tod zu erwarten. Also muss man alles in dieses Leben hineinpacken, wird hektisch, rastlos, ruhelos, hetzt von Event zu Event und dreht sich schließlich so schnell um sich selbst, dass man erschöpft und ausgelaugt zu Boden fällt. Die Macht des Tieres sehen wir aber auch im aktuellen Zeitgeschehen. Es steht um uns Kirchen nicht gut, viele wissen nicht mehr, warum sie der Kirche angehören. Sie erwarten von der Kirche soziale Leistungen, aber sind eher verstimmt, wenn sie zum lebendigen Glauben herausgefordert werden. Und nun kommen noch tägliche Meldungen zu Missbrauchsfällen in der Kirche, Gewaltanwendung gegen Kinder, Vertuschung und Lüge von führenden Kirchenleuten. Reicht es da zu sagen, dass wir hier damit ja nichts zu tun haben? Sitzen wir nicht im gleichen Boot, dessen Mannschaft kraftlos und ziellos geworden ist und das nun auf Riffs aufläuft und Löcher in den Schiffsrumpf geschlagen bekommt? 

Der Macht des Tieres zu widerstehen, ist anstrengend. Nach der Offenbarung bedeutet es, standhaft im Glauben zu bleiben, an der Beziehung zu Jesus festzuhalten, auch in Zeiten tiefer Zweifel. Die Bibel wieder vom staubigen Bücherregal auf den Nachttisch zu legen, um Jesus zu hören und neu zu entdecken. Die Offenbarung rät, in der Gemeinschaft der Gemeinde zu leben, da sie der einzige heilige Bezirk ist, in dem das Tier keine Macht hat. Und sie gibt weiter, dass wir Zeugnis geben sollen, selbst wenn wir dabei erschlagen werden. Diese Standhaftigkeit fordert von uns Verbindlichkeit, Treue und Geduld. Wenn wir uns treiben lassen, kann es sein, dass wir auf Grund laufen und versinken. Dann werden wir nicht am gläsernen Meer stehen.

Mitten in diesem wirklich ernsten Szenario richtet der Seher Johannes unseren Blick auf den Himmel: Gott siegt, nicht das Tier. Er will die Schiffsmannschaft nicht untergehen lassen, sondern zu sich holen. Im Nachhinein, sozusagen von oben, werden wir Gottes Handeln verstehen. Wir werden erkennen, dass gut und richtig war, was uns hier wirr, falsch und unbegreiflich erscheint. Alle Völker werden um das gläserne Meer stehen. Das Evangelium von Gottes Liebe ist wirklich bis zu den Enden der Erde vorgedrungen, wie es Jesus bei seiner Himmelfahrt den Jüngern versprochen hatte (Matthäus 28,18-20). Das gläserne Meer ist mit Feuer vermengt. Meer und Feuer erinnern an die Rettungstat am Roten Meer, als Israel aus der Sklaverei befreit wurde. Und sie erinnern an den Untergang des Tieres, das keine Macht mehr hat. Vielleicht schwingt im Bild des Feuers auch die Feuersäule in der Wüste mit, mit der Gott seinem Volk den Weg wies. Am gläsernen Meer ist Orientierung, die Zeit des Chaos ist vorbei.

Am Sonntag Kantate singen wir die Zukunft vorweg und herbei. Wir üben das neue Lied ein: Wir werden bei Jesus sein, Gott hat seine Hütte mitten bei den Menschen aufgeschlagen. Wir werden die erste Liebe wieder empfinden, zu Gott und zueinander. Weil wir diese Verheißung jetzt schon haben, können wir in den Herausforderungen in tierischen Zeiten an Gott festhalten. 

Bedrängende Lebenssituationen sind seit Jesu Auferstehung normal. Das Tier will die Oberhand gewinnen. Das Böse hat noch nicht aufgegeben, um die Vormachtstellung zu kämpfen. Das Böse begegnet uns getarnt und vielfältig: Es setzt an bei unserem persönlichen Leben, in Krankheit, Überforderung und Not. Es greift die Gemeinde Jesu an, bei uns in Form von Orientierungslosigkeit der Christen und Gleichgültigkeit gegenüber Jesus. Das Böse greift die Welt an, das Miteinander wird zerstört, Solidarität schwindet, Katastrophen, Bürgerkriege und Misswirtschaft geschehen. In dieser bedrohten Welt ist die Gemeinde Jesu ein heiliger Bezirk, der allein Gott gehört. Die Gemeinde, die Jesus zum Zentrum hat, ist für das Böse unangreifbar.

Deshalb können wir hier das Chorprojekt einüben, statt wegen der Schwierigkeiten um uns herum auseinander zu laufen. Wir sind eingeladen, Jesus zu danken für die Rettung aus dem ewigen Tod, wir können ihn preisen für Ermutigung und Hilfe um standhaft zu bleiben. Und wir können einander stärken durch Fürbitte, Fürsingen und Mittragen in Zeiten des persönlichen Zweifels. 

Das Chorprojekt erfordert Übung, aber im Üben wird unsere Seele froh und bekommt schon einen Vorgeschmack auf das Singen am gläsernen Meer:
Herr, unser Gott, du Herrscher der ganzen Welt, wie groß und wunderbar sind deine Taten!“

Cornelia Trick


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Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
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