Bei Gott ist kein Ding unmöglich
Gottesdienst am 10.12.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
"Bei Gott ist kein Ding unmöglich", diese Erfahrung machten Zacharias und Elisabeth, als ihnen als alt gewordenem Ehepaar der Sohn Johannes angekündigt wurde. "Bei Gott ist kein Ding unmöglich" sagt der Engel zu der jungen Maria, als er ihr die Geburt ihres Sohnes Jesus ankündigt. Zacharias, Elisabeth und nun auch Maria sind Adventsmenschen, die von Gott angesehen werden, einen Auftrag empfangen und ihn bejahen. Sie lassen sich darauf ein, von Gott durch ihren Auftrag verändert zu werden.

Lukas 1,26-28

Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Der Engel Gabriel kommt zu Maria ins Haus, er tritt ein und nennt sie zweimal eine, die Gottes Gnade empfängt. Der Engel verheißt Maria einen Sohn, dessen Titel "Sohn des Höchsten" sein wird. Seine Aufgabe wird es sein zu herrschen, sind Reich ist räumlich begrenzt auf das Reich des Königs David, aber zeitlich unbegrenzt bis in Ewigkeit. Auf Marias Einwand, von keinem Mann zu wissen, antwortet der Engel mit dem Hinweis auf Gottes Geist und Gottes Kraft, die in ihr wirken werden. Er nennt ihr als Zeichen, das die Vorhersage bestätigt, die Schwangerschaft Elisabeths, die ebenso wenig biologisch erklärbar ist wie die Schwangerschaft Marias. "Denn", so resümiert der Engel, "bei Gott ist kein Ding unmöglich." Die Antwort der Maria fällt so anders aus als die des Zacharias im Tempel. Sie zweifelt nicht an Gottes Auftrag. Sie willigt ein und nimmt die Aufgabe an. 

Die Jungfrauengeburt

Wohl kaum eine Geschichte der Bibel ist so umstritten wie diese. Als ich neu in eine Gemeinde kam, wurde mir von einer Frau die Frage gestellt: "Glauben Sie an die Jungfrauengeburt?" Für diese Frau bedeutete die Frage eine Art Eingangstest. Würde ich bejahen, wäre ich theologisch einwandfrei, würde ich verneinen, gehörte ich zu denen, die die Bibel nicht ernst nähmen. Doch ist die Jungfrauengeburt ein Glaubensgegenstand? Historisch können wir folgendes feststellen: Maria war ungefähr 12 Jahre alt, ein Zeitpunkt, zu dem junge Frauen zur damaligen Zeit im dortigem Kulturkreis einem Mann versprochen wurden. Jesu Abstammung von David war über den mit Maria verlobten Josef gewährleistet, nicht über Maria. Die Bezugsstelle aus dem Alten Testament, Jesaja 7,14, nennt im hebräischen Urtext eine junge Frau, die den Immanuel gebären wird, nicht eine ausgesprochene Jungfrau. Nehmen wir diese historischen und literarischen Fakten für sich, spricht viel dafür, die Jungfrauengeburt Jesu abzulehnen und als Legendenbildung zu verstehen.

Doch geht die Fragestellung für mich am Kern der biblischen Erzählung vorbei. Sie will nicht die Jungfrauengeburt rechtfertigen, sondern sie will davon berichten, wie Gott mit dieser Welt ein neues Kapitel seiner Geschichte aufschlägt. Sie will unseren Blick von unseren innerweltlichen Zusammenhängen und Verstehenshorizonten heraus heben auf Gottes Handeln, das nicht an unsere Gesetze gebunden ist. Diese Erzählung will Gottes Gnade bezeugen, die er uns schenkt und die uns verändern will.

Gottes Gnade ist Kern der Engelbotschaft. Gott sucht die junge, ungeprägte und traditionslose Frau aus dem unbedeutenden Ort Nazareth auf. Gott bricht in einen sehr versteckten Winkel seiner Welt ein. Gott beginnt sein neues Kapitel, ohne auf die Erwartungen und Pläne einzugehen, die Menschen von seinem Kommen haben. Darin zeigt sich Gottes Gnade. Das Hohe macht er niedrig, das Niedrige hoch. Sich vorzustellen, wie Jesus biologisch entstanden sein könnte, geht an dieser Kernaussage vorbei. Gott schafft mit Jesus etwas Neues. Jesus lässt sich nicht von Menschen vereinnahmen, er gehört von Anfang an zu Gott. Wie seine Auferstehung ist auch seine Zeugung Gottes Sache, Gottes Schöpfungsakt ins Leben.

So würde ich heute der Frau in der damaligen Gemeinde antworten: Nein, ich glaube nicht an die Jungfrauengeburt. Ich glaube an Gott, der seinen Willen verwirklicht weit über die Grenzen unseres Weltverständnisses hinaus. Das gilt für die Geburt von Johannes den Täufer genauso wie für Jesus. Alles biologische Fragen bleibt an der Grenze zwischen Gott und Welt stehen, die Bibel eröffnet uns den Blick auf eine weitere Wirklichkeit.

Die Gnade Gottes

Zweimal wird Maria die Gnade Gottes zugesagt. Gnade zeigt sich hier in dreifacher Perspektive. Maria wird angesehen, sie wird ausersehen und sie wird beschattet.

Maria wird angesehen. Gott nimmt das junge Mädchen aus der Provinzstadt wahr. Er benutzt Maria nicht als Leihmutter für seinen Sohn, um sie später abzuservieren, sondern bindet ihr Leben an sich. Mit Jesus, der den Namen "Gott hilft" trägt, wird sie immer erinnert sein, dass ihr Gott helfen wird. Und so nehmen wir auch Maria in der weiteren Geschichte wahr. Sie wird die Worte der Hirten an der Krippe hören und in ihrem Herzen bewegen, sie wirken lassen. Sie wird ihren Sohn durch schmerzhafte Prozesse hindurch loslassen müssen, um ihn neu zu finden, nun nicht mehr als ihren Sohn, sondern als Gottes Sohn, der ihr als der Auferstandene begegnen und sie in seine Nachfolge und in die erste Gemeinde in Jerusalem berufen wird.

Maria wird ausersehen. Gott gibt ihr einen Auftrag. Er zeigt ihr, dass sie einen wichtigen Platz in dieser Welt einnimmt, nicht auswechselbar und nicht überflüssig ist. Sie darf als einzelne Frau etwas zu Gottes Geschichte mit seinen Menschen beitragen, wird als Adventsbotin in die Heilsgeschichte Gottes gestellt. 

Maria wird beschattet. Nicht der Vorgang der Befruchtung wird beschrieben, sondern Gottes Gegenwart und Kraft im Heiligen Geist wird als ein Schatten beschrieben, der sie bedeckt. Im Orient hatte Schatten eine ganz große Bedeutung. Schatten zu spenden wurde als Freundlichkeit verstanden. Nicht von der allgegenwärtigen Sonne verbrannt zu werden, eröffnete Lebensfreude und Erholung. Gottes Schatten ist seine Freundlichkeit, mit der er Maria bedeckt und in dessen Wirkungsbereich er Maria festhält. Er stößt sie als ledige Schwangere nicht hinaus in ihren Alltag und lässt sie dort allein zurecht kommen mit ihren Problemen, sondern gibt ihr seine Kraft, die Last seines Auftrags zu tragen und darin seine Gnade zu erfahren.

Maria bekam einen einmaligen Auftrag. Jesus zu empfangen und auf die Welt zu bringen ist sicher nicht zu vergleichen mit unseren Aufträgen, die wir empfangen. Doch biblische Geschichte begnügt sich nicht mit dem Nacherzählen von vergangenen Ereignissen und Zeiten. Sie ist immer auch direkte Ansprache an uns ganz persönlich. Was haben wir heute mit diesem Ereignis in Nazareth zu tun?

Gnade Gottes heute

Gott sieht auch uns an. In der Lebensgeschichte von Christen gibt es immer Stationen auf dem Weg, an denen sie Gottes Ansehen durch Jesus Christus ganz besonders erfahren haben. Manche erinnern sich gut an den Moment, als Jesus ihnen  zum ersten Mal begegnet ist und sie angesehen hat. Sie haben erlebt, wie er sie mitten in Situationen erreichte, die verworren waren oder von verschiedenen Dunkelheiten geprägt waren. Sie hörten seine Anrede: "Du bist gemeint“" und hoben den Kopf, um seinem Blick zu begegnen und darin zu lesen: Gott hilft!

Jesus tritt auch heute Morgen hier ein und ruft jedem und jeder von uns zu "Sei gegrüßt, du Begnadeter, du Begnadete! Du sollst Gottes Liebe erfahren, durch diese Adventsgeschichte, durch ein Lied, das wir heute singen, durch einen Menschen, der dich ansieht mit der Vollmacht des Heiligen Geistes.

Maria aus Nazareth möchte in uns die Erwartung wecken, dass Jesus wirklich auch in unser Leben eintritt. Die Adventszeit gibt die Gelegenheit, dem Hineinkommen Jesu Aufmerksamkeit zu schenken. 

Gott beauftragt uns. Wir können wie Maria in Gottes Geschichte mitwirken. Sicher haben wir nicht diesen einmaligen herausgehobenen Platz in der Geschichte wie Maria. Doch es geht nicht darum, den besten Platz einzunehmen, sondern überhaupt unseren Platz zu finden. Gott gibt uns durch seinen Heiligen Geist Aufträge, die unserem Dasein Sinn geben. Auch wir sind nicht austauschbar und überflüssig, auch wir gehören in die Linie der Zeugen Jesu.

Mit dem Auftrag war bei Maria Schwieriges und Belastendes verbunden. Den geliebten Sohn musste sie wieder hergeben. Auch für Zacharias und Elisabeth war der Auftrag schwer. Sie verloren ihren Sohn an die Wüste, später wurde er hingerichtet, was die Eltern aber vielleicht nicht mehr erlebten.

Auch uns können unsere Aufträge schwer werden. Ein Missionar erlebt viele Enttäuschungen neben der Erfahrung, dass Gott ihm zu seinem Wirken Segen schenkt. Ein Gruppenleiter in der Gemeinde fühlt sich manches Mal als Einzelkämpfer und würde aufgeben, wenn er nicht die Kraft Gottes erfahren würde. Eine Frau in der Nachbarschaftshilfe hat nicht nur froh machende Hausbesuche zu machen, sondern lässt sich immer wieder das Leid der Welt überstülpen, doch auch sie weiß, dass sie Gottes Gegenwart in diesen belastenden Situationen erfahren kann. Wer sich von Gott beauftragt weiß, kann diese besondere Nähe Jesu gerade da erleben, wo er nicht sein eigenes Ding voranbringt, sondern Gottes Geschichte mitgestaltet. 

Angesehen zu werden und beauftragt zu werden gehört zusammen. Wir sind ursprünglich im Garten Eden geschaffen worden, um ihn zu bebauen und zu bewahren, nicht um uns von diesem Garten überwuchern zu lassen, während wir in der Sonne schmoren. In diese ursprüngliche Verantwortung ruft uns Gott durch seinen Sohn Jesus Christus. Er möchte seine Geschichte mit uns weitergestalten.

So können wir die Probefrage in der Gemeinde stellen: Sind in dieser Gemeinde nur wenige, die viel machen? Wenn dem so ist, müsste es heißen: "In dieser Gemeinde sind nur Wenige, die es erlebt haben, von Gott angesehen und beauftragt zu werden."

Wer dem Auftrag Gottes nachkommt und sich ihm zur Verfügung stellt, wird die Fürsorge Gottes erfahren wie ein Schatten, der ihn oder sie vor den brennenden Sonnenstrahlen schützt. Schatten eines KreuzesAuf Maria ist später der Schatten des Kreuzes gefallen, als sie unter dem Kreuz Jesu stand. Es ist der wichtigste Schatten, der auch uns birgt. Weil Jesus für uns gestorben ist, müssen wir die Folgen unserer Gottestrennung nicht mehr mit unserem ewigen Tod bezahlen. Jesus hat uns das abgenommen, nichts kann uns mehr aus Gottes Hand reißen innerhalb dieses Wirkungsbereichs Jesu. Sein Todesschatten bedeutet unser Leben. Seine Freundlichkeit gibt uns Leben bis in Ewigkeit.

Maria antwortete dem Engel Gottes: "Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast." Sie nahm ihre Berufung an, Sie ließ sich von ihrer Berufung zunächst körperlich, dann aber zunehmend in ihrem Inneren verändern.
In Marias Lobpreis können wir einstimmen und Gott loben, der auch uns ansieht, ausersieht und beschattet zu seiner Ehre.

Lukas 1,46-50

Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.
Cornelia Trick


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