Aufgetankt und dann?
Gottesdienst am 02.07.2006

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
bei einer Tagung traf ich einen Bekannten, mit dem ich früher im Jugendkreis war. Er war damals Theologiestudent und ist nun Pfarrer einer Landgemeinde. Wir unterhielten uns über unsere Gemeinden, und er erzählte, dass seine Leute im Ort die Kirche einfach nicht brauchten. Er käme sich vor wie eine Tankstelle ohne Autos. Zwar wären die Menschen sehr umtriebig, würden von einem Ereignis zum nächsten hetzen, aber ohne Kraft würden sie oft außer Puste geraten, sich ausgebrannt fühlen, auf der Strecke bleiben. Die logische Folge, bei Gott Hilfe zu suchen, ziehen sie nicht. Ich konnte Gott in diesem Gespräch nur danken. Als Gemeinde wissen wir hier doch sehr genau, wo unsere Kraft herkommt. Einige von uns fühlen sich auch ausgepowert, sind schwach oder von den Lebensumständen überfordert. Doch wir haben die Adresse für unsere Gebete im Kopf, wir können jederzeit um die Hilfe des Herrn flehen und wir kennen das große Geschenk, dass wir einander im Gebet tragen und uns auch sonst in der Gemeinde helfen. 

Mit meinem ehemaligen Jugendkreiskollegen spann ich das Bild von der Tankstelle Tankstelledann weiter. Was machen wir, wenn wir an der Zapfsäule vollgetankt haben? Fahren wir dann los und wenn ja, wohin? Ich sagte ihm, ich fürchte, wir würden oft einfach an der Zapfsäule stehen bleiben. Vielleicht würden wir uns noch in den immer gleichen Kreisverkehr wagen, aber ganz neue Straßen befahren? Vertrauen, dass der Sprit bis zur nächsten von Gott gesetzten Station reicht? Damit ist es, so zog ich Bilanz, vielleicht doch nicht so weit her, wie ich es gerne hätte.

Vor zwei Wochen befassten wir uns mit Petrus, der zum Passahfest 44 n.Chr. in Jerusalem im Gefängnis saß. Wir hörten von seiner Gemeinde, die 24 Stunden unaufhörlich für ihn betete, gegenüber den 16 Gefängnisaufsehern das himmlische Wachpersonal bildeten. Wir dachten nach über die Wirkung des Heiligen Geistes, der die Gemeinde befähigte, im Gebet für Petrus da zu sein. Ganz klar kannte diese Gemeinde die Tankstelle Gottes mit dem himmlischen Sprit.

Heute können wir der nächsten Frage nachgehen: Wird die Jersalemer Gemeinde die Tankstelle vollgetankt verlassen und sich auf neue Wege einlassen?

Apostelgeschichte 12,12-17: Die Tankstelle

Als Petrus das klargeworden war (Apostelgeschichte  12,11: "Es ist also wirklich wahr! Der Herr hat seinen Engel geschickt, um mich vor Herodes zu retten und vor dem zu bewahren, was das jüdische Volk sich erhofft hat!"), ging er zu dem Haus, das Maria gehörte, der Mutter von Johannes mit dem Beinamen Markus. Dort waren viele Christen versammelt und beteten immer noch für seine Freilassung. Petrus klopfte an das Hoftor, und die Dienerin Rhode kam, um zu hören, wer draußen sei. Als sie Petrus an der Stimme erkannte, vergaß sie vor Freude, das Tor zu öffnen; sie rannte ins Haus und meldete, Petrus stehe draußen. "Du bist nicht ganz bei Verstand!" sagten die im Haus. Und als Rhode darauf bestand, meinten sie: "Das ist sein Schutzengel!" Petrus aber klopfte und klopfte, bis sie schließlich aufmachten. Als sie ihn sahen, gerieten sie außer sich. Er bat mit einer Handbewegung um Ruhe und erklärte ihnen, wie ihn Gott aus dem Gefängnis befreit hatte. "Berichtet das Jakobus und allen anderen Brüdern und Schwestern!" sagte er. Dann verließ er Jerusalem.

Petrus hörte im Gefängnis den Ruf des Engels Gottes "Steh auf und komm!" Er stand auf und folgte dem Engel, der ihn in seine Heimatgemeinde führte, direkt zur Tankstelle Gottes. Dort waren die Gemeindeleute alle versammelt, um für Petrus zu beten. Doch die Reaktion auf Rhodes überraschende Nachricht, dass Petrus vor der Tür stehe, zeigt, offenbart den fehlenden Erwartungshorizont. Die Autos ließen sich volltanken, sie waren auch bereit, die üblichen Wege im vollgetankten Auto zu fahren, sie rechneten vielleicht mit einem Freispruch am nächsten Tag, mit einem milden Urteil, aber offensichtlich nicht mit einem göttlichen Wunder in der Nacht. Sie waren ganz eins mit dem Herrn, und doch fehlte ihnen der Glaube, dass der Herr seinen Weg mit Petrus gehen würde.

Hier sollten wir in unseren persönlichen Bibeln ein großes Ausrufezeichen an den Rand des Abschnittes setzen. Die Gemeinde ist der Ort, an dem wir in besonderer Weise mit Jesus Christus in Kontakt kommen, weil er in der Gemeinde gegenwärtig sein will. Hier sagt er uns mit der Jahreslosung für 2006 zu "Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht. Sei mutig und stark!" Doch fahren wir vollgetankt auch los? Erwarten wir, dass unsere Gebete erhört werden? Oder tun wir einfach weiter unsere Jobs, unsere Dienste, arbeiten wir unsere Listen, auch die Fürbitte-Listen brav ab, ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass das Tanken nicht Selbstzweck ist, sondern nur Mittel zum Weiterkommen?

Seit 25 Jahren spiele ich im Posaunenchor. Eigentlich dachte ich auch, dass das immer so weitergeht. Natürlich habe ich für die Bläserarbeit gebetet, auch die Bläserarbeit unserer Kirche. Doch etwas wirklich Neues habe ich nicht kommen sehen. Die wöchentlichen Übungsstunden fand ich ausreichend für meinen Dienst mit der Posaune. Bis ich eine Bläserschulung besuchte, die ich eigentlich nur aufsuchte, um eine schöne Woche Urlaub zu machen. Da packte mich der Heilige Geist und zeigte mir, welche neuen Wege sich durch die Bläsermusik auftun, wie wir mit Menschen in Kontakt kommen können, die Jesus noch nicht kennen, wie wir alle durch die Musik in besonderer Weise ausgerüstet werden, loszufahren, neue Wege zu beschreiten. Die Bläserarbeit hat für mich inzwischen einen völlig neuen Stellenwert. Sie ist Motor zum Weiterfahren in die noch unentdeckte Welt. Ich übe nicht mehr nur für den nächsten Auftritt, sondern für Gottes Mission, und das macht wesentlich mehr Spaß!

Das Beispiel der Hausgemeinde Marias lädt uns ein, unsere Aktivitäten persönlich durchzugehen. Erwarte ich, dass Gott bei mir anklopft, um mir den Weg nach vorn zu zeigen? Lasse ich mich an die Tür holen? Oder spanne ich gleich mein inneres Abwehrsystem auf: Das kann doch nicht wahr sein, klappen, das war doch noch nie so?

Und auch die innere Fürbittenliste steht in Frage: Wieviele Anliegen schleppe ich mit, bei denen ich gar nicht mit Gottes Eingreifen rechne, die mir für Lösungen sowieso zu kompliziert erscheinen, die ich so daher sage, damit ich sie loswerde? 

Petrus vor der Tür von Marias Haus will uns ermutigen, dass unsere Gebete erhört werden. Lassen wir uns an der Tankstelle nicht einschläfern oder vom Weiterfahren abhalten. Der Heilige Geist betankt uns, damit wir losfahren mit seiner Hilfe. Ohne loszufahren, ohne Erwartung, dass sich durch das Tanken etwas ändern wird, brauchen wir keine Tankstelle und keine Gemeinde.

Apostelgeschichte 12,25-13,5: Die neuen Wege entdecken

Nachdem Barnabas und Saulus die Geldspende in Jerusalem übergeben hatten, kehrten sie nach Antiochia zurück. Sie brachten Johannes mit dem Beinamen Markus aus Jerusalem mit. In der Gemeinde von Antiochia gab es eine Reihe von Propheten und Lehrern; es waren Barnabas, Simeon, genannt "der Schwarze", Luzius von Zyrene, Manaën, der zusammen mit dem Fürsten Herodes erzogen worden war, und Saulus. Als sie einmal für einige Zeit fasteten und sich ganz dem Gebet widmeten, sagte ihnen der Heilige Geist: "Gebt mir Barnabas und Saulus für die besondere Aufgabe frei, zu der ich sie berufen habe!" Nach einer weiteren Zeit des Fastens und Betens legten sie den beiden die Hände auf und ließen sie ziehen. So wurden Barnabas und Saulus vom Heiligen Geist ausgesandt und auf den Weg geschickt. Sie gingen hinab nach Seleuzia und reisten von dort mit dem Schiff zur Insel Zypern. Als sie in die Stadt Salamis kamen, verkündeten sie die Botschaft Gottes in den jüdischen Synagogen. Als Helfer hatten sie noch Johannes Markus bei sich. 

Paulus, Barnabas und Johannes Markus brachen von Jerusalem auf, nachdem sie dort den Solidarbeitrag der umliegenden Gemeinden abgegeben hatten. Für Paulus und Barnabas war es eine Rückkehr in ihre Heimatgemeinde, für Johannes Markus ein ganz neues Feld. In Antiochien wurden die Nachfolger Jesu zum ersten Mal Christen genannt, damals waren sie eine etwas unorganisierte Hausgemeinde, in der Paulus mit Barnabas ein Jahr lang Gemeindeaufbau betrieb. Als die beiden mit Johannes Markus wieder kamen, stellten sie fest, dass die Gemeinde von einem guten Tankstellenteam geleitet wurde. Mit Prophetie und Lehre wirkten Simon, Luzius und Manaen und wurden nun wieder verstärkt durch Paulus und Barnabas. Dieses Leitungsteam der Gemeinde, das Gottes Wort auslegte und in die Situation hinein sprach, bestand aus Leuten, die alle einen gewissen Bruch durch den Glauben an Jesus Christus in ihrer Biographie erfahren hatten. Simon und Luzius kamen von ihren römischen Nachnamen her aus einer gehobenen Stellung, die sie für ihren Glauben aufgaben. Manaen war sogar Schulkamerad des Herodes gewesen, hatte diese besten Beziehung offenbar um des Glaubens willen aufgegeben. Barnabas verkaufte seinen Acker, um das Geld der Gemeinde zu spenden, er gab seine Lebensversicherung und seine Rentenanteile an die Gemeinde ab. Von Paulus wissen wir, dass er radikal die Seite gewechselt hatte. Diese Leute fuhren auf einer Straße direkt auf eine steile Abbruchkante zu. Doch vor ihnen tauchte ein Wagen mit Warnblinkern auf und lotste sie auf eine ganz neue Straße, die weg von der Abbruchkante in neues, unbekanntes Land führte. Erst im Nachhinein konnten sie sehen, wovor Jesus sie bewahrt hatte. Doch die Freude über ihre Rettung ließ sie darüber unruhig werden, dass sich noch immer viele auf die Abbruchkante zubewegten. Sie wussten, worum es ging, und wollten nicht vollgetankt an der Tankstelle stehen bleiben. Sie begnügten sich auch nicht mit dem immer wiederkehrenden Kreisverkehr, sondern machten sich bereit, dem Ruf Jesu zu folgen, um neue Straßen zu finden, auf denen sie Menschen retten konnten.

Wir hören von ihnen, dass sie sich zusammentaten und ohne Hetze Gott dienten und fasteten. Wie haben wir uns das vorzustellen? Wohl so, dass sie sich ganz Gott zur Verfügung stellten. Ihren Terminkalender klappten sie zu, ihre Klingel stellten sie aus, ihr Telefon klemmten sie ab - in unseren Kategorien gesagt. Sie machten sich selbst leer, um Gottes Weisung zu empfangen. Sie sprachen mit Gott und ließen ihm Zeit zum Antworten. Als der Heilige Geist redete, konnten es alle verstehen. Interessant, dass sie nach der Weisung des Heiligen Geistes weiterbeteten, nicht gleich aufgeregt aufsprangen, um die Koffer für Paulus und Barnabas zu packen, sondern sich eine weitere Auszeit nahmen. Jetzt ging es wahrscheinlich um die Bitte um Gehorsam, dass Paulus und Barnabas in den Willen Gottes einstimmten und dass ihnen klar wurden, wohin die Reise gehen sollte.

Diese Aussendungsgeschichte ist eine sehr wichtige Beschreibung von Gemeindearbeit. Wir sind hier zusammen, um an der Tankstelle der Gemeinde nicht stehen zu bleiben, sondern von Gott her durch seinen Heiligen Geist die Weisung zu empfangen, wie es mit uns weitergehen soll. Dafür ist es nötig, Auszeiten für Gott zu nehmen. Der Heilige Geist kann mitten im Trubel zu uns sprechen, ohne Frage, aber wir beleidigen ihn, wenn wir ihn behandeln wie eine Kaufhausdurchsage, die nur zu uns durchdringt, wenn sie möglichst laut ist und unser Autokennzeichen nennt. In Notfällen mag das genügen, die Regel sollte es nicht werden.

Wir lernen auch, wie wichtig es ist, dass wir nicht allein für uns den Weg finden, sondern die Gemeinde betend mit uns ist. Die Tankstelle sendet aus, und sie bleibt verantwortlich für die Ausgesandten.

  • Wen beziehe ich ein, wenn ich Gott nach dem neuen Weg in die Zukunft frage?
  • Welche Auszeit kann ich mir mit diesen Menschen nehmen, um wirklich auf die Stimme des Heiligen Geistes zu hören?
  • Wen bin ich bereit zu begleiten und für ihn oder sie zu beten?
Wir schauen zurück auf zwei Beispiele von betenden Gemeinden. 
  • In Jerusalem herrschte offenbar Kreisverkehr ohne neue Horizonte.
  • In Antiochien und von Antiochien aus wurden neue Wege aufgetan. Antiochien wurde zur Muttertankstelle für eine ganze Tankstellenkette rund um den Globus bis heute.
Hier liegt die Chance für uns, wenn manche Jugendlichen uns im Sommer wegen ihrer Ausbildungen verlassen werden. Wir sollten sie nicht einfach "gehen lassen", sondern sie durch intensives Gebet unterstützen, dass sie als Rettungsfahrzeuge die Tankstelle Neuenhain verlassen und jederzeit Menschen den Weg zu Jesus noch vor der Abbruchkante zeigen können. Und vielleicht wird der eine oder die andere an neuem Ort auch mitbauen an neuen Tankstellen.

Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit. Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid. Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht, der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht. (Klaus-Peter Hertzsch, 1989)

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_aufgetankt_und_dann.htm