Auf Durchreise (Hebräer 13,14-16)
Gottesdienst am 25.11.2018 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
eine Zeit lang wohnten neben uns Amerikaner, die aus beruflichen Gründen eine Weile hier lebten. Wenn ich bei ihnen war, fiel mir vor allem auf, wie wenig Möbel sie hatten und wie wenig Kleinkram bei ihnen rumlag und rumstand. Kein Bücherregal schmückte ihre Wände, keine Erinnerungsfotos hingen an den Wänden, auf dem Boden lagen keine Teppiche. Das meiste ihres Hab und Guts lagerte in Amerika, für spätere Zeiten sorgfältig verpackt. Die Jahre hier verbrachten sie auf der Durchreise mit leichtem Gepäck. Ein bisschen attraktiv ist das ja schon, den ganzen Ballast des Lebens abwerfen, was man nicht braucht, in eine Kiste zu packen, und nochmal neu anzufangen.

Eine andere Szene: Im Pflegeheim besuchte ich einen sehr kranken Bekannten. Sein Lebensbereich war auf zwei Quadratmeter geschrumpft. Selbst den Nachttisch brauchte er nicht mehr. Von all den Dingen seines Lebens hatte er sich längst getrennt, und auch manche Menschen aus seinem nahen Umfeld waren verloren gegangen.

Beide Situationen zeigen, wie vorläufig alles ist, was wir meinen, zum Leben unbedingt zu brauchen. Auch die beständigste Wohnungseinrichtung ist nicht für die Ewigkeit, auch das geregeltste Leben kann ganz schnell reduziert werden auf zwei Quadratmeter. Wir sind unterwegs seit der Geburt bis zum Tod, doch aus diesem Kreislauf des Werdens und Vergehens gibt es eine Ausfahrt, die Gemeinschaft mit Jesus Christus, der uns zusagt, uns mitzunehmen in eine andere Welt. Darauf richtet sich die Hoffnung des Ewigkeitssonntags. Unser Weg hat ein Ziel, das Leben mit Jesus bei Gott.

Der Hebräerbrief nimmt diesen Gedanken auf. Er ist an die zweite Generation Christen gerichtet. Sie waren müde, hatten sich an Widerständen aufgerieben und fragten sich wohl, ob Christsein unter diesen Umständen überhaupt Sinn machte. 

Der Hebräerbrief ist als eine Antwort zu lesen. Ja, mit Jesus unterwegs zu sein, macht Sinn. Der Weg ist anstrengend, führt durch Leiden, aber hat ein Ziel, das ewige Leben. Dort wird ein himmlisches Jerusalem auf die Christen warten, eine feste Stadt, die bestehen bleibt im Gegensatz zu allem anderen, was sie immer wieder loslassen mussten. Sie würden dort Ruhe finden, nach den heftigen Erfahrungen und der Erschöpfung ein sehr attraktives Angebot.

Hebräer 13,14-16
Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt. Sondern wir suchen nach der zukünftigen Stadt. Durch Jesus wollen wir Gott also jederzeit unser Lob als Dankopfer darbringen. Es ist sozusagen die Frucht der Lippen, die sich zu seinem Namen bekennen. Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Denn das sind die Opfer, die Gott gefallen.

Wir sind nicht mehr die zweite Generation nach Ostern, wir werden nicht durch unsere Umgebung um unseres Glaubens willen angefeindet. Wir sind wohl eher eine mutlose Generation. Wir merken, dass die alten Gefäße des Glaubens, in denen wir selbst noch teilweise großgeworden sind, nicht mehr passen. Die Kirchen sind leer, der Pfarrermangel bestimmt das Gemeindeleben, individuelle Glaubensentwürfe stehen nebeneinander, kleine Start-Up-Gemeinden entstehen und verschwinden wieder. Wie sollen wir uns die Zukunft vorstellen?

Der Hebräerbrief bestärkt unser Gefühl. Wir sind unterwegs, nichts bleibt, wie es war, wir müssen uns üben im Loslassen und Verändern und dabei das eine festhalten, was allein wichtig ist – unsere Beziehung zu Gott.

In Beziehung bleiben
Viel zu lange haben wir an dem vertrauten Konzept festgehalten, dass die Kirche für den Glauben der Einzelnen sorgt, ja, schon das Zur-Kirche-Gehen Glauben bedeutet. Wir haben mit Kirche das Gebäude gemeint, das Sicherheit und Stabilität gewährte und die Arche sein sollte, in die sich alle flüchten konnten.

Wer unterwegs ist, muss bereit sein, auf manches Gepäck zu verzichten. Wir werden unsere Kirchengebäude nicht gleich alle aufgeben, aber wir werden sie verändern müssen. Was jetzt gebraucht wird, welche Gefäße unser Glaube heute braucht, danach sollten wir sie gestalten. Menschen suchen nach meiner Beobachtung verstärkt nach vertrauensvollen Wegbegleitern. Wo Großfamilien nicht mehr den Halt geben, weil sei weit verstreut sind oder die Bande gebrochen sind, fällt eine große Stabilität im Leben der Einzelnen weg. Wer gibt Halt? Wer reicht die Hand? Wer geht auf den manchmal steinigen Wegen mit? Hier werden Christen gebraucht, die nicht in Kirchenbänken sitzenbleiben, sondern denen beistehen, die sonst allein auf dem Weg wären. 

Ich komme in Gesprächen auch immer wieder an Punkte, wo Menschen tiefe Verletzungen erlebt haben, die sie dauerhaft beeinträchtigen. Wir können die Verletzungen, die das Leben zufügt, nicht ungeschehen machen, aber wir können die Verletzten in Jesu Nähe locken, sie ermutigen, Hilfe von Jesus zu erbitten und zu erwarten. Wir können Verletzte in unserem Gebet Jesus vor die Füße legen und für sie beten. Gemeinde als ein Ort der Heilung, das wäre eine wirklich schöne Beschreibung.

Dann höre ich auch immer mal, dass jemand sich sehnt, in einer verlässlichen Gemeinschaft zu leben, die ihn so nimmt, wie er ist, mit Ecken und Kanten, und der er nicht erklären muss, warum er jetzt gerade da ist. Solche verlässliche Gemeinschaft kann Gemeinde sein, wo wir dabei sein können ohne Wenn und Aber, wo wir alle mit unseren Fehlern leben und mit ihnen umgehen lernen, wo wir uns helfen können, die Zeit unterwegs zu gestalten.

#Schauen wir uns diese Herausforderungen an, wird klar, dass Gemeinde unterwegs nicht mehr die Kirche wie vor 100 Jahren ist, wo alle aus dem Dorf sonntags um 10 Uhr Gottesdienst gefeiert hatten. Christen können nicht länger passiv bleiben und Glauben an sich geschehen lassen wie eine warme Dusche. Hier geht es um Beziehungen, untereinander, zu Menschen außerhalb der Gemeinde, zu Jesus, der hinzuruft, heilt und annimmt. Es ist eine Kirche, die für sich klärt, warum sie da ist, aus ihren Mauern herausgeht, die Türen aufstößt und auch den Menschen, die nicht zu ihr gehören, Weggemeinschaft anbietet.

Bei Jesus sein
Für uns als Einzelne bedeutet es, den persönlichen Glauben zu leben und zu vertiefen. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Gemeinde das für uns übernimmt. Wir werden von der Gemeinde nicht geistlich gefüttert, sondern müssen unser Besteck selbst in die Hand nehmen, um Nahrung aufzunehmen und satt zu werden. Das macht eigentlich richtig Spaß. 

Denken wir an ein kleines Kind, noch kein Jahr alt. Es sitzt im Hochstuhl, die Eltern füttern es mit Brei. Doch das Kind wird ungeduldig, es will den Löffel selbst in die Hand nehmen, allein essen. Keine Eltern dieser Welt würden dem Kind den eigenen Löffel auf Dauer verweigern. Und was für eine Lebensfreude das Kind ausstrahlt, wenn es den Löffel in den Brei versenkt und ihn sich kreuz und quer über das Gesicht schmiert, bis er schließlich im Mund landet.

Darum geht es auf unserem Weg unterwegs, dass wir bereit werden, den Löffel, der uns mit Jesu Nähe versorgt, selbst in die Hand zu nehmen. 

  • Wir werden eigenverantwortlich für unsere Zeit, die wir täglich mit Gott verbringen, die kostbaren Minuten, in denen es rund um uns still wird und wir seine Stimme hören können.
  • Wir suchen uns selbst geistliche Nahrung, tauschen uns mit anderen Christen aus, lesen die Bibel, suchen nach den Wegen, wo wir Gott am leichtesten begegnen.
  • Wir werden, wie es der Hebräerbrief beschreibt, nach Jesu Vorbild leben, Gutes tun, teilen, uns für Frieden einsetzen und uns aktiv gegen Unfrieden im Kleinen und auch im Großen bis hin zu unserer Gesellschaft einbringen.
  • Wir werden sprachfähig, wenn wir auf unseren Glauben angesprochen werden. Warum wir an Jesus glauben, ist kein Geheimnis. Wir werden unseren Glauben niemand aufdrängen, aber wir können z.B. unserem Nachbarn in der S-Bahn in wenigen Sätzen sagen, warum wir unser Leben mit Jesus verbinden.
  • Wir reisen mit leichtem Gepäck. Wir können Prioritäten setzen. Traditionen sind keine Bürde. Was man immer so gemacht hat, kann man in Zukunft anders machen, auch in der Gemeinde. Unsere eigentliche Aufgabe ist wichtig, die Beziehung zu Jesus zu pflegen und Menschen in diese Beziehung einzuladen.
  • Wir werden darauf achten, dass niemand verloren geht, und ein Neuer oder eine Neue einen Platz findet, nicht alle Plätze schon besetzt sind. Im Nebel hilft es, nah beieinander zu bleiben. Nah beieinander sollten wir auch hier bleiben und uns füreinander interessieren, damit wir wissen, wo unsere persönlichen Klippen sind und wo ein fester Händedruck besonders wichtig ist.
  • Wir brauchen Pausen und Proviant. Das Wandern ist anstrengend. Wo sind unsere Oasen, unsere Bänke am Weg, wo wir staunen können, genießen, stehenbleiben, eine Rundumsicht haben und uns neu orientieren können?
Das Ziel ist die feste Stadt, Ruhe und Gemeinschaft mit Gott und Jesus an unserer Seite. Die Wanderung lohnt sich. In dieser Zwischenzeit erleben wir, geliebt zu werden, heil zu werden und die Ahnung zu bekommen, dass einmal Gott alles in allem sein wird.

Denn alles hat in Gott seinen Ursprung. Durch ihn besteht alles und in ihm hat alles sein Ziel. Denn er regiert in Herrlichkeit für immer. Amen. (Römer 11,36)

Cornelia Trick


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