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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Eine andere Szene: Im Pflegeheim besuchte ich einen sehr kranken Bekannten. Sein Lebensbereich war auf zwei Quadratmeter geschrumpft. Selbst den Nachttisch brauchte er nicht mehr. Von all den Dingen seines Lebens hatte er sich längst getrennt, und auch manche Menschen aus seinem nahen Umfeld waren verloren gegangen. Beide Situationen zeigen, wie vorläufig alles ist, was wir meinen, zum Leben unbedingt zu brauchen. Auch die beständigste Wohnungseinrichtung ist nicht für die Ewigkeit, auch das geregeltste Leben kann ganz schnell reduziert werden auf zwei Quadratmeter. Wir sind unterwegs seit der Geburt bis zum Tod, doch aus diesem Kreislauf des Werdens und Vergehens gibt es eine Ausfahrt, die Gemeinschaft mit Jesus Christus, der uns zusagt, uns mitzunehmen in eine andere Welt. Darauf richtet sich die Hoffnung des Ewigkeitssonntags. Unser Weg hat ein Ziel, das Leben mit Jesus bei Gott. Der Hebräerbrief nimmt diesen Gedanken auf. Er ist an die zweite Generation Christen gerichtet. Sie waren müde, hatten sich an Widerständen aufgerieben und fragten sich wohl, ob Christsein unter diesen Umständen überhaupt Sinn machte. Der Hebräerbrief ist als eine Antwort zu lesen. Ja, mit Jesus unterwegs zu sein, macht Sinn. Der Weg ist anstrengend, führt durch Leiden, aber hat ein Ziel, das ewige Leben. Dort wird ein himmlisches Jerusalem auf die Christen warten, eine feste Stadt, die bestehen bleibt im Gegensatz zu allem anderen, was sie immer wieder loslassen mussten. Sie würden dort Ruhe finden, nach den heftigen Erfahrungen und der Erschöpfung ein sehr attraktives Angebot. Hebräer 13,14-16
Wir sind nicht mehr die zweite Generation nach Ostern, wir werden nicht durch unsere Umgebung um unseres Glaubens willen angefeindet. Wir sind wohl eher eine mutlose Generation. Wir merken, dass die alten Gefäße des Glaubens, in denen wir selbst noch teilweise großgeworden sind, nicht mehr passen. Die Kirchen sind leer, der Pfarrermangel bestimmt das Gemeindeleben, individuelle Glaubensentwürfe stehen nebeneinander, kleine Start-Up-Gemeinden entstehen und verschwinden wieder. Wie sollen wir uns die Zukunft vorstellen? Der Hebräerbrief bestärkt unser Gefühl. Wir sind unterwegs, nichts bleibt, wie es war, wir müssen uns üben im Loslassen und Verändern und dabei das eine festhalten, was allein wichtig ist – unsere Beziehung zu Gott. In Beziehung bleiben
Wer unterwegs ist, muss bereit sein, auf manches Gepäck zu verzichten. Wir werden unsere Kirchengebäude nicht gleich alle aufgeben, aber wir werden sie verändern müssen. Was jetzt gebraucht wird, welche Gefäße unser Glaube heute braucht, danach sollten wir sie gestalten. Menschen suchen nach meiner Beobachtung verstärkt nach vertrauensvollen Wegbegleitern. Wo Großfamilien nicht mehr den Halt geben, weil sei weit verstreut sind oder die Bande gebrochen sind, fällt eine große Stabilität im Leben der Einzelnen weg. Wer gibt Halt? Wer reicht die Hand? Wer geht auf den manchmal steinigen Wegen mit? Hier werden Christen gebraucht, die nicht in Kirchenbänken sitzenbleiben, sondern denen beistehen, die sonst allein auf dem Weg wären. Ich komme in Gesprächen auch immer wieder an Punkte, wo Menschen tiefe Verletzungen erlebt haben, die sie dauerhaft beeinträchtigen. Wir können die Verletzungen, die das Leben zufügt, nicht ungeschehen machen, aber wir können die Verletzten in Jesu Nähe locken, sie ermutigen, Hilfe von Jesus zu erbitten und zu erwarten. Wir können Verletzte in unserem Gebet Jesus vor die Füße legen und für sie beten. Gemeinde als ein Ort der Heilung, das wäre eine wirklich schöne Beschreibung. Dann höre ich auch immer mal, dass jemand sich sehnt, in einer verlässlichen Gemeinschaft zu leben, die ihn so nimmt, wie er ist, mit Ecken und Kanten, und der er nicht erklären muss, warum er jetzt gerade da ist. Solche verlässliche Gemeinschaft kann Gemeinde sein, wo wir dabei sein können ohne Wenn und Aber, wo wir alle mit unseren Fehlern leben und mit ihnen umgehen lernen, wo wir uns helfen können, die Zeit unterwegs zu gestalten. #Schauen wir uns diese Herausforderungen an, wird klar, dass Gemeinde unterwegs nicht mehr die Kirche wie vor 100 Jahren ist, wo alle aus dem Dorf sonntags um 10 Uhr Gottesdienst gefeiert hatten. Christen können nicht länger passiv bleiben und Glauben an sich geschehen lassen wie eine warme Dusche. Hier geht es um Beziehungen, untereinander, zu Menschen außerhalb der Gemeinde, zu Jesus, der hinzuruft, heilt und annimmt. Es ist eine Kirche, die für sich klärt, warum sie da ist, aus ihren Mauern herausgeht, die Türen aufstößt und auch den Menschen, die nicht zu ihr gehören, Weggemeinschaft anbietet. Bei Jesus sein
Denken wir an ein kleines Kind, noch kein Jahr alt. Es sitzt im Hochstuhl, die Eltern füttern es mit Brei. Doch das Kind wird ungeduldig, es will den Löffel selbst in die Hand nehmen, allein essen. Keine Eltern dieser Welt würden dem Kind den eigenen Löffel auf Dauer verweigern. Und was für eine Lebensfreude das Kind ausstrahlt, wenn es den Löffel in den Brei versenkt und ihn sich kreuz und quer über das Gesicht schmiert, bis er schließlich im Mund landet. Darum geht es auf unserem Weg unterwegs, dass wir bereit werden, den Löffel, der uns mit Jesu Nähe versorgt, selbst in die Hand zu nehmen.
Denn alles hat in Gott seinen Ursprung. Durch ihn besteht alles und in ihm hat alles sein Ziel. Denn er regiert in Herrlichkeit für immer. Amen. (Römer 11,36) Cornelia
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