Alles hat seine Zeit
Gottesdienst am 08.07.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
einige von uns machen sich jetzt auf, um in den lang ersehnten Urlaub zu fahren. Urlaub ist für sie wie eine Insel im tosenden Meer des Alltags. Sie rudern Tag für Tag in ihrer Nussschale durch die Wellen, nur um bald die Insel zu erreichen. Im Theaterstück vorhin wurde uns eine Szene dargestellt, die an diese Urlaubssehnsucht anknüpfte. Der Urlaub fiel aus wegen Urlaubsvertretung eines kranken Kollegen. Und was nun? War die Urlaubsinsel gesunken?

Theaterstück zum Thema Urlaub und Gott
Die Antwort des Theaterstücks führte in eine andere Richtung. Wir können in der Gegenwart leben. Gott hat uns nicht zu Galeerensklaven geschaffen, die immer nur rudern, bis sie tot sind. Er hat uns zu seinen Kindern geschaffen, die spielen dürfen, Freiräume haben und Zeit zum Entdecken bekommen. Urlaub ist deshalb nicht die Rettungsinsel, sondern jeder Tag hat Urlaubsmomente, in denen Gott uns begegnen und mit uns feiern möchte.

Gott schenkt Zeit zum Arbeiten und Erholen. Wir sind verantwortlich, diese Zeit zu nutzen und nach Gottes Willen zu füllen. Ein Abschnitt aus dem Prediger Salomo beschäftigt sich mit diesem Thema:

Prediger 3,1-14

Alles, was auf der Erde geschieht, hat seine von Gott bestimmte Zeit: geboren werden und sterben, einpflanzen und ausreißen, töten und Leben retten, niederreißen und aufbauen, weinen und lachen, wehklagen und tanzen, Steine werfen und Steine aufsammeln, sich umarmen und sich aus der Umarmung lösen, finden und verlieren, aufbewahren und wegwerfen, zerreißen und zusammennähen, schweigen und reden. Das Lieben hat seine Zeit und auch das Hassen, der Krieg und der Frieden. Was hat ein Mensch von seiner Mühe und Arbeit? Ich habe die fruchtlose Beschäftigung gesehen, die Gott den Menschen auferlegt hat. Gott hat für alles eine Zeit vorherbestimmt, zu der er es tut; und alles, was er tut, ist vollkommen. Dem Menschen hat er eine Ahnung von dem riesigen Ausmaß der Zeiträume gegeben, aber von dem, was Gott in dieser unvorstellbar langen Zeit tut, kann der einzelne Mensch nur einen winzigen Ausschnitt wahrnehmen. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen: Das Beste, was der Mensch tun kann, ist, sich zu freuen und sein Leben zu genießen, solange er es hat. Wenn er aber zu essen und zu trinken hat und genießen kann, was er sich erarbeitet hat, dann verdankt er das der Güte Gottes. Ich habe erkannt: Alles, was Gott tut, ist unabänderlich für alle Zeiten. Der Mensch kann nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen. So hat es Gott eingerichtet, damit wir in Ehrfurcht zu ihm aufschauen. 

Das Buch "Prediger Salomo" wurde in einer Zeit geschrieben, in der große wirtschaftliche Veränderungen im 3. Jahrhundert vor Christus dazu führten, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer wurden. Die frommen Israeliten fragen sich: Ist Gott gerecht, dass er die Skrupellosen unterstützt und die Frommen vergisst? Denn gerade die Gottesfürchtigen gehörten eher der sozialen Unterschicht an, mussten ihr Land verkaufen und waren darauf angewiesen, von der Hand in den Mund zu leben.

Der Prediger Salomo gibt eine Antwort auf diese Probleme: Wozu leben wir? Nicht, damit es uns möglichst gut und unbeschwert geht, sondern dass wir Gott fürchten. Nicht die Reichtümer sind entscheidend, sondern die Gottesgemeinschaft. Reichtümer vergehen, wie es das Auf und Ab in jedem Leben gibt. Aber die Gemeinschaft mit Gott bleibt.

So lehrt uns dieser berühmte und viel zitierte Abschnitt aus dem Predigerbuch die richtige Gottesfurcht. Zwei Grundvoraussetzung werden festgehalten, um das Leben zu betrachten:

  1. Gott bestimmt das Datum, wann etwas eintreffen soll,
  2. Gott bestimmt die Dauer, wie lange etwas währen soll. 
Diese beiden Kriterien setzen voraus, dass Gott als Schöpfer und Erhalter dieser Welt akzeptiert wird. Mit naturwissenschaftlichen Mitteln ist diese Grundaussage nicht beweisbar. Aber sie deckt sich mit der menschlichen Erfahrung, dass wir eine tiefe Sehnsucht nach Gott in uns tragen, die nur der Schöpfer selbst in uns hinein gelegt haben kann. Und dass Menschen nie aufhören werden, nach Gott zu suchen, auch wenn sie den christlichen Glauben ablehnen.

Der Prediger entfaltet auf der Grundlage, dass Gott die Zeit gibt und bestimmt, menschliches Leben in seinen Polaritäten. Geburt und Tod ähnelt dem Pflanzen und wieder Ausreißen der abgestorbenen Pflanzen. Gott tötet und heilt, so wie Menschen Gebäude abreißen und wieder neu bauen. Weinen und Wehklagen entsprechen Lachen und Tanzen. Steine auf ein Feld zu werfen lässt dieses Feld für den Ackerbau unbrauchbar werden, Steine zu sammeln lässt es wieder zu einem gewinnbringenden Feld werden. Auch in Beziehungen zeichnen sich diese Polaritäten ab. Lieben, finden und Treue halten auf der einen Seite, lösen, loslassen und trauern auf der anderen Seite. Schweigen als Ausdruck der Trauer, Reden als Neustart nach dem Trauerprozess. Krieg als unabänderliches Schicksal für den kleinen Mann, die kleine Frau in Israel, Frieden als Schlusspunkt und Geschenk in dieser Auflistung. Gemeinsam ist diesen 14 Begriffspaaren, dass sie Befindlichkeiten beschreiben, die unverfügbar und nicht machbar waren für Menschen der damaligen Zeit, als es noch keine Retortenbabys und lebensverlängernde Maßnahmen gab. 

Leicht könnte der Eindruck entstehen, dass das Leben eben nicht berechenbar ist und man sich mit seinem Schicksal abfinden muss. Doch der Prediger setzt einen anderen Akzent. Das Leben ist eine Schule, um Gottesfurcht zu lernen. Gott möchte alles vollkommen machen, den Menschen seine Güte zeigen und sie letztlich lehren, dass sie ihn brauchen. Gott erwartet als Antwort Ehrfurcht und Achtung.

Wie verhalten wir uns nun mitten im bunten Jahrmarkt des Lebens?
Der Prediger sagt: Das Beste, das ein Mensch tun kann, ist:

Sich freuen ...
Freude hat eine Zielrichtung. So heißt es bei Nehemia: Die Freude am Herrn ist eure Stärke! (Nehemia 8,10) Oder Paulus schreibt: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich, freuet euch! (Philipper 4,10) Offenbar geht es bei dieser Art der Freude um die Gewissheit, dass man gehalten ist von Gott, er Stärke und Mut gibt und den Ausweg aus jeder Situation kennt. Und auch hier beim Prediger wird das deutlich. Weil Gott Datum und Dauer für unser Leben kennt, können wir entlastet sein. Leben wird durch ihn ermöglicht, das müssen wir nicht selbst schaffen. Deshalb werden wir frei, voller Neugier danach zu suchen, wo Gott heute und hier begegnen will, was er mit seiner geschenkten Zeit vorhat, wofür wir überhaupt leben sollen. Das Leben wird zur Entdeckungsreise, welche Bestimmung Gott uns gegeben hat.

Das Leben genießen ...
Der Mensch ist kein Arbeitsochse, sondern Gottes Kind, als sein Ebenbild geschaffen. Deshalb gilt der Ruhetag Gottes auch dem Menschen. Der 7. Tag ist ein Tag des Genusses. Wir sollen innehalten und wieder neu spüren, wo der rote Faden in unserem Alltag ist. Wir dürfen in der Gemeinde Jesu Gottes Gegenwart erfahren, auch durch die tragenden Hände der Menschen, die mit uns Gemeinde sind. Der 7. Tag ist nur ein Ausdruck dieser Erlaubnis, Gottes Fürsorge zu genießen. Vielfältig begegnen Situationen im Alltag, wo uns ein solches Genießen geschenkt wird, auch mitten in anstrengenden Arbeitsprozessen. Sie dann als Chance zu begreifen, ist die Herausforderung.

Der Prediger Salomo ermuntert uns, uns an Gottes Gegenwart zu freuen mitten in den Aufs und Abs jedes Tages. 
Er lässt uns darauf achten, dass unser Leben nicht nur aus harter Arbeit besteht, sondern zumindest an einem Tag der Woche arbeitsfrei sein soll und Raum bietet zum Genießen und dankbar Werden. Er sagt uns, Gottesfurcht leben wir nicht durch ein gebücktes Ducken und ängstliches Starren auf mögliche Fehler, sondern durch ein bewusstes Erleben von Gottes Gegenwart mitten im Alltag.

Doch so einfach ist es damit ja nicht. Wie Karikaturen erscheinen die vier Typen, die ihre großen Schwierigkeiten haben, den Tag zu leben, wie er ist.

  • Der Drückeberger kneift vor den Erfordernissen der Stunde. Er begegnet Gott nicht im Hier und Jetzt, sondern flüchtet in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Wenn ihn jemand bittet, ihm jetzt zu helfen, wird er sich darüber auslassen, dass der andere früher nie in eine solche Notlage gekommen wäre oder dass es in Zukunft diese Not nicht mehr geben werde. Aber jetzt anzupacken fällt ihm nicht ein. Er überhört einfach den Hilferuf.
  • Der Sunnyboy ist grundsätzlich nur da anzutreffen, wo gelacht und gefeiert wird. Für die dunklen Stunden hält er sich nicht für zuständig. Das Weinen versucht er zu vermeiden, auch für den Preis, dass er oberflächlich wird und sich nicht in Beziehungen hinein geben kann.
  • Der Pharisäer vermeidet alles, was ihn schuldig machen könnte. Er versucht ein makelloses Leben zu führen. Tanzen und Lachen scheinen ihm verdächtig. Auch Pflanzen ist nicht sein Ding, was, wenn er dabei einen Fehler macht? Er übergeht die Bitte des Vaterunsers "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern", weil er sich keiner Schuld bewusst ist. Sein Lebensziel ist, alles richtig zu machen, nicht mit Gott Gemeinschaft zu haben.
  • Der Revoluzzer will selbst Chef seiner Zeit sein. Er macht die Nacht zum Tag und den Sonntag zum Alltag. Er akzeptiert nicht, dass Gott den Terminkalender führt und die Daten festlegt. Er will selbst planen. Am Schluss wird er ausgebrannt sein oder sich bei den Arbeitsochsen auf der Wiese finden, die nur essen, arbeiten und schlafen. 
... Jesus vertrauen
Der Prediger sagte: Alles hat seine Zeit und Stunde, von Gott gegeben. Gott schickte Jesus zu seiner Zeit und Stunde, um die Gegensätze in unserem Leben zusammenzuführen. Jesus hat den Tod überwunden. Statt zu töten hat er Gottes Willen zum Leben in unzähligen Heilungen demonstriert. Seine Jünger waren als Fresser und Säufer verschrien, weil sie in Jesu Gegenwart Gottes Nähe feierten und das neue Leben genossen. Den Steinewerfern auf die Ehebrecherin trat Jesus in den Weg. Und er selbst ist der Eckstein, den man zwar bei der Kreuzigung achtlos wegwarf, der aber zum tragenden Grund des Glaubens wurde. Jesus erzählte Gleichnisse vom Finden. Er fand Menschen, die sich verloren hatten und die Gott verloren hatten. Er brachte sie zu Gott zurück. Und am Ostermorgen konnten die zerrissenen Trauerkleider wieder zusammen genäht werden. Jesus lebte, ein neues Kapitel wurde aufgeschlagen. Jesus redete von Gott, er brachte Liebe, er schuf ewigen Frieden.

So können wir entdecken, dass Jesus den Prediger Salomo weiterführt. Die Gegensätze unseres Lebens bestehen. Wir leben oft zwischen dem einen oder anderen Extrem. Wir sind auf Gottes Zeit und Datum angewiesen. Aber wir kennen die Liebe Gottes, die uns zum Ziel führen will. Das letzte Wort ist Friede.

"Was hat ein Mensch von seiner Mühe und Arbeit?" Er kann in der Mühe und Arbeit Jesus Christus begegnen, der Sinn gibt, Kraft und Durchhaltevermögen schenkt, der die Tiefen mit durchleidet, aber das Ziel vor Augen hält. Das Ziel ist nicht nur der Urlaub, sondern Gottes Kind zu sein und in schöpferischer Freiheit jeden Tag auf Entdeckungsreise zu gehen, wo wir IHM begegnen.

Cornelia Trick


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