Die Ampel ist grün!
Gottesdienst am 03.02.2002 

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
neulich nahm ich an einem englischsprachigen Hauskreis teil. Wir behandelten einen Bibeltext, sprachen darüber, was er für uns bedeutet, klärten die Fragen und brachten unsere Erfahrungen zu den angesprochenen Themen ein. Soweit war es wie in unserem Hauskreis, nur eben in englisch. Doch ganz zum Schluss, als ich eigentlich meine Bibel schon zugeklappt hatte, fragte die Leiterin: "Was wollen wir aus dem Gehörten und Besprochenen mitnehmen in die nächste Woche?" Eine für mich seltsam konkrete Frage. Es ist ja nahe liegend, sich eine Anwendung von zwei Stunden Bibellesen zu überlegen. Aber nächste Woche? Wenn ich mit den Kindern spiele, Hausaufgaben mache, einkaufen gehe und putze? Wenn ich am Schreibtisch sitze und mich auf Veranstaltungen vorbereite? Wenn ich in Sitzungen sitze? Wenn ich mit meinem Mann spazieren gehe? Umso faszinierter war ich von den sprudelnden Reaktionen der anderen. Sie hatten gleich Situationen parat, auf die sie das Gelernte anwenden wollten. Ich kam dann ziemlich am Schluss dran, zum Glück, so hatte ich Zeit, mir etwas zu überlegen.

Seitdem bewegt mich diese Schlussfrage des englischsprachigen Hauskreises. Was mache ich mit dem Gehörten? Lege ich es ab in den Ordner "Bibelgespräche" und vergesse es ganz schnell? Oder verändert es was und mischt sich unter meinen Alltag?

Letzten Sonntag waren wir zu Gast bei dem Pharisäer Simon. Jesus war auch da und eine stadtbekannte Nutte. Wir wurden Zeugen, wie das Leben dieser Frau wieder neu wurde, wie sie Jesus dankte für die Befreiung von ihrer Vergangenheit und Jesus zu ihr sagte: "Dein Vertrauen hat dich gerettet. Geh hin in Frieden." Wie hat sie wohl das Gehörte umgesetzt? Und ich, bin ich durch die vergangene Woche in Frieden gegangen?

Ein Brief im Neuen Testament hat genau das zum Anliegen. Er ermutigt uns, nicht nur alles, was mit Jesus zu tun hat, in Ordner abzulegen. Er fordert uns auf, aus dem Gehörten und Gelernten Konsequenzen zu ziehen. Der Brief des Jakobus ist an Christen gerichtet, die von innen und außen bedroht waren. In der Gemeinde wuchsen Zweifel. War Jesus Christus wirklich unter ihnen? Soviel Mutlosigkeit trat auf einmal auf. Kaum einer, der voller Zuversicht sein Leben anpackte. Und dann waren da noch die zwischenmenschlichen Beziehungen und Konflikte. Von außen betrachtet war wohl kein Unterschied zu anderen Gruppierungen, die Jesus Christus nicht zum Thema hatten. Gerade die äußere Bedrohung durch Christenverfolger hätte sie eigentlich zusammen schweißen müssen. Doch statt dessen fielen sie immer mehr auseinander.

Jakobus erkannte, dass hier etwas schief lief. Was die Leute hörten, brachte sie nicht dazu, danach zu leben und zu handeln. Sie hatten ihre Ohren offensichtlich auf Durchzug gestellt. Sie hatten  keine Kraft für die inneren und äußeren Bedrohungen. Der Glaube war wie angeklebt, aber durchdrang sie nicht von innen. So rüttelte Jakobus die Leute auf, in die Gänge zu kommen und, modern gesprochen, die Verkehrsampeln zu beachten.  Ist das nicht auch für uns ein Thema? Lassen wir uns überraschen.

Jakobus 1,19-27

Denkt daran, liebe Brüder und Schwestern: Jeder soll stets bereit sein zu hören, aber sich Zeit lassen, bevor er redet, und noch mehr, bevor er zornig wird. Denn im Zorn tut niemand, was vor Gott recht ist. Legt also alles Gemeine und Schlechte ab und nehmt bereitwillig das Wort an, das Gott euch ins Herz gepflanzt hat. Denn sein Wort hat die Macht, euch zu retten. 
Es genügt nicht, dieses Wort nur anzuhören. Ihr müsst es in die Tat umsetzen, sonst betrügt ihr euch selbst! Wer die Botschaft Gottes nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der in einen Spiegel blickt: Er sieht sich, wie er ist, und betrachtet sich kurz. Aber dann geht er weg und vergisst sofort, wie er aussah. Anders der Mensch, der tief und anhaltend in das vollkommene Gesetz Gottes blickt, das uns frei macht. Er hört nicht nur hin, um es gleich wieder zu vergessen, sondern handelt danach. Er darf sich freuen; denn Gott segnet sein Tun. 
Wenn jemand sich einbildet, Gott zu ehren, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, ist seine ganze Gottesverehrung wertlos, und er betrügt sich selbst.  Ihr ehrt Gott, den Vater, auf die rechte Weise, wenn ihr den Waisen und Witwen in ihrer Not beisteht und euch nicht an dem ungerechten Treiben dieser Welt beteiligt. 

Die Ampel ist rot - 1. Handlungsanweisung

"Nehmt bereitwillig das Wort an, das Gott euch ins Herz gepflanzt hat." Die Ampel ist rot, Ampelder Alltag wird unterbrochen, es geschieht etwas, wir werden aufmerksam gemacht auf eine ganz andere Ebene unseres Lebens, auf unser Innerstes.  Jakobus weist darauf hin, dass es Sinn macht, Ohren und Herzen aufzusperren. Das Wort Gottes hat Tiefenwirkung. Und bedenken wir, was Jakobus mit Wort Gottes meint, so kommen wir auf Jesus Christus. Er ist das Wort, das zu uns spricht. Jesus kommt zu uns persönlich und hat Bedeutung. Er verändert unser Leben. Er will nicht nur äußerlich an uns angeklebt sein, sondern mitten in unserem inneren Garten verwurzelt sein. Dort, wo unsere Ängste und Hoffnungen liegen, wo wir in stillen Stunden mit uns allein sind und Bilanz ziehen, wo wir uns verkriechen, wenn alles über unserem Kopf zusammenbricht. Jakobus stellt sich das so vor, dass Gott Jesus in unser Innerstes pflanzen will. Es macht fortan einen großen Unterschied, ob Jesus da wächst und immer mehr Platz einnimmt oder ob die Stelle kahl bleibt und von Unkraut überwuchert wird.

Aber offensichtlich gibt es auch die Möglichkeit, die rote Ampel zu übersehen, die Augen und Ohren vor Gottes Wort zu verschließen. Vielleicht sind wir oft zu vollgedröhnt vom Alltag, von unseren eigenen Themen, manchmal auch von unserem Freizeitprogramm. Da ist kein Raum mehr für Neues, schon gar nicht für einen Garteneinsatz in unserem Innersten.

Meine Tochter brachte gerade eine schöne Geschichte aus der Schule mit. Da stellten irgendwelche Kolonialherren fest, dass die Indianer so gut hören konnten. Man beschloss, das Gehör gegenseitig zu testen. Tatsächlich, die Indianer hörten eine Grille trotz starker Umweltgeräusche zirpen, wo die weißen Männer noch lange nichts hörten. Doch die Indianer wiesen es weit von sich, besser als die weißen Männer zu hören. Ihr Häuptling nahm eine Geldmünze und ließ sie völlig unauffällig fallen. Obwohl niemand diesen Vorgang erwartet oder direkt gesehen hatte, obwohl es nicht still war, drehten sich die Köpfe der weißen Männer blitzartig um. So, sagten die Indianer, das ist der Beweis. Ihr Weißen hört auf die Münze, Geld ist euch wichtig. Wir hören auf die Grille, die Natur ist uns wichtig.

Und auf was hören Sie? Auf die Münze oder das Telefon, die Kinderstimme oder die Stimme des Chefs? Und wer von uns hört auf Jesus, so dass er Jesu Stimme vor allen anderen Geräuschen wahrnimmt? Denn Jakobus sagt uns zu, dass Jesus die Macht hat, uns zu retten. Da geschieht wesentlich mehr als bei der Grille und der Geldmünze. Da leuchtet die Ampel rot und bringt uns zum Stillstand. Denn Jesus will bei uns Veränderung schaffen, uns von innen her durchdringen, den Draht zu Gott wieder herstellen.

Die Ampel ist gelb - 2. Handlungsanweisung

"Es genügt nicht, dieses Wort nur anzuhören. Ihr müsst es in die Tat umsetzen." Hören ist offensichtlich nicht Selbstzweck. Nur an der roten Ampel stehen zu bleiben, reicht nicht aus. Wenn wir etwas gelernt haben, müssen wir es anwenden. Bei der Ampel kündigt das die Farbe gelb an: Mach dich bereit, gleich loszufahren.

So oft begegnet uns die gelbe Ampel Ampelim übertragenen Sinne. Da gehe ich zum Arzt und bekomme gesagt, was ich beachten muss, um wieder gesund zu werden. Ich werde nicht gesünder, wenn ich mir die Hinweise nicht zu Herzen nehme und versuche, mein Verhalten darauf abzustimmen. Ich sitze mit der Freundin zusammen und höre, wie sie ihre Probleme auspackt. Unsere Freundschaft wird bald beendet sein, wenn ich nicht auf sie eingehe, ihre Probleme ernst nehme und sie in den Arm nehme, wenn sie weint. Oder es gibt im Flur einen lauten Schlag, ein Kind schreit - wer würde da seelenruhig weiter die Zeitung lesen, statt sich um den Notfall im Flur zu kümmern?

Normalerweise setzt Hören etwas in Gang, eine Bewegung, eine Handlung, ein Gebet, irgendetwas, was aus dem Hören folgt. Allerdings hören wir sehr vieles den Tag über, bei dem Handeln völlig sinnlos wäre. Es beginnt mit den Morgennachrichten. Da hören wir von Terror, Krieg und Katastrophen. Aber es reicht völlig zu hören, tun können wir vom Frühstückstisch aus nichts dagegen. Es häufen sich viele solcher Informationen an einem Tag, Infos, die uns abstumpfen lassen, die uns zur Passivität verurteilen und durch die wir letztlich verlernen, das gelbe Licht in unserem Leben wahrzunehmen. Warum sollte es denn mit Jesus anders sein als mit den Nachrichten der Welt? Ist doch schön, wenn er rettet und uns mit Gott zusammenbringt. Was geht es uns an und was sollte heute daraus folgen?

Doch Jakobus sagt, wann immer Jesus mit uns spricht, springt die Ampel auf gelb. Seine Gegenwart bringt Bewegung in unser Leben. Klar, erst mal müssen wir anhalten und ihm zuhören, aber dann nichts wie in die Startlöcher und los. 

Manche lesen morgens einen Bibelvers oder einen Abschnitt aus der Bibel. Jesus will mit ihnen sprechen. Er möchte ihnen zeigen, wie sie dazu beitragen können, dass Jesus in dieser Welt, in Neuenhain, in Frankfurt und wo auch immer gehört und gesehen wird. Ich muss bei meinem Bibellesen morgens öfter an den englischsprachigen Hauskreis denken. Wohin stellt Jesus mich heute? Was will er durch mich verändern? Wo bin ich als Christ gefragt?

An dieser Stelle könnte ich schon Amen sagen. Wir würden nach Hause gehen und hätten genug Stoff zum Nachdenken. Vielleicht würden wir uns ertappt fühlen, ewig vor roten Ampeln vor uns hin zu träumen. Vielleicht würden wir auch merken, dass wir gerne rote Ampeln übergehen und es uns schon unangenehm ist, genau auf Jesus zu hören und ihn in uns wachsen zu lassen. Aber Jakobus lädt uns ein, noch einen Schritt weiter zu gehen. 

Die Ampel ist grün - 3. Handlungsanweisung

"Wenn jemand sich einbildet, Gott zu ehren, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, ist seine ganze Gottesverehrung wertlos, und er betrügt sich selbst." Jakobus erspart es uns nicht, genauer hinzuschauen. Zwei Handlungsfelder zeigt er auf, die andeuten sollen, wohin wir durch die grüne Ampel Ampelgeführt werden. Jakobus nennt zuerst unser Reden, dann unser Verhalten gegenüber Menschen, die Hilfe brauchen. Ich möchte nur das Reden jetzt bedenken.
Üble Nachrede
Diese Karikatur von Sarah Wesley ist mir unter die Haut gegangen. Ihr Vater Charles war ein begnadeter Erweckungsprediger und Liederdichter. Viele Menschen sind durch seine Predigten und Lieder zum Glauben gekommen. Noch heute singen wir Lieder von ihm, die durch ihre Fröhlichkeit und ihre Begeisterung für Jesus Christus mitreißen. Sarah Wesley nun zeichnete ein Bild für ihren Bruder, dem sie zeigen wollte, wie es bei ihnen nach einem Abendgottesdienst aussah. In meiner Phantasie stellte sich das Bild des Erweckungspredigers im 18. Jahrhundert ganz anders dar. Ich vermutete begeisterte Leute, die vor Freude über Gottes Gegenwart leuchteten und die Charles Wesley nicht losließen. Sarahs Bild zeigt eine andere Szenerie. Da sind durchaus begeisterte Leute dabei. Aber es geht eben auch sehr menschlich zu. Wir sehen Sarah (5) und hinter ihr zwei Frauen (6,7). Sarah kommentiert die drei wie folgt: "Die Tochter (5) von Pfarrer Charles Wesley (1); sie lächelt süß und wartet geduldig, während ihr Papa allen Bergarbeitern die Hand schüttelt; sie weiß noch nicht, dass sie es auch tun muss. Ein perfektes Vorbild! Liebste Lady! Eine methodistische Schwester (6) beklagt die Eitelkeit, die sich in dem Kleid von Fräulein W. (5) zeigt. Eine andere (7), die höchst empört dem Bejammern zustimmt." Es war Erweckungszeit, Neue kamen zu Glauben, die Gemeinde wuchs, war lebendig, jeden Sonntag gab es ein neues Lied. Dennoch redete man hinter dem Rücken, hielt sich über die Garderobe von Fräulein W. auf und bemängelte die Eitelkeit der anderen.

Es ist leider wohl schon immer so gewesen - bei Jakobus, zu Wesleys Zeiten, bei uns heute - und wird immer so bleiben. Das Gefühl, selbst nicht zu genügen, führt uns dazu, dass wir über andere reden, uns dadurch größer, besser, erhabener fühlen. Das schlechte Reden entsteht in unserem Herzen, wandert in die Gedanken und kommt in Worten ans Tageslicht wie die Spitze eines Eisberges. So ist das nun mal und Jakobus stellt es realistisch fest. Aber so muss es nicht bleiben.

Jesus will sich in unseren inneren Garten einpflanzen, da wo unsere tiefsten Gefühle sitzen. Er will unsere Gedanken beeinflussen und dadurch unsere Worte lenken. Er will, dass wir nicht nur die Bibelworte hören, sondern uns durch sie verändern lassen.

Das ist in diesem Falle durchaus revolutionär. Da wächst wieder dieser Keim, benachteiligt zu sein, anderen nicht das Wasser reichen zu können. Reden wir diese Gefühle nicht schön und verdrängen wir sie nicht, sondern stellen wir uns ihnen ruhig. In unserem inneren Garten möchte Jesus uns begegnen. Er möchte uns seiner Liebe vergewissern, ja auch zusagen, dass er mit uns etwas Einzigartiges vorhat. Er hilft uns, mit unseren Gedanken Selbstdisziplin zu üben. Wir müssen uns nicht zwangsläufig den Kopf darüber zerbrechen, was der andere wieder falsch gemacht hat und wir viel besser können. Wir müssen nicht Negativpunkte über unseren Chef sammeln, um uns selbst gut zu fühlen. Wir müssen nicht eine Predigt ablästern, damit sie uns nur ja nicht zu nahe kommt. Jesus will uns bei dieser Gedankenhygiene helfen. Und er will uns dann auch im Ernstfall helfen, wenn die Worte nur so aus uns heraussprudeln, diese Worte aber zerstören und nicht aufbauen.

Die beiden Frauen, die hinter Sarah Wesley herliefen, haben offensichtlich noch nichts davon gewusst, dass die Ampel auch für sie auf grün stand und sie das weitergeben konnten, was sie eben im Abendgottesdienst gehört hatten. Wenn sie allerdings jemand belauschte, so war für ihn die ganze Gottesverehrung vernichtet, die beste Predigt, die innigsten Lieder wertlos geworden. Und wenn dann etwa noch Kinder etwas davon mitbekamen, wurde ihre Meinung über doppelzüngige Christen nachhaltig geprägt. Denn die verändernde Liebe Gottes in Jesus Christus war bei den zwei Frauen nicht wiederzuerkennen.

Wir haben die Chance, uns anders als die zwei Frauen zu verhalten. Wir können Jesu Gegenwart zum Ausdruck bringen. Vielleicht braucht es Übung, und Rückschläge gibt es auch, aber wir bleiben nicht stehen. 

Dieses kleine Alltagsthema "Reden" kann unsere Aufgabe in dieser Woche werden. Jesus lässt heilsames, ermutigendes Reden in uns wachsen. Jesus mahnt uns zu Disziplin und Versöhnung. Jesus übt mit uns ein, Worte zum Frieden zu gebrauchen, denn er spricht uns zuerst den Frieden zu. Übungsfeld ist zuallererst die Gemeinde, wo wir von dem gemeinsamen Wort Gottes her leben und Rettung erfahren. Und nächsten Sonntag werden wir zurückblicken und Erfahrungen austauschen, wie wir nicht nur Sonntagshörer geblieben sind, sondern zu Alltagstätern wurden, die die grünen Ampeln gesehen haben.

Cornelia Trick


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